Trauerzug in der Siegerlage

Von Für SPOX in Dortmund: Jochen Tittmar
Die Mannschaft von Borussia Dortmund verabschiedete sich am Sonntag in den Sommerurlaub
© getty

Das Wetter in der Stadt Dortmund hatte am Sonntag nach der Niederlage im Champions-League-Finale gegen den FC Bayern München Symbolcharakter. Knapp 15.000 Menschen rafften sich unter widrigen Bedingungen auf und verabschiedeten die Mannschaft in den Sommerurlaub. Die Veranstaltung hatte etwas von einem großen Trauerzug. Der Sonntag in Dortmund.

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Am Tag nach dem ersten Champions-League-Finale zweier Teams aus der Bundesliga hatte der Wettergott für Deutschland eine ganz ekelhafte Zusammenstellung parat. Unter zehn Grad Celsius, dazu vereinzelter Regen und eisiger Wind, durch den sich die Temperaturen noch einmal kälter anfühlten. Diese Bedingungen herrschten am Sonntag auch in Dortmund.

Die Stadt wurde in ein nasskaltes Grau gepackt, das an diesem Tag durchaus Symbolcharakter für die dortige Stimmung hatte.

Der Auto-Korso, die Menschenmassen, die Mega-Sause - auf all dies musste man in Dortmund an diesem Sonntag freilich verzichten. Die ansonsten so begeisterungsfähigen Bewohner zog es ganz und gar nicht auf die Straßen. Der Blick aus dem Fenster hat wohl die Mehrheit dazu gebracht, die schwarzgelben Wunden lieber innerhalb der eigenen vier Wände zu lecken.

BVB verabschiedet sich von Fans

Dabei ließ Borussia Dortmund am Morgen nach der Endspielniederlage gegen den FC Bayern München per Pressemitteilung aus London wissen, dass der Signal Iduna Park ab 14 Uhr aufgeschlossen wird und sich die Mannschaft nach der Landung am Dortmunder Flughafen im weiten Rund "gebührend von ihren Fans verabschieden" möchte.

Eigentlich reicht es in der Bierstadt, wenn am Stadion nur die Lichter angehen, damit die Menschen Richtung Rheinlanddamm aufbrechen. Das Stadtzentrum vermittelte am Nachmittag jedoch den Eindruck, dass entweder niemand dem Aufruf des Klubs folgen wird oder die Mehrzahl bereits im Stadion hockt.

Wie ausgestorben präsentierte sich der Wall, die Hauptstraße rund um die Innenstadt. Erst am Hauptbahnhof war mehr los, hier trafen einige Schwarzgelbe aufeinander und nahmen die U45 zu den Westfalenhallen.

Subotic: "Mit Alkohol ging das"

Die Fans des BVB hätte man auch ohne Fanutensilien erkennen können. Alle stellten denselben Gesichtsausdruck zur Schau: Ein leerer Blick, der ins Nirgendwo starrte. Wohl noch nie verlief eine Fahrt zum Stadion so ruhig, nur ganz vereinzelt redeten die Fahrgäste miteinander. Die Enttäuschung, dass der Traum vom Henkelpott in der 89. Spielminute und somit fast ohne Möglichkeit zur Korrektur platzte, war in Dortmund auch am Tag danach noch mit Händen zu greifen.

Am Ende fanden sich etwas weniger als 15.000 Anhänger im Stadion ein, die die Unterränge der West- und Nordtribüne belagerten und auf den Videoleinwänden zusehen konnten, wie der BVB-Flieger wieder auf deutschem Boden aufsetzte.

"Mit Alkohol ging das", ließ Neven Subotic wenig später am Rollfeld auf die Frage wissen, wie man Samstagnacht die Ernüchterung überwunden habe. Währenddessen kickte die Dortmunder E-Jugend zur Bespaßung der wartenden Meute auf dem Rasen, das mannschaftsinterne Duell endete 8:0 für jenes Team, das beim nächsten Spiel die Startelf bilden müsste.

"Und es war trotzdem eine königsklasse Saison"

"Direkt nach dem Spiel habe ich mir vorgenommen, im Sommer so hart wie noch nie zu arbeiten. Ich will nicht mehr verlieren, ich will nur noch gewinnen", schloss der zugeschaltete Subotic und begab sich zusammen mit seinen in dunkelgrauen Anzügen gekleideten Teamkollegen in den Mannschaftsbus, der direkt Kurs Richtung Signal Iduna Park nahm.

Als Subotic auf der Leinwand im Stadion ausgeblendet wurde, prangte an dieser Stelle die Wortkreation "Siegerlage", deren Erklärung gleich in der Zeile darunter folgte: "Und es war trotzdem eine königsklasse Saison". Ein Smiley mit herunter gezogenem Mundwinkel vollendete das Bild und traf die Gemütslage des Tages nur zu gut.

Das Stadion als Ort der Gemeinsamkeit sowie die Tatsache, dass die Ankunft der Mannschaft immer näher rückte, brachte die Anwesenden von sich heraus dazu, ein paar Lieder anzustimmen. Selbst ein Wechselgesang funktionierte. Großer Jubel brandete auf, als Stadionsprecher Norbert Dickel durch das Spalier schritt, das die E-Jugend-Spieler bildeten. Nach einer zügigen Dankesrede rief er die Truppe auf den Rasen und las jeden einzelnen Spielernamen vor.

Kurze Reden von Kehl und Watzke

Die Lautstärke der Tribünen erreichte den Höhepunkt des Tages, doch dem Häufchen Elend, das da über das Grün schlich, war sichtlich anzumerken, dass Frust und Übermüdung keine geeignete Mischung zu einer ausgelassen Verabschiedung in den Sommerurlaub darstellen. Dortmunds Spieler blickten genauso drein, wie die Fans zuvor in der Bahn.

Kapitän Sebastian Kehl und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke richteten ein paar wenige Worte an die Zuschauer, bedankten sich dabei für die Unterstützung und versprachen, trotz aller Niedergeschlagenheit auch in der kommenden Spielzeit wieder hohe Ziele verfolgen zu wollen.

Mit ein wenig Nachhilfe von Dickel raffte sich die Truppe auf und begab sich auf eine halbe Stadionrunde. Die Kleiderordnung des Vereins half kräftig dabei mit, dass dieser kurze Marsch wie ein Trauerzug daherkam. Wer noch nicht begriffen haben sollte, wie bitter es für einen Profisportler ist, sich von einem möglichen Sieg oder Titelgewinn kurz vor Erreichen der Ziellinie verabschieden zu müssen, hätte an diesem Sonntag nur in die Gesichter der BVB-Akteure blicken müssen.

Die Veranstaltung, bei der vom Verein eine Länge von 45 bis 60 Minuten prognostiziert wurde, war nach einer guten Viertelstunde beendet. Die Mannschaft verschwand in Windeseile wieder im Mannschaftsbus und vom Gelände. Just in diesem Moment ergoss sich der größte Regenschauer des Tages über Dortmund. Am Tag nach der Siegerlage.

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