Das neue, ungute Gefühl

Die deutsche Nationalmannschaft schied im EM-Halbfinale aus
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Personal: Das Gerüst für Russland steht

Die zumindest auf dem Papier wichtigste Personalie wurde im Herbst des Jahres geklärt: Joachim Löw setzte seine Unterschrift unter einen Vertrag bis 2020 und klärte frühzeitig seine Zukunft. So umgeht der Bundestrainer nervige und störende Fragen um seine Zukunft vor der WM. Ein Vertrauensbeweis von beiden Seiten, mehr aber auch nicht.

Für seine Amtszeit schrieb sich der Bundestrainer eine klare Aufgabe auf die Fahne: "Vermehrt" wolle er junge Spieler mit Perspektive heranführen und in der A-Nationalmannschaft testen. 2016 gelang das gut. Insgesamt 38 Spieler trugen in diesem Jahr das Nationaldress. "Zu Beginn meiner Amtszeit hatten wir nicht diese Auswahl. Die Spieler hatten damals in ihren Vereinen keinen Stammplatz", freute sich Löw.

Natürlich kommt es dem Bundestrainer entgegen, dass die WM-Qualifikation bereits nach vier Spielen kaum mehr zu nehmen ist. Es geht in erster Linie darum, dass auch der zweite Anzug hinter der Stammelf sitzt und kein Vakuum entsteht. Klar, bis zur WM 2018 ist es noch weit, doch es ist unwahrscheinlich, dass die jungen Spieler flächendeckend am Thron der Etablierten kratzen können. Dazu scheint die aktuelle Mannschaft um Hummels, Boateng, Özil und Co. schlicht zu gut und zu eingespielt. Das Gerüst an Spielern, das in Russland den Titel holen soll, steht bereits.

"Ich glaube tatsächlich, dass dieser Stamm aus 15, 16 Spielern aktuell eine sehr tragende Rolle spielt. Die großen, wirklich wichtigen Spiele werden erst einmal mit diesem Personal ausgefüllt. Bis 2018 wollen wir in der Breite so gut sein, dass wir zwei Top-Mannschaften auf den Platz stellen können", sagte Hummels zuletzt entschieden.

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Somit will der DFB eine Situation wie bei der EM 2016 umgehen. Denn sowohl in der heißen Phase der Vorbereitung (Reus, Gündogan, Rüdiger) als auch während des Turniers (Khedira, Gomez, Boateng) warfen zahlreiche Verletzungen die komplette Mannschaft immer wieder zurück. Damals konnte das Team hinter dem Team die Verluste nicht kompensieren.

Von einem Umbruch kann deshalb trotz der vielen jungen Spieler nicht gesprochen werden. Es ist vielmehr ein natürliches Nachrücken der Talente, die früher oder später die Etablierten ersetzen werden. So interessant macht diesen Trend wohl nur die Tatsache, dass Deutschland einen scheinbar unerschöpflichen Talentpool besitzt. Das hat sich der DFB in den letzten Jahren hart erarbeitet und erntet dafür nun die Lorbeeren.

So trieft beispielsweise die Auswechslung von Bastian Schweinsteiger in seinem Abschiedsspiel gegen Finnland vor Symbolkraft. Denn an keiner Personalie lässt sich die Entwicklung des DFB in den letzten Jahren so schön festmachen. 2004 feierte der Mittelfeldspieler sein Debüt im Nationaldress. Während heutzutage eine Bande Hochbegabter über den Platz tänzelt, regierte damals noch der Rumpelfußball. Der 32-Jährige verließ das Feld und übergab den Staffelstab an den 21-jährigen Julian Weigl. Eine Wachablösung.

Ein schier unlösbares Rätsel knackte Löw in diesem Jahr ebenfalls: Auf den Außenpositionen in der Viererkette herrschte eine Konstanz wie lange nicht. Während der Bundestrainer in den letzten Jahren stets experimentierte, entwickelte sich vor allem Jonas Hector links hinten zum absoluten Dauerbrenner. Bis auf das Testspiel gegen Italien verpasste der Kölner kein Spiel in der Nationalmannschaft. Auch auf der Gegenseite spielte sich Joshua Kimmich bei der EM in der Startelf fest.