Jörn Wolf: Der Trainerflüsterer

Von Tristan Ebertshäuser
Kommunikationsexperte Jörn Wolf soll bei Bayer Leverkusen die Abläufe verbessern
© imago

Seit Januar steht Jörn Wolf Bayer Leverkusens Trainer Roger Schmidt und seinem Team als Trainer-Koordinator zur Seite. Doch was macht er in diesem Amt eigentlich, das es in der Bundesliga bisher nicht gegeben hat? Und was waren die Gründe für die Einrichtung der Position? Eine Spurensuche vor Bayers Champions-League-Achtelfinale gegen Atletico (20.45 Uhr im LIVETICKER).

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Jörn Wolf kennt sich aus mit Trainern, ihren Bedürfnissen und ihren Macken. In rund 14 Jahren beim HSV erlebte der ehemalige Journalist der Hamburger Morgenpost insgesamt 16 Stück von dieser Spezies. "Jörn, du brauchst mir nicht immer gegen das Bein zu treten. Ich weiß schon, was ich sage", sagte der erste davon, Klaus Toppmöller, einmal auf einer Pressekonferenz zu seinem damaligen Pressesprecher.

Seit Anfang Januar tritt der 41-Jährige nun in Leverkusen gegen Trainerbeine und das gleich gegen mehrere. Und: wieder mit dem Ziel, eine gute Kommunikation zu gewährleisten. Allerdings nicht mehr nach außen, sondern diesmal intern. Offiziell trägt das in der Bundesliga bislang einzigartige Amt von Wolf den Titel "Koordinator Trainer- und Funktionsteams".

Was sich tatsächlich dahinter verbirgt, wurde bislang von Vereinsangestellten und Medien emsig mittels eines halben Wörterbuches voller Begriffe zu erläutern versucht: "Kommunikator", "Bindeglied", "Stratege", "Puffer zwischen den Fronten". Sogar "Friedenswächter" und "Gute-Laune-Bär" waren in der SZ zu lesen. Auch Roger Schmidt geizt im Kölner Stadt-Anzeiger nicht mit Bezeichnungen: "Man kann es Aufpasser nennen oder Kümmerer oder Organisator."

Dass man an die zehn Wörter braucht, um zu beschreiben, was Jörn Wolf bei Bayer überhaupt tun soll, zeugt von der Komplexität seiner Aufgabe. Begibt man sich auf Spurensuche nach den Zielen und Hintergründen für Wolfs Verpflichtung, landet man bei drei Bereichen: Prozessoptimierung, Stimmungsoptimierung und Kommunikationsoptimierung.

Das Offensichtliche: Wolf als Prozessoptimierer

Die Komplexität des modernen Fußballs steigt stetig und die Abläufe im Trainingsbetrieb werden daher zunehmend in die Hände vieler Spezialisten gelegt. Das ist völlig normal in der Bundesliga, die einzelnen Fäden laufen dann beim Cheftrainer zusammen. Dass beim Ineinandergreifen dieser Zahnrädchen aus Trainerteam, Medizinern, Physiotherapeuten, Psychologen, Scouts und Videoanalysten vieles richtig laufen muss und fast immer etwas besser laufen könnte, liegt auf der Hand.

Jörn Wolf ist der, der die Zahnrädchen ölen soll. "Die Funktionsteams sind mittlerweile sehr groß, alle wollen sich einbringen, alle suchen den direkten Kontakt zum Cheftrainer", erklärte Schmidt im Kölner Stadt-Anzeiger: "Natürlich gibt es Zwei-Minuten-Gespräche, aber es ist in dem Takt eines Klubs, der Europapokal spielt, nicht möglich, sich mit allen eine Stunde hinzusetzen und auszutauschen." Wolf wird das künftig übernehmen und dafür sorgen, dass alle Fachbereiche ausreichend Beachtung finden.

Lehre aus dem Bartlett-Debakel: Wolf als Stimmungsoptimierer

Einen weiteren Punkt liefert Rudi Völler: Gegenüber Bayer04-TV erklärte der Sportdirektor, man habe das Gefühl gehabt, "das Klima stimmt nicht mehr so." Offen gab Völler zu, dass das auch mit dem inzwischen entlassenen Athletiktrainer Oliver Bartlett zusammenhing. Offiziell waren die persönlichen Auffassungen "nicht mehr zu einhundert Prozent deckungsgleich", Medienberichten zufolge sei Bartlett aber in der Mannschaft "menschlich nicht mehr tragbar gewesen". Sogar von einem Spieleraufstand gegen ihn war die Rede.

"Wir machen keinen Hehl daraus, dass im Innenverhältnis ein paar Dinge nicht so richtig funktioniert haben", sagte Völler zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Sie wurden angesprochen, haben sich nicht geändert, also reagierten wir" - zum einen mit Bartletts Entlassung, zum anderen mit Wolfs Verpflichtung, der (vermutlich in seiner Funktion als "Gute-Laune-Bär") dafür sorgen soll, dass solche Zerwürfnisse künftig im Keim erstickt werden.

Schmidt nicht konfliktfähig? Wolf als Kommunikationsoptimierer

Roger Schmidt eilt der Ruf voraus, nicht immer ganz leicht zu sein. Das tritt offenbar nicht nur an der Seitenlinie zutage - wie beim Skandalspiel gegen den BVB, als er sich weigerte, seine Verbannung auf die Tribüne zu akzeptieren. Immer wieder gibt es Berichte, dass Schmidt sich auch intern bisweilen stur zeigt und in Diskussionen gerne mal aus der Haut fährt, schroff und unzugänglich wird.

Dennoch war man bei Bayer bisher stets vom Trainer überzeugt. "Er hat seine Macken und ist nicht immer pflegeleicht", wird Rudi Völler in der SZ zitiert, wo er hinzufügt: "Aber das eine ist auch klar: Er ist ein erstklassiger Trainer, er macht es richtig gut." Der Trainerflüsterer Wolf soll nun sicherstellen, dass Schmidts streitbares Naturell im Personalgefüge keinen Schaden verursacht und der Entfaltung seiner fachlichen Kompetenz damit ungewollt im Weg steht.

Dass Wolf dem Trainer einen Großteil der Kommunikationsarbeit abnimmt, dient offensichtlich nicht nur dazu, dass der sich wieder vermehrt auf seinen eigentlichen Job konzentrieren kann, sondern hat auch zum Ziel, Reibungsflächen möglichst klein zu halten. Ein echter Clou, denn der Ex-HSV-Mediendirektor ist mit Schmidt auch persönlich befreundet. Deshalb und aufgrund seiner Fähigkeiten als Kommunikationsexperte dürfte er gut in der Lage sein, die Interessen und Meinungen der anderen Teammitglieder zur Not auch gegen Schmidt zu vertreten, ohne dass es intern zu Reibereien kommt. Wie ein Blitzableiter, um dem Wörterbuch einen weiteren Begriff hinzuzufügen.

Schmidt: "Diese Rolle wird in der Bundesliga Schule machen"

Welche Gründe die internen Spannungen bei Bayer genau hatten und ob etwa Bartlett - der ja ein langjähriger Weggefährte Schmidts war - über dessen Kopf hinweg oder gerade wegen Schmidt gefeuert wurde, bleibt bis jetzt Spekulation. In der Position des Koordinators Trainer- und Funktionsteams hat Bayer jedenfalls eine spannende Lösung gefunden.

Die drei beschriebenen Optimierungsansätze dienen letztlich alle demselben Ziel: der optimalen Leistung der Mannschaft. Jörn Wolfs Amt erscheint mit Blick auf die fortschreitende Professionalisierung aller Bereiche des Fußballs nur folgerichtig und durchaus zukunftsfähig.

Roger Schmidt zeigt sich jedenfalls überzeugt von seinem "Aufpasser": "Ich bin mir sicher, dass er uns stärker macht und wir noch besser werden. Und ich bin davon überzeugt, dass diese Rolle in der Bundesliga Schule machen wird." Fragt sich nur: Was passiert, wenn Schmidt fliegt? Ist Wolf dann schon gescheitert?

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