"Wir können Deutschland überraschen!"

Von Interview: Fatih Demireli
Eintracht Frankfurts Stürmer Halil Altintop bestritt für die Türkei 32 Länderspiele
© Imago

Die Zwillinge Halil und Hamit Altintop stehen beim Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei besonders im Fokus. Das Duo ist in Deutschland geboren und in beiden Ländern zuhause. Im Interview spricht Eintracht Frankfurts Halil Altintop über das Duell mit dem DFB-Team, über die Gefühlslage Mesut Özils und die Entscheidung, für Deutschland oder die Türkei zu spielen.

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SPOX: Halil Altintop, Spiele gegen Deutschland sind für Sie nichts Neues. 2005 haben Sie beim 2:1-Sieg in Istanbul sogar ein Tor erzielt. Können Sie sich noch erinnern?

Halil Altintop: Ja, klar! Es war zwar nur ein Freundschaftsspiel, aber ich erinnere mich gerne an das Spiel und das Tor zurück. Deutschland hat im Fußball so viel erreicht und man misst sich gerne mit dieser Mannschaft. Es ist schön, dass man dann auch noch gewinnt.

SPOX: Die aktuelle Bilanz der Türkei gegen Deutschland sieht gar nicht so schlecht aus. In den vergangenen vier Spielen gab es zwei Siege, ein Remis und eine knappe Niederlage bei der EURO 2008. Was rechnen Sie sich diesmal aus?

Altintop: Wir haben das Potenzial, das Spiel zu gewinnen, aber dafür muss alles stimmen. Deutschland ist klarer Favorit. Sie sind im Vergleich zu 2008 noch einmal stabiler und besser geworden. Das wird auf jeden Fall kein leichtes Spiel, aber wir können Deutschland überraschen.

SPOX: Sie telefonieren mehrmals täglich mit Ihrem Bruder Hamit. Seit wann ist dieses Spiel schon ein Thema und wie groß ist die Vorfreude in Ihrem Umfeld?

Altintop: Die ist natürlich riesig - gerade bei den Deutsch-Türken, die hier leben. Aber auch für die Deutschen, die viele Türken kennen, mit ihnen zu tun haben: zum Beispiel, wenn sie bei ihrem Stamm-Dönerladen einen Döner holen (lacht). Das wird wirklich sehr spannend für jeden Fußball-Fan in Deutschland und auch für uns. Wir haben mit Hamit natürlich schon über dieses Spiel gesprochen.

SPOX: Ein Thema in Deutschland ist die Müdigkeit der deutschen Nationalspieler aufgrund der WM 2010. Die Türkei war in Südafrika nicht dabei. Ist das ein Vorteil?

Altintop: Damit beschäftigen wir uns gar nicht. Wenn man auf dem Platz ist, hat man nichts anderes im Kopf, als zu gewinnen. Ich sehe diesen Vorteil überhaupt nicht und das beste Beispiel ist Bastian Schweinsteiger. Er hat die WM auch gespielt, aber schießt beim Champions-League-Spiel in Basel in der 90. Minute das 2:1. Da kann man nicht von Müdigkeit sprechen.

SPOX: Sie treffen auf den Deutsch-Türken Mesut Özil. Können Sie sich in seine Lage versetzen?

Altintop: Ich kann ein bisschen nachvollziehen, was er fühlt. Ich bin wie er in Deutschland geboren und aufgewachsen und kann da schon ein wenig mitfühlen. Auf der anderen Seite ist es aber schwierig, es genau zu wissen, weil ich noch nicht in dieser Situation war. Es muss für ihn aber schon etwas ganz Besonderes sein.

SPOX: Sie hätten in diese Situation kommen können, wenn Sie sich damals für Deutschland entschieden hätten. Das Interesse war an Ihnen und Ihrem Bruder Hamit da. Wie hätten Sie heute entschieden?

Altintop: Ich hätte alles genauso gemacht.

