"Absolute Schande!" Wie Manchester Uniteds Gastspiel 1993 bei Galatasaray Istanbul zum Horrortrip wurde

Von Falko Blöding und Chris Lugert
Eric Cantona, Manchester United
© getty

Die Auswärtsreise von Manchester United im November 1993 in die Türkei wurde für Spieler und Fans zu einer durch und durch gruseligen Angelegenheit - und das bei weitem nicht nur in sportlicher Hinsicht.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Festgenommene Fans, Todesdrohungen gegen die Spieler und ein Ausscheiden, mit dem kaum jemand gerechnet hatte: Die Rückkehr auf die größte Bühne des europäischen Fußballs endete für Manchester United vor ziemlich genau 30 Jahren mit einem denkwürdigen Auswärtsspiel bei Galatasaray Istanbul.

Am Mittwoch treten die Red Devils erneut bei Gala an. Wieder droht ihnen das frühe Aus in der Königsklasse: In der Gruppe A liegen sie derzeit mit drei Punkten aus vier Partien auf dem letzten Platz. Mit einer Niederlage wäre das Ziel Achtelfinale verpasst.

Aus Sicht der Engländer wäre es wünschenswert, dass zumindest die Begleitumstände andere sind, als sie sie 1993 erlebten.

alex-ferguson-istanbul-1993-1200
© getty

Arroganz kostet United klaren Hinspielsieg gegen Galatasaray

Uniteds damaliger Trainer Alex Ferguson sprach später von "so viel Feindseligkeit und Schikane, wie ich sie im Fußball nie zuvor erlebt habe". Gary Pallister, damals einer der Stars bei United, schrieb in seiner Autobiographie von einer "absoluten Schande".

Die Champions-League-Saison 1993/94 war die erste für United im höchsten Europapokal seit 1968/69. Die Entwicklungen der nächsten Jahre, die im Triple 1999 gipfelten, waren da noch nicht abzusehen. Ein Zweitrunden-Aus gegen Galatasaray war jedoch ebenfalls nicht eingeplant.

Im Hinspiel am 20. Oktober sah alles noch gut aus, früh ging United 2:0 in Führung und stellte die Weichen auf Sieg. Galatasaray war damals die klar beste Mannschaft der Türkei mit Kickern wie Hakan Sükür, galt aber als klarer Außenseiter. Angeblich meinte sogar Uniteds Chefscout Les Kershaw, man müsse sich keine Sorgen machen. Diese Ansicht verdrehte offenbar auch den Spielern ein wenig den Kopf. Denn statt das Hinspiel souverän und seriös zu Ende zu bringen, lag United im Old Trafford plötzlich 2:3 hinten. Nur ein spätes Tor von Eric Cantona verhinderte die Peinlichkeit einer Niederlage.

Manchester United, Galatasaray
© SPOX

"Willkommen in der Hölle": Heißer Empfang in Istanbul

Der Vorteil lag dank der Auswärtstorregel dennoch bei den Türken. Und das wussten auch deren Fans, die United zum Rückspiel zwei Wochen später einen heißen Empfang bereiteten - genauso, wie es der deutsche Trainer Reiner Hollmann prophezeite. Auf einem Banner stand "Willkommen in der Hölle", ein anderes kündigte das "Ende der Reise" an. Ein Fan brüllte Paul Parker an mit den Worten: "Du wirst sterben!" Die Spieler nahmen es jedoch zunächst mit Humor.

Wenig zu lachen hatten allerdings die United-Fans, die am Vorabend des Spiels teilweise von der Polizei zusammengeschlagen wurden. 164 Anhänger landeten sogar im Gefängnis, Berichten zufolge ohne Essen oder Trinken. Manche kamen erst nach einem Monat wieder nach Hause.

Am Spieltag schlug den United-Spielern vor dem eigenen Hotel eine Lautstärke entgegen, "die Anfield wie eine Teeparty aussehen ließ", wie Pallister später sagte. Das Spiel selbst war wenig ereignisreich. Galatasaray setzte auf konsequente Manndeckung und Zerstörung, Zeitspiel inklusive.

Eric Cantona, Manchester United
© getty

Polizisten stoßen ManUnited-Kicker die Treppe hinunter

Der Franzose selbst wurde nach einem Wortgefecht mit dem Schweizer Schiedsrichter Kurt Röthlisberger mit der Roten Karte vom Platz gestellt. Nach Abpfiff des Spiels ging es für die Spieler aber noch weiter. Bryan Robson führte seinen Mitspieler Cantona am Arm Richtung Spielertunnel, beide wurden von einem Polizisten begleitet. Plötzlich kam es zum Handgemenge.

"Ich wollte dem Polizisten gerade danken, als er Eric geschlagen hat", berichtete Robson. "Eric ist einige Stufen hinuntergefallen, also habe ich mich umgedreht und wollte dem Polizisten eine verpassen. Da hatte ich aber schon ein Schild in meinem Rücken. Ich bin auch einige Stufen hinuntergefallen, mein Ellbogen ist gegen die Wand geschlagen. Eric wollte zurückgehen und kämpfen, aber dann kamen die anderen Jungs und haben uns beruhigt", schilderte Robson weiter.

Cantona hingegen war anschließend aber auch in der Kabine nur schwer zu beruhigen und konnte lediglich mit Mühe davon abgehalten werden, den Polizisten nochmals aufzusuchen.

Ziegelsteine fliegen auf den Bus von Manchester United

Nach der Abfahrt aus dem Stadion wurde der United-Bus zudem als eine Art Abschiedsgeschenk noch mit Ziegelsteinen beworfen, einer wurde beinahe Steve Bruce zum Verhängnis.

Einer der Steine traf das Fenster, an das Bruce von innen seinen Kopf angelehnt hatte. "Wäre er durchgeflogen, wäre ich tot gewesen", sagte er anschließend: "Das hätte es gut zusammengefasst."