Störenfried und Fallensteller

Von Stefan Rommel
Coach Jupp Heynckes (M.) und zwei seiner Schlüsselspieler: Mario Mandzukic (l.) und Javi Martinez
© getty

Plagiat oder nicht? Tatsache ist, dass sich die Bayern in Dortmunds Spezialdisziplinen nahe zur Perfektion verbessert haben. Was ganz besonders an den Zugängen Mario Mandzukic und Javi Martinez liegt.

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Die fantastischen Leistungen der Bayern in dieser Saison sind sehr eng verknüpft mit einer Neuausrichtung des Spielsystems von Trainer Jupp Heynckes. Der Rekordmeister variiert sein Spiel in dieser Saison so sehr, dass einige Bausteine an die von Borussia Dortmund erinnern.

Nicht zuletzt deshalb ließ sich Jürgen Klopp auch zu der riskanten These hinreißen, die Bayern hätten Dortmunds Stil kopiert und wären gerade deshalb so erfolgreich in dieser Saison. Klopp bereut der Vergleich mittlerweile, weil er eine an und für sich lohnenswerte Diskussion ganz schnell auf eine populistische Ebene gezogen hat.

Dennoch ist es interessant zu sehen, wie stark sich die Bayern in ihrem System auf eine abgewandelte Defensivstrategie versteift haben und wie diese funktioniert. Neben den taktischen Inhalten hängt das Verfahren besonders auch an der Spielauffassung von Javi Martinez und Mario Mandzukic.

Im Spielvortrag ergeben sich die Abänderungen durch die Rotation einzelner Spieler zwischen den Mannschaftsteilen, die den Bayern insofern Flexibilität bringt, da nicht nur Referenzpunkte in der Tiefe zu finden sind, sondern auch in der Breite.

Insbesondere den Flügelspielern und den beiden Außenverteidigern kommen hier tragende Rollen bei. Die Münchener versuchen das Spiel im 4-2-3-1 immer wieder in die Breite zu ziehen. Robben/Müller und Ribery sind angehalten, ihre Positionen beim Spielaufbau zu halten. Läufe ohne Ball zur Mitte sind bei Robben und Ribery eher selten, Müller dagegen tummelt sich gerne auch mal weiter eingerückt.

Von den Außenverteidigern schiebt mindestens einer sehr hoch nach vorne. Gleichzeitig lässt sich zumeist Schweinsteiger zwischen die Innenverteidiger fallen. Die Bayern lösen so ihre Viererkette bei eigenem Ballbesitz auf und schaffen durch die beiden aufgerückten Außenverteidiger Überzahl im Mittelfeld. Lahm und Alaba sind in jeden Angriff über ihre Seite involviert und rücken gegebenenfalls auch energisch mit nach. Gerade für Dortmund mit seiner Strategie, den Gegner samt Ball nach außen zu drängen, um ihn dort zu bekämpfen, ein Problem.

In dieser Saison gern gespielt ist demzufolge auch die Variation über einen aufrückenden Außenverteidiger, auf den das Spiel verlagert wird und der als Zwischenstation fungiert für den Pass zurück ins Zentrum. Der Gegner ist jetzt auseinandergezogen und bietet mehr Platz für einen Pass in die Tiefe, in die Robben/Müller oder Ribery mit Tempo einlaufen.

Perfektioniertes Münchener Pressing:

Letzte Saison hatten die Bayern nur selten Momente, in denen sie nach einem frühen Ballgewinn schnell in den Vorwärtsgang umschalten konnten. Das lag zum einen an alten Gewohnheiten. Ex-Trainer Louis van Gaal bevorzugte andere spielerische Elemente und legte weniger Wert auf eine aggressive frühe Balleroberung als auf einen geordneten Rückzug.

Dieses "Nach-vorne-Verteidigen" verinnerlichten die Bayern erst in dieser Saison unter Jupp Heynckes immer mehr - und sie holten sich dafür auch die richtigen Spieler. Vom Zurückweichen vergangener Tage ist kaum noch etwas übriggeblieben, auch wenn die Bayern nicht in jeder Situation sofort nachsetzen, sondern mittlerweile ein nahezu perfektes Gespür dafür entwickelt haben, wann es Sinn macht und wann auch mal nicht.

Vor Manuel Neuer im Tor, der der weit herausrückenden Viererkette die nötige Sicherheit gibt und den Raum auch weit vor seinem Tor jederzeit im Blick hat, um gegebenenfalls einzugreifen, haben die Bayern ihren Block einige Meter nach vorne geschoben. Die Absicherung auch für riskantere Pressingaktionen mit mehreren Spielern ist fast immer da, zumal in Dante/Boateng die wohl beste Innenverteidigung der Liga auch noch aufpasst.

Die größten Umstellungen ergaben sich durch die veränderte Aufgabenstellung für die Flügelspieler im Mittelfeld. Während Müller schon immer eifrig in der Defensivbewegung stattfand, haben nun auch Robben und Ribery ihr Spektrum erweitert. Dabei sind sie beweglich, und laufstark. Eine besondere Zweikampfhärte ist nicht primär gefragt. In den meisten Fällen sind die defensiven Mittelfeldspieler oder nach einem langen Ball die Innenverteidiger in der finalen Balleroberung gefragt.

Seite 2: Zwei Schlüsselspieler für die Defensive