SPOX: Ihre Generation, also Sie, Hamit oder Yildiray Bastürk haben sich damals für die Türkei entschieden. Heute scheint es bei vielen in die andere Richtung zu gehen. Warum dieser Wandel?

Altintop: Das ist ganz einfach: Man hat als deutscher Nationalspieler eine ganz andere Wertschätzung. Ich weiß nicht, ob ein Mesut Özil als türkischer Nationalspieler so schnell zu Real Madrid gewechselt wäre. Das Potenzial hat er, keine Frage, aber es liegt auch am deutschen Fußball, der viele Erfolge vorzuweisen hat. Bevorzugt werden eher Deutsche oder Brasilianer, als Spieler aus Fußball-Ländern, die noch nicht so viele Erfolge hatten.

SPOX: Liefert Deutschland also bessere Argumente, sich für den DFB zu entscheiden?

Altintop: Definitiv.

SPOX: Nuri Sahin ist derzeit vielleicht der beste Bundesliga-Spieler. Aber bei Guus Hiddink saß er zuletzt auf der Tribüne. Sie sind ebenfalls ein gestandener Bundesliga-Spieler, aber in der Nationalmannschaft nicht gesetzt. Schrecken diese Beispiele junge Türken in der Entscheidungsfindung ab?

Altintop: Ich weiß nicht, was in den Leuten vorgeht, aber das ist gut möglich. Es ist richtig, dass wir wenige Legionäre in der Nationalmannschaft haben. Die Spieler, die im Ausland spielen, kommen nicht so zur Geltung wie die Spieler, die in der türkischen Liga spielen. Vielleicht steckt das in den Hinterköpfen.

SPOX: Wir können also festhalten: Türken im Ausland haben es in der Türkei schwer.

Altintop: Sie haben es vorhin gesagt: Ich bin in meinem achten Jahr in der Bundesliga, habe über 210 Spiele gemacht und bin in der Nationalmannschaft trotzdem hinterher. Ich weiß nicht, woran das liegt. Ich muss aber dazu sagen, dass es eine Ehrensache ist, für die Türkei zu spielen und ich gebe jedes Mal Gas, auch wenn es nur ein paar Minuten sind.

SPOX: Die türkische Medienlandschaft fordert vehement Ihren Einsatz oder den von Nuri Sahin. Von Ihnen beiden hört man aber selten etwas in diese Richtung. Sind Sie zu ruhig?

Altintop: Möglicherweise sind wir manchmal zu sachlich. Die Türken in der Türkei gehen die Sache meistens mit viel mehr Emotion ran. Das ist schon ein Unterschied.

SPOX: Seitdem man die Namen Halil und Hamit Altintop kennt, reißen die Spekulationen nicht ab, dass Sie zu einem Istanbuler Top-Klub gehen. Gibt es diese Angebote wirklich in dieser Menge und warum gehen Sie nicht in die Türkei?

Altintop: Die Angebote sind da und es wäre schon reizend, mal ein Istanbuler Derby mittendrin zu erleben. Aber solange man die Möglichkeiten hat, sich in den besten Ligen zu messen, sollte man das machen. Gerade wir Türken sollten diese Chance nutzen, wenn wir schon so wenige im Ausland sind. Schauen Sie sich Bosnien an: da spielt jeder Nationalspieler in den großen Ligen Europas. Das sollten wir auch tun, um unseren Fußball nach vorne zu bringen. Ich rate das auch jedem jungen Spieler.

SPOX: Wäre es für Sie der Idealfall, wenn Deutschland und die Türkei gemeinsam zur EURO 2012 fahren?

Altintop: Natürlich. Als die Türkei bei der WM 2010 in Südafrika nicht dabei war, habe ich mir die Spiele der Deutschen angeguckt und habe immer mitgefiebert. Meine Freundin ist auch eine Deutsche und das verbindet natürlich umso mehr.

Der Steckbrief zu Halil Altintop