BVB - Edin Terzic als Cheftrainer von Borussia Dortmund: Spontan nach Plan

Von Patrick Brandenburg
Edin Terzic hat als Cheftrainer des BVB nun acht Bundesligaspiele in Folge gewonnen.
© Getty

Noch nicht glänzend, aber schon wieder sehr erfolgreich: Edin Terzic knüpft zum Start der zweiten Amtszeit bei Borussia Dortmund genau da an, wo er 2021 aufgehört hat. Bevor der BVB-Trainer für alles eine Lösung parat hat, findet er schon mal für vieles die richtigen Worte. Denn er hat ein Konzept.

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Die Stimme etwas heiser - nicht euphorisch, aber doch beschwingt. Als Edin Terzic nach dem hart erkämpften Bundesliga-Auftaktsieg über Bayer Leverkusen vor die Presse trat, war klar zu spüren: So in etwa hatte sich Borussia Dortmunds alter, neuer Trainer nach der traurigen, zuschauerarmen Corona-Zeit wohl sein Debüt im pickepacke vollen früheren Westfalenstadion vorgestellt.

"Lasst uns so laut sein wie noch nie", hatte der Trainer bereits am Tag der zweiten Inthronisierung als BVB-Coach per Videobotschaft gefordert. Das Ziel: Die Fans nach der doch enttäuschenden Vorsaison aus der Lethargie zu reißen. Und nun? "Wir haben mit achtzig Tausend den Ball über die Linie gedrückt und dann mit achtzig Tausend im Rücken unser Tor verteidigt", zog Terzic nach dem 1:0-Erfolg über fast gleich starke Gäste aus Leverkusen Bilanz. Erstes Zwischenziel erreicht.

Es trieft fast vor Pathos, den 1:0-Siegtreffer derart zu überhöhen. Letztlich war es "nur" ein Abstauber, wenn auch willensstark von Marco Reus erzielt und zuvor schön herausgespielt. Aber die Atmosphäre war wirklich klasse und trug zum Erfolg bei. Am Ende wurde jede Ecke, Grätsche oder jeder Befreiungsschlag gefeiert. Nicht nur vor der Südtribüne.

Terzics Ansprache kommt an. Vielleicht hat der BVB genau das gebraucht nach all den angestauten Emotions-Defiziten der Tuchel-Bosz-Stöger-Favre-Jahre - und trotz Rang zwei in der Bundesliga letztlich auch während des jüngsten Intermezzos von Marco Rose.

BVB: Bei Edin Terzic stimmt der Ton

Terzic hat das eine Jahr in der Standby-Position als Technischer Direktor offensichtlich bestens genutzt, um sich auf das Comeback als Cheftrainer vorzubereiten. Clever, dass er sich in "Mr. Co-Trainer" Peter Hermann größtmögliche Routine an die Seite geholt hat. Trotz Pokalsieg 2021 ist er immer noch ein halber Rookie. Vor allem aber hat Terzic bei der Rhetorik nachgelegt. Fast immer trifft er den Ton. Beinahe wie einst Jürgen Klopp, dessen Heldenverehrung wie ein schwarzes Loch nun schon fünf Trainer beim BVB verschlungen hat.

Selbst in kniffligsten Situationen bleibt Terzic klar. Nach der Schockdiagnose Hodentumor bei Sebastien Haller fand er angemessene Worte. Terzic stellte den Menschen Haller in den Mittelpunkt und dessen Gesundung, ohne die Tücken des Profigeschäfts zu verschweigen. Es bleibt nachvollziehbar sein Job, Alternativen im Angriff zu finden. Zunächst mit vorhandenen Spielern wie seinem Zögling Youssoufa Moukoko, dem er frisches Selbstvertrauen eingehaucht hat. Und demnächst vermutlich mit dem Kölner Anthony Modeste als echtem Haller-Ersatz.

Der Ton stimmt bei Terzic. Schon beim BVB-Familientag hatte er die schwarz-gelbe Gemeinde passend aufs Spiel eingeschworen. "Noch sechs Mal schlafen. Wenn ihr das Stadion verlasst, sollt ihr es kaum erwarten können, wieder hier zu sein." Auch dafür hatte der Sauerländer viel Applaus bekommen - überhaupt war es das erste mal seit Klopp, dass ein Trainer mehr gefeiert wurde als die Stars. Passend, dass Terzic mit seinem übergreifend achten Bundesliga-Sieg in Folge einen alten Klopp-Rekord einstellte.

Edin Terzic weiß, was die BVB-Fans hören wollen

Wie bei Klopp sind nicht alle Sprüche so spontan, wie sie wirken. Aber es schadet ja nicht, sich Gedanken um öffentliche Auftritte zu machen und dem Instinkt per Design auf die Sprünge zu helfen. Wichtig ist: Es passt zu Terzic, er bleibt authentisch. Der 39-Jährige meint es tatsächlich so. Der frühere Südtribünen-Gänger weiß, was die Fans hören wollen. Aus eigener Erfahrung.

Außerdem sind kluge Gedanken dabei. Etwa zum ungleichen Titelrennen mit dem FC Bayern. Es braucht neue Prioritäten, um in einer längst aus dem Lot geratenen Bundesliga nicht die Linie zu verlieren: "Wir können akzeptieren, dass andere Mannschaften besser sind und gewinnen. Aber wir können nicht akzeptieren, dass sie hungriger sind als wir", sagte Terzic nach dem Start gegen Leverkusen. Spielerisch ließ der Wünsche offen, aber die Leidenschaft war wieder da.

Fan-Liebling Terzic kommt nicht nur bei den Zuschauern an, sondern auch beim Personal. "Wir haben spielerisch nicht gerade überzeugt, aber wir haben alles angenommen und dabei spielt auch der Trainer eine große Rolle", lobte Kapitän Reus. Terzic weiß gut, wer Zuspruch braucht: Moukoko, Donyell Malen und der gegen Leverkusen starke Mo Dahoud blühen wieder auf.

Oder Trost: Karim Adeyemi war auf dem Weg zum spektakulären Liga-Debüt, ehe er früh mit lädiertem Knöchel vom Platz musste. Oder wen er sogar anstacheln muss: Den erst 19 Jahre alten Jude Bellