Löw erwartet "Hexenkessel"

SID
Jogi Lö zeigt sich bester Laune, weiß aber um die Wichtigkeit des Georgien-Spiels
© getty

Spätestens seit der vielleicht verrücktesten Pressekonferenz seiner Laufbahn ist Bundestrainer Joachim Löw klar, dass Georgien dem "Spiel des Jahrzehnts" entgegenfiebert.

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Im vollbesetzten Saal des Radisson Blu von Tiflis schenkte ihm ein "Journalist und großer Fan" unter großem Applaus der Kollegen zwei Bälle, mit denen der Bundestrainer für die Fotografen posieren musste. Anschließend berichtete ein Fan in Uniform, mit georgischer Fahne und Weihnachtsbaumkugel auf dem Kopf, dass er schon "Seeler, Schnellinger und Kaiser Franzis" habe spielen sehen.

Er habe geträumt, berichtete jener ungewohnte Gast, dessen Visitenkarte ihn auf einem Foto mit UEFA-Präsident Michel Platini zeigt, dass das Spiel am Sonntag (18.00 Uhr im LIVE-TICKER) 1:1 enden werde. "Für mich wäre das ein Albtraum", entgegnete Löw, nachdem er der Übersetzung des Dolmetschers mit der markanten, dunklen Sonnenbrille gelauscht hatte: "Aber das wird nicht passieren."

Löw selbst hatte den lockeren Ton vorgegeben, als er zu Beginn ein bisschen witzelte. "In meiner Heimatstadt Freiburg haben viele Georgier gespielt: Iaschwili, Kobiaschwili, Tschikitschwili", berichtete der 55-Jährige mit launigem Unterton und nannte dann auch "Tobias Willi - auch wenn der Deutscher ist. Die Fans haben immer Volker Finkewili gesungen".

Spiel des Jahres für Georgien

Schon am Flughafen und vor allem vor dem Hotel waren die Weltmeister von zahlreichen euphorischen Fans empfangen worden. "Es wird das Spiel des Jahres, vielleicht das Spiel des Jahrzehnts für Georgien", hat Löw ausgemacht. Dass es am Sonntag im Nationalstadion von Tiflis noch freundschaftlich zugehen wird, glaubt er allerdings nicht. Ganz im Gegenteil.

"Uns wird ein Hexenkessel erwarten", berichtete der Bundestrainer, dessen Scout Urs Siegenthaler die Georgier schon beim 2:0 gegen Malta im Nationalstadion beobachtete: "Jeder Ball nach vorne wird bejubelt werden, in der Hoffnung, dass wir einen Fehler machen. Es wird eine hitzige, gute und positive Stimmung für Georgien. Dem müssen wir standhalten."

Georgien nur 126. der Weltrangliste

Auch Mittelfeld-Stratege Toni Kroos ist bewusst, dass das 900. Länderspiel des DFB keines wird wie jedes andere. Der 25-Jährige von Real Madrid ist aber "überzeugt, dass es an uns liegt, wie gut Georgien sein wird. Wenn wir das spielen, was wir können, und wenn wir wissen, dass wir genauso arbeiten müssen wie in jedem WM-Spiel, kann es sein, dass wir uns leicht tun werden. Wenn wir unkonzentriert sind, kann es unangenehm und ungemütlich werden."

Obwohl Georgien nur 126. der Weltrangliste und damit nominell das siebtschlechteste Team Europas ist, sorgen die Umstände für Ungewissheit bei den Deutschen. "Es ist ein bisschen eine Wundertüte", sagte Kroos.

Und Torhüter Manuel Neuer betonte: "Es ist etwas Unbekanntes für uns, deshalb wird es schwer werden." Seine Wünsche zum 29. Geburtstag am Freitag waren deshalb bescheiden: "Natürlich hoffe ich auf ein gutes Spiel und darauf, zu null zu spielen. Aber im Endeffekt zählen nur die drei Punkte."

DFB-Team unter Zugzwang

Neuer - der wie Kapitän Bastian Schweinsteiger, Jerome Boateng, Mats Hummels, Kroos und Thomas Müller beim 2:2 gegen Australien 90 Minuten geschont wurde - ist sich auch nicht sicher, dass er einen geruhsamen Abend erleben wird: "Das hat man gegen Gibraltar auch gedacht. Und dann war ich doch das eine oder andere Mal gefordert."

Löw sieht sein Team nach dem Quali-Fehlstart mit sieben Punkten aus vier Spielen ohnehin "unter Zugzwang" und ist deshalb froh, dass die Sinne seiner Spieler geschärft sind.

"Dass im Vorfeld solcher Spiele immer nur über die Höhe des Ergebnisses spekuliert wird, ist nicht hilfreich", sinnierte er: "Georgien kann gut verteidigen und gut kontern. Es ist nicht einfach, gegen solche Mannschaften viele Tore zu erzielen. Das muss man sich erarbeiten. Solche Mannschaften muss man niederringen, niederkämpfen, in die Knie zwingen."

In die System-Diskussion - ob Dreier- oder Viererkette, ob mit einem, zwei oder wie von RTL-Experte Jens Lehmann gefordert sogar drei Stürmern - wollte Löw am Samstag nicht einsteigen. "Ich will das nicht so hoch hängen. Nicht das System ist das alles Entscheidende, sondern wie man es interpretiert", betonte er und versprach zumindest eines: "Die Aufstellung wird offensiv ausgerichtet sein."

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