Wer nicht an Malaga denkt, ...

Nach dem späten Ausgleich gegen Real Madrid ließen sich die Spieler von Borussia Dortmund feiern
© getty

Borussia Dortmund erlebte gegen Real Madrid einmal mehr einen magischen Champions-League-Abend. Lange sah es danach aus, als würde man gegen den Titelverteidiger trotz starker Leistung unterliegen. Am Ende stehen Erkenntnisse über die Moral und die Breite des Kaders. Nichtsdestotrotz gibt es noch Luft nach oben.

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Das Westfalenstadion explodiert. Es ist wieder einer dieser besonderen Champions-League-Momente des BVB.

87. Minute, Borussia Dortmund gegen Real Madrid. Vieles deutet auf eine Niederlage für die Hausherren gegen den Titelverteidiger hin. Dann lässt Christian Pulisic auf der rechten Außenbahn Danilo stehen und flankt nach innen. Pierre-Emerick Aubameyang versucht es artistisch mit einem Seitfallzieher, segelt jedoch vorbei.

Irgendwie landet die Kugel bei Andre Schürrle. Der nimmt den Ball an, legt ihn sich auf den Linken und drischt ihn aus 13 Metern unhaltbar unters Dach. Es ist der verdiente 2:2-Ausgleich nach einer starken Leistung.

Nur wenige Momente später lassen sich die Spieler vor der Gelben Wand für den letztlich gewonnenen Punkt feiern.

"Wir können es besser"

Thomas Tuchel wäre allerdings nicht Thomas Tuchel, wenn er in diesem euphorischen Moment nicht sofort wieder den Mahner gäbe: "Wir sind weit entfernt davon, das nicht wertschätzen zu können. Aber wir haben auch das Gefühl, dass wir es noch besser können", ordnete der BVB-Trainer das Ergebnis hinterher ein.

Es ist die richtige Balance, die der Coach in diesem Moment fand. Schließlich ist Tuchel ein vom Ehrgeiz getriebener Perfektionist. Da kann man sich mit einem 2:2 nach einer zwischenzeitlich bärenstarken Leistung nicht zufrieden geben.

Zumal es durchaus Ansatzpunkte für Kritik gab. Speziell an der Phase nach dem Seitenwechsel hatte Tuchel etwas zu beanstanden: "In der zweiten Halbzeit haben wir nach fünf Minuten den Zugriff verloren. Wir hatten da viele einfache Ballverluste im Mittelfeld. In dieser Phase ging der Ballbesitz runter und Madrid hat Sicherheit gefunden."

Unterschiedliche Halbzeiten

Tatsächlich hatte sich die Partie nach der Pause verändert. In Durchgang eins spielte der BVB den Champions-League-Sieger teilweise an die Wand. Zur Halbzeit stand man bei 10:3 Torschüssen, hatte eine viel stärkere Passquote (91 Prozent zu 83 Prozent), dazu starke 62 Prozent Ballbesitz. Besonders Julian Weigl ragte heraus, spielte im ersten Durchgang 60 Pässe und brachte allesamt an den Mann.

Nach dem Wechsel glich sich der Ballbesitz an, zwischendurch gewann Real sogar 67 Prozent der Zweikämpfe und erspielte sich weitere Chancen. Entsprechend wäre es übertrieben zu behaupten, dass das 2:1 durch Raphael Varane aus dem Nichts fiel.

"Es hat sich lange so angefühlt, dass wir verlieren. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir Moral gezeigt und noch ein schönes Tor gemacht haben", sagte Tuchel über den weiteren Verlauf.

Wichtige Erkenntnisse

Auch der Schütze des Ausgleichstores, Andre Schürrle, stellte den positiven Effekt des späten 2:2 heraus: "Wenn man dann zweimal einen Rückstand aufholt gegen Real Madrid, dann ist das ein schönes Gefühl."

Eines ist klar: Nach einem späten Ausgleichstor ist ein Remis immer ein gefühlter Sieg. Besonders nachdem die vergangene Europapokal-Saison in Liverpool in letzter Minute so bitter endete, kann sich die junge Mannschaft an so einem Erlebnis hochziehen.

Neben dem Beweis der Moral, zweimal nach Rückstand zurückgekommen zu sein, hatte der Abend für die Dortmunder aber auch weitere wichtige Erkenntnisse zu bieten.

Nach den letzten hohen Pflichtspielsiegen (6:0 gegen Warschau, 6:0 gegen Darmstadt, 5:1 gegen Wolfsburg, 3:1 gegen Freiburg) zeigte das Team von Thomas Tuchel, dass es auch einer der stärksten Mannschaften der Welt sein Tempo aufzwingen kann.

Beinahe über die komplette Zeit bestimmte der BVB den Rhythmus des Spiels. Spieler wie Julian Weigl, der mit seinen 21 Jahren erstmals Champions League spielt, zeigten, dass sie auch auf allerhöchstem Niveau ihre Leistung abrufen können.

Drive von der Bank

Darüber hinaus brachte die Partie auch die Erkenntnis, dass die neu gewonnene Breite des Kaders auch in der Königsklasse wertvoll sein kann. "Am Ende haben wir mit den Wechseln nochmal richtig Drive reinbekommen und verdient den Ausgleich gemacht", analysierte Sportdirektor Michael Zorc hinterher.

Tatsächlich brachten Emre Mor, Andre Schürrle und Christian Pulisic noch einmal Schwung. Mor gab in zwölf Minuten Einsatzzeit noch zwei Torschüsse ab. Pulisic hatte bereits nach einem Stellungsfehler von Sergio Ramos eine gute Chance (83.) und bereitete schließlich mit einem starken Antritt auch den Treffer des ebenfalls eingewechselten Schürrle vor. Solche Spieler kann man mal nachschieben.

Hätte die Kombination der Joker nicht noch den Ausgleich gebracht, könnte man dem BVB Naivität und Real brutale Effizienz unterstellen. Nur drei bis fünf Minuten trennten die sich Umbruch befindliche Tuchel-Elf vom Durchrasseln durch die erste richtige Reifeprüfung.

Was bleibt?

Unter dem Strich endete die Partie jedoch Remis. Nach zweimaligem Rückstand. Das wischt die zwischenzeitliche Naivität zwar nicht gänzlich weg.

Doch was bleibt nach so einem Abend? Das Gefühl, gegen Real Madrid eher einen Punkt gewonnen als zwei verloren zu haben. Und das Bild von der BVB-Mannschaft, die vor der Gelben Wand tanzt. Wer bei diesem emotionalen Champions-League-Moment vor der Südtribüne nicht an Malaga gedacht hat, der hat kein Fußball-Herz ...

Borussia Dortmund - Real Madrid: Die Statistik zum Spiel