Kaiser senkt die Messlatte

Von Für SPOX in der Allianz Arena: Florian Bogner
Endstation Viertelfinale: Für den FC Bayern war gegen den FC Barcelona nichts zu holen
© Imago

Bayern gelingt die Rehabilitation auf europäischer Bühne nur halb, die Fans laufen Sturm und Jürgen Klinsmann ist der ärmste Tropf von allen. Oder doch nicht? Das Champions-League-Aus des FCB hinterlässt jedenfalls ein schräges Bild, viele Fragen - und ein überraschendes Bekenntnis von Franz Beckenbauer.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Dass der FC Bayern am Ende gegen die ganz Großen des Sports gescheitert war, dokumentierte Franck Ribery höchstpersönlich.

Nach dem Duschen traf sich der Franzose nämlich in den Katakomben der Allianz Arena mit drei Freunden aus seiner Heimatstadt Boulogne-sur-Mer und passte mit ihnen nach und nach Barca-Stars ab, um diese inmitten seiner Freunde zu fotografieren.

Lionel Messi, Andreas Iniesta, Samuel Eto'o und Trainer Pep Guardiola blieben bei Franck, dem Fotografen, stehen, lächelten brav in Riberys Autofokus und verschafften dem Bayern-Spieler so ein bleibendes Andenken an den Schlussakkord seiner ersten Champions-League-Saison.

Ribery: "Mit Würde ausgeschieden"

"Wir sind mit Würde ausgeschieden", verriet Ribery noch und verschwand gut gelaunt im nachspieltäglichen Stau rund um die Allianz Arena. Ende gut, alles gut?

Nicht wirklich. Denn trotz der Rückkehr unter die besten Acht in Europa ging die Königsklasse 08/09 für die Bayern bei weitem nicht so harmonisch zu Ende, wie Riberys Fotos vielleicht später einmal aussagen mögen. Vor allem zwei Dinge bleiben hängen.

Das Volk rebelliert weiter

Zum einen natürlich die 0:4-Schmach von Camp Nou, die die Bayern mit dem 1:1 am Dienstag nur "teilweise verwischen" (Manager Uli Hoeneß) konnten. Zum anderen die alarmierenden Reaktionen der eigenen Zuschauer, die während des Rückspiels deutlich hörbar demonstrierten, welch tiefe Wunden die laufende Achterbahnsaison bereits in die Fan-Seele gerissen hat und wer dafür ihrer Meinung nach verantwortlich ist: Jürgen Klinsmann.

Zur Erinnerung: Schon im Heimspiel gegen Frankfurt am Samstag gab es zahlreiche "Klinsmann raus!"-Rufe. Was der Mittelblock in der Südkurve jedoch am Dienstagabend auf großer Bühne von sich gab, dürfte für reichlich Stirnrunzeln bei den Vereinsoberen gesorgt haben.

Matthäus und Lattek gefeiert

En detail: Die zaghaften "Klinsmann raus!"-Rufe während der ersten Halbzeit wurden nach dem Gegentor zum 1:1 immer stärker, um dann in erstmals laut vernehmbare "Vorstand raus!"-Rufe überzugehen.

Zum Schluss setzten die Fans dem ganzen die Krone auf, indem sie nacheinander - und scheinbar willkürlich - Hermann Gerland, Ottmar Hitzfeld, Mehmet Scholl, Lothar Matthäus, Oliver Kahn und Udo Lattek abfeierten.

Es war bei weitem nicht das ganze Stadion, das diesem Hörspiel seine Stimme gab.

Doch es war das Herz der Fankurve, rund 300, 400 Mann stark, das nach all den Auf und Abs der letzten Monate ein Ventil für seinen Frust suchte. Und der Schuldige scheint mit dem polarisierenden Trainer ausgemacht.

Hoeneß: "Nehme Rufe zur Kenntnis"

Der war nach dem Spiel auch der einzige, der zu den Unmutsäußerungen der Fans gezielt Stellung nahm. Angenehm seien solche Rufe nicht, hielt der Bayern-Coach zerknirscht fest. "Natürlich hat man es lieber, wenn die Fans mit einem zufrieden sind. Aber nach den zwei Spielen in Wolfsburg und Barcelona habe ich auch Verständnis dafür, dass sie auf mich sauer sind", so der 44-Jährige.

Der Vorstand, der solche Fanepisoden bislang immer mit einem "Was? Wo? Wie? Nicht gehört!" abgetan hatte, bekannte diesmal immerhin, die Unmutsäußerungen vernommen zu haben. "Ich nehme die Rufe der Fans zur Kenntnis", sagte Manager Uli Hoeneß, "aber wir haben uns in den letzten Wochen zu diesem Thema nicht geäußert und werden das auch weiterhin nicht tun."

Wenn Hoeneß so etwas sagt, weiß man: intern wird sich dazu sehr wohl geäußert. Auf Dauer wird man die Fans in Sachen Klinsmann nämlich nicht so einfach ignorieren können. Denn wenn der Fanblock fortan bei jedem Heimspiel "Klinsmann raus!" proklamiert, leidet darunter auf kurz oder lang nicht nur der Trainer, sondern auch die gesamte Reputation des Vereins. Und das ist für Hoeneß nicht nur ein Ärgernis, sondern ein handfestes Problem.

Beckenbauer: "Mit Platz zwei wäre ich zufrieden"

Die Frage ist nur, wie der FC Bayern damit umgeht. Der Boulevard will erfahren haben, dass die Ära Klinsmann nach dieser Saison definitiv zu Ende geht, andere spekulieren, dass nur die Meisterschaft den Bayern-Coach noch retten könne.

Und was sagen die Münchner selbst? "Natürlich hat der FC Bayern immer den Anspruch Titel zu gewinnen, aber in diesem Jahr ist so viel schief gelaufen durch Verletzungen, Pech und so viel Durcheinander, dass ich persönlich nicht sauer wäre, wenn wir nicht Deutscher Meister werden", sagte Franz Beckenbauer bei Premiere.

Hört sich so an, als ob Klinsmann für eine Weiterbeschäftigung auch der zweite Platz reicht. "Wir brauchen die Champions League. Da gehört der FC Bayern hin. Ich möchte nicht wieder nach Braga. Mit dem zweiten Platz wäre ich daher zufrieden, denn der führt direkt in die Champions League", so Beckenbauer.

Fans contra Entertainment

Die Fans würden durch einen zweiten Platz wohl kaum versöhnt werden, und auf Dauer kann es den Münchnern nicht gefallen, wenn die eigenen Anhänger rebellieren.

Gegen Barcelona wurden die Rufe gegen Trainer und Vorstand nicht nur in über 150 Länder übertragen, sondern waren natürlich auch in die zahlreichen Stadion-Logen mit ihren potenten Sponsoren zu hören. Und für die passt ein protestierender Fan-Mob so gar nicht ins Entertainment-Programm des Rekordmeisters.

Schweinsteiger: Brauchen gute Stimmung

Und auch die Mannschaft wird sich ihren Teil denken. Auch wenn sie bislang stets beteuert, während des Spiels andere Dinge zu tun zu haben, als auf die Fans zu hören. "Was drum herum passiert, hört man manchmal, aber nicht immer", meinte Mark van Bommel vielsagend.

Bastian Schweinsteiger - gegen Barcelona am Knie verletzt im Krankenstand - hatte nach dem Frankfurt-Spiel noch anders geklungen: "Wenn im Stadion keine Stimmung da ist, dann tut das im Herzen weh." Seine Forderung: "Wir müssen es unbedingt umdrehen, dass wir wieder eine gute Stimmung haben."

Das geht in erster Linie nur über Ergebnisse. Und da hat sich Klinsmann aus den letzten sieben Bundesliga-Spielen nicht weniger als sieben Siege auferlegt. Doch selbst wenn die nicht ganz gelingen, scheint es den Bayern-Coach Klinsmann nach Beckenbauers Aussagen auch im kommenden Jahr noch zu geben. Und damit wohl auch die Rufe und Pfiffe der Fans.

Bayern - Barca: Die SPOX-Analyse