Joachim Löws Erkenntnisse nach dem 1:1 gegen Spanien: Die alten Besen kehren noch

Das DFB-Team trennte sich mit einem Unentschieden von Spanien.
© getty

Bundestrainer Joachim Löw hat beim 1:1 im Testspiel gegen Spanien auf seine derzeitige Stammelf vertraut. Die wenigen Wackelkandidaten zahlten es ihm zum Großteil mit ordentlichen Leistungen zurück. Steht die Startelf beim WM-Auftakt gegen Mexiko also schon fest? Spannender dürfte im Testspiel gegen Brasilien (Dienstag, 20.45 Uhr im LIVETICKER) sein, welche Taktik Löw spielen lässt.

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"Ich will auch ein bisschen experimentieren", hatte der Bundestrainer auf der Pressekonferenz am Donnerstag vor dem Spiel gegen Spanien angekündigt, "das ist gut für die Kaderfindung." Nach den ersten 90 von 180 Minuten dieser Länderspielphase ist festzuhalten, dass der Bundestrainer gegen die Iberer zwar tatsächlich experimentiert hat - das aber weniger bezüglich seiner eigenen Aufstellung, sondern vielmehr in Sachen Taktik, die diese Aufstellung auf dem Rasen umsetzen kann.

Wie versprochen lief in der Esprit Arena in Düsseldorf ein Großteil der Stammelf aus dem WM-Jahr 2014 auf. Mats Hummels und Jerome Boateng in der Innenverteidigung, davor Toni Kroos und Sami Khedira, davor Mesut Özil und Thomas Müller. Macht sechs Weltmeister. Komplettiert wurden sie von Marc-Andre ter Stegen, der nur noch von einem fitten Manuel Neuer verdrängt werden kann, den gesetzten Joshua Kimmich und Timo Werner, und auf links Jonas Hector und Julian Draxler.

Überraschungen? Nicht wirklich. Kimmich und Werner haben sich auf ihren Positionen in recht kurzer Zeit festgespielt, Hector hat links hinten trotz seiner Limitierungen kaum Konkurrenz zu fürchten. Draxler hat zwar jede Menge Konkurrenz, aber spätestens nach dem Confederations Cup die Nase vorn, auch wenn er in Paris derzeit nicht allzu viele Einsatzminuten bekommt.

Aufstellung gegen Spanien: Löw verzichtet auf Experimente

Auch wenn Löw nicht müde wird, von seinen Spielern die absolute Höchstleistung zu fordern, vertraut er auf dem Platz seinen Pappenheimern. Bevor am Dienstag gegen Brasilien noch mehr rotiert und der eine oder andere Leistungsträger geschont wird, hat er sich in die Karten schauen lassen - selbst wenn er nach Abpfiff das Gegenteil behauptete. Die Elf gegen Spanien ist Stand jetzt die, die auch im ersten WM-Spiel am 17. Juni in Moskau gegen Mexiko auflaufen würde.

Und wie schon so oft in der Vergangenheit zahlte sich Löws Festhalten an altem Bekannten gegen Spanien aus. Man denke nur an die Leistungen eines Miro Klose mit dem DFB-Adler auf der Brust, auch wenn es im Verein nicht so lief. "Ich bin sehr, sehr zufrieden", fasste der Bundestrainer die Geschehnisse auf dem Rasen zusammen.

Werner etwa, der in der Bundesliga vor seinem guten Auftritt gegen die Bayern eine regelrechte Krise durchmachte, stellte die Spanier mit seiner enormen Schnelligkeit immer wieder vor Probleme. Teilweise fehlte dem Leipziger im Strafraum die Übersicht, doch auch gegen bestmögliche Gegner ist er durchaus in der Lage, seine Qualitäten einzubringen. An ihm ist im Sturm nicht zu rütteln, die falsche Neun längst Vergangenheit.

DFB-Team: Deutschlands restliche Spiele im Jahr 2018

WettbewerbSpielOrtDatum
TestspielDFB - BrasilienBerlin27. März 2018
TestspielÖsterreich - DFBKlagenfurt2. Juni 2018
TestspielDFB - Saudi-ArabienLeverkusen8. Juni 2018
WM 2018DFB - MexikoMoskau17. Juni 2018
WM 2018DFB - SchwedenSotschi23. Juni 2018
WM 2018DFB - SüdkoreaKasan27. Juni 2018
Nations LeagueDFB - FrankreichMünchen6. September 2018
Nations LeagueNiederlande - DFBnoch unbekannt13. Oktober 2018
Nations LeagueFrankreich - DFBnoch unbekannt16. Oktober 2018
TestspielDFB - RusslandLeipzig15. November 2018
Nations LeagueDFB - NiederlandeGelsenkirchen19. November 2018

Und Werner lernt mit jedem Spiel dazu, deshalb wäre Löw gut beraten, ihn trotz der Konkurrenz um Sandro Wagner und Mario Gomez auch gegen Brasilien einzusetzen. "Beeindruckt" habe ihn Spaniens Fähigkeit, das deutsche Pressing in der Anfangsphase ins Leere laufen zu lassen, sagte der 22-Jährige, "als junger Spieler lernt man daraus." Die deutschen Tugenden hat er zudem längst verinnerlicht, bemühte er doch in der Mixed Zone später Deutschlands Nimbus als "Turniermannschaft".

Deutschlands Startelf: Fragezeichen nur hinter Hector, Khedira und Draxler

Die Außenverteidiger sind in dieser Formation ebenfalls gesetzt. Kimmich, der sich gegen Spanien nach dem einen oder anderen Fehler in den ersten Minuten steigerte, hat ohnehin nichts zu befürchten, zudem passt die Abstimmung mit den bayrischen Kollegen Hummels und Boateng.

Hector zeigte am Donnerstag mehr Licht als Schatten, seine auf höchstem Level etwas limitierten Möglichkeiten sind bekannt. Trotzdem hat er bei Löw einen Stein im Brett. "Sehr zufrieden" sei er, sagte der Bundestrainer über seine Lösung links hinten, auch wenn Hector nach seiner Verletzung noch ein paar Spiele brauchen würde. Ein weiteres Spiel bekommt Hector gegen Brasilien allerdings nicht, gegen den Rekordweltmeister darf sich Herthas Marvin Plattenhardt vor eigenem Publikum noch einmal zeigen. Es müsste schon viel passieren, um Löws "erste beide Kandidaten" auf seiner Schwachstelle aus dem WM-Kader zu kegeln, zumal Philipp Max bekanntlich kein Thema ist.

Neben Hector wackeln in der Stammelf höchstens noch Draxler und Sami Khedira - weshalb es nicht verwunderlich ist, dass Löw der unmittelbaren Konkurrenz, bestehend aus dem Manchester-City-Duo Leroy Sane und Ilkay Gündogan, einen Startelfeinsatz gegen Brasilien versprach. Die beiden wurden bereits gegen Spanien eingewechselt. Drei Fragezeichen, die im letzten Test vor der Kadernominierung am 15. Mai noch einmal größer werden könnten. Oder eben kleiner.

Deutschland gegen Brasilien: Auf welche Taktik setzt Löw?

Die Startelf für das Unternehmen Titelverteidigung wird sich - Verletzungen einmal ausgeschlossen - höchstens noch punktuell verändern. Spannender ist da die Frage, welche Taktik Löw gegen Brasilien spielen lässt. Gegen La Roja versuchte er es in Halbzeit eins trotz der wenigen gemeinsamen Trainingseinheiten mit einer Art Hurra-Fußball. Und erlitt damit erst einmal Schiffbruch: Das eigene Pressing konnte Spanien nicht stellen, stattdessen wurde man ausgespielt und stand dann hinten offen.

"Normalerweise mache ich das nicht ohne einige Trainingseinheiten vorher", gab Löw dann später auch zu. Und stellte für die zweite Hälfte auf eine vorsichtigere Taktik um. "Wir sollen ein bisschen defensiver spielen und vorn nicht so draufgehen", verriet Werner über die Halbzeitansprache. Boateng sagte, man habe sich "zurückgezogen und kleine Nadelstiche gesetzt." So wurde die Feldüberlegenheit des Gegners gekontert, am Ende war Deutschland dem 2:1 näher als Spanien.

Merke: Auch der Weltmeister vor eigenem Publikum kann nicht einfach jedem noch so starken Gegner sein Spiel aufzwingen. Versucht es Löw gegen die Selecao noch einmal mit hohem Pressing, mit ein paar Trainingseinheiten mehr auf der Habenseite? "Brasilien spielt ein bisschen anders, nicht ganz so clever hinten raus", analysierte Müller, Werner wollte "gegen einen anderen Stil sehen, wo wir stehen."

Es kommt wohl auch darauf an, wie Brasilien im ersten Aufeinandertreffen nach dem legendären 1:7 in Belo Horizonte verteidigt. Man müsse "damit rechnen, dass andere Mannschaften uns hoch zustellen", konstatierte Löw über die gewonnenen Erkenntnisse. Die Brasilianer werden im Olympiastadion aber kaum erneut ins offene Messer rennen wollen.

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