Mourinho alias Papa Gnadenlos

Von Aus Bremen berichtet: Stefan Rommel
Jose Mourinho ist seit 1. Juli 2008 Trainer bei Inter Mailand
© Getty

Vor dem letzten Spiel in Gruppe B der Champions League zwischen Werder Bremen und Inter Mailand (20.30 Uhr im LIVE-TICKER & Internet TV) trat Jose Mourinho auf der abschließenden Pressekonferenz ungewohnt zurückhaltend auf - und formulierte doch unmissverständlich sein Ziel.

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Jose Mourinho war viel zu früh dran. Thomas Schaaf saß noch auf dem Podium in der Turnhalle am Weserstadion, wo Werder Bremen die Pressekonferenzen in der Champions League übergangsweise abhalten muss, und sprach über das letzte Spiel der Gruppenphase gegen Inter Mailand .

Mourinho stapfte in die kalten Hallen und lauschte mehr oder weniger gelangweilt den Ausführungen des Bremer Trainers, um sich kurz vor seinem eigenen Auftritt brav zum Shakehands mit Schaaf zu treffen und ein paar belanglose Sätze zu wechseln.

Launisch, bockig, von sich überzeugt

Man darf ihm durchaus glauben, als er danach erzählte, er habe großen Respekt vor dem, was Werder Bremen seit Jahren leiste und dass Klaus Allofs ein guter Freund von ihm sei.

Es war eine der besseren Aussagen einer Pressekonferenz, auf der Mourinho ansonsten nur mit einer veritablen Schramme über dem rechten Auge für mittelschwere Aufregung sorgen konnte: Neulich kollidierte sein Gesicht mit einer robusten Autotür.

Mourinho war so in Bremen angekommen, wie er am Dienstagmorgen in Mailand in den Flieger gestiegen war und wie Jose Mourinho nun mal ist: Ein wenig launisch, ein wenig bockig und sehr, sehr überzeugt von sich selbst.

Interviews gegen Bezahlung

Immerhin war diese letzte Pressekonferenz vor dem Spiel ein offizieller Termin der UEFA, was aus Sicht der Journalisten ein großer Vorteil ist: Sie bekamen ihn gratis. Vor ein paar Wochen hatte Jose in Italien eine absurde Diskussion ausgelöst. Er fühle sich verfolgt von den Medien, ihm dauere das zu lange, diese endlosen Interviews nach den Spielen, im Fernsehen, für das Radio und die schreibende Zunft.

Also verwies er auf England, wo die Spiele mit einer kurzen Pressekonferenz abgerundet und danach allenfalls noch ein paar Fragen gestattet werden - und schlug vor, ab sofort von allen Interessierten Geld für seine Interviews zu verlangen.

Natürlich geht so etwas in Italien nicht, wo der Calcio für viele Menschen das Wichtigste im Leben überhaupt ist, wo vier große Sportzeitungen täglich Stoff für mehr oder weniger gut recherchierte Geschichten brauchen und Zehnjährige heimlich nachts unter der Bettdecke den sehr unterhaltsamen Talkrunden im Radio lauschen.

Enges Verhältnis zu Moratti

Mourinho weiß das natürlich, aber es gehört eben auch zu seinem Selbstverständnis, so etwas einfach anzusprechen und dann zu schauen, was passiert. Er ist ja immer noch "The Special One", auch in Italien beim unruhigen FC Internazionale hält sich sein Ruf hartnäckig. Also pflegt er auch emsig sein eigenes Klischee.

Bei Inter sei er vom ersten Tag an geliebt worden, hat er neulich in einem - kostenfreien - Interview angemerkt, was zumindest für den Großteil der Fans und vor allem Mäzen Massimo Moratti gilt.

Seit 13 Jahren führt der Sohn des Ölmagnaten Angelo Moratti die Geschicke bei Inter. Die meisten seiner Trainer waren in seiner Ägide geduldet, zu vielen hegte er ein freundschaftliches Verhältnis, wie zuletzt zu Roberto Mancini. Mourinho aber vergöttert er.

Makel in der Champions League

Es ist die vielleicht größte Leistung des Portugiesen, so schnell das Herz seines Arbeitgebers erobert zu haben. Größer noch als der souveräne Durchmarsch durch die Serie A, die Inter schon wieder mit sechs Punkten Vorsprung anführt und wo die unmittelbare Konkurrenz aus Turin und der eigenen Stadt (Milan) sich am Wochenende gegenseitig die Punkte abknöpfen wird.

Nur das lustlose Wirken der Nerrazzuri in der Champions League ist da ein Makel. Zwar ist Inter durch die glückliche Konstellation vor dem letzten Spieltag bereits sicher fürs Achtelfinale qualifiziert, läppische acht Punkte aus fünf Spielen bisher will Mourinho aber nicht auf sich sitzen lassen.

"Bisher habe ich mit meinen Mannschaften immer zehn Punkte in der Vorrunde geholt. Das soll auch dieses Mal so sein." Was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet als: Wir gewinnen in Bremen.

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Mit Schärfe und Härte

Ein nassforsches Unterfangen mit einem Team, das sich zuletzt in San Siro gegen Panathinaikos Athen mächtig blamierte (Moratti: "Eine der schmerzhaftesten Niederlagen, seit ich Präsident bin") und das auch unter Mourinho immer noch als launischer Haufen von Mega-Stars verschrien ist.

Mourinho geht dagegen vor, mit aller Schärfe und Härte, die er auch in Porto und beim FC Chelsea an den Tag legte. Vor ein paar Wochen hatte sich Jung-Star Mario Balotelli mit ihm angelegt. Ein paar Tage später fand sich der 18-Jährige im Campionato Primavera wieder, der U-21-Spielklasse Italiens.

Adriano wurde zuletzt ein paar Spiele lang suspendiert. Er hatte sich über Mourinhos Methoden echauffiert, ebenso wie Julio Cruz.

Auch der Argentinier flog aus dem Kader. Mourinho gibt sich damit selbst jene Machtfülle, die er braucht. Selbst Systemumstellungen hindern ihn nicht davor, auch unbequeme Maßnahmen zu treffen.

Wie ein Vater

Vom bevorzugten 4-3-3 stellte er dann auf 4-4-2 um, weil ihm schlicht die Flügelspieler fehlten. Mourinho hatte sie aus dem Kader gestrichen. Oder er handelt - wie im Falle Quaresma - wie ein fürsorglicher Vater.

Seinen Wunschspieler schickte Mourinho neulich ein paar Tage nach Hause. Der Portugiese ist auch nach vier Monaten noch nicht in Mailand angekommen und wurde bei seinen letzten Auftritten von den eigenen Fans gnadenlos ausgepfiffen.

Also befahl ihm sein Trainer den geordneten Rückzug in die Heimat, um den Kopf frei zu bekommen. Jetzt ist Quaresma wieder dabei und wagt den nächsten Anlauf.

Auch das ist Jose Mourinho: Neben aller Härte und Konsequenz und seinem klar formulierten Leistungsprinzip hat der Portugiese auch ein untrügliches Gespür für Situationen und Gemütslagen seiner Spieler.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Werder Bremen: Wiese - Fritz, Mertesacker, Baumann (Prödl), Pasanen - Frings, Hunt - Vranjes, Özil - Rosenberg, Pizarro

Inter Mailand: Cesar - Santon, Burdisso, Materazzi, Maxwell - Zanetti, Cambiasso, Muntari - Quaresma, Mancini, Adriano

Schiedsrichter: Pieter Vink (Niederlande)

Die Ausgangslage in Gruppe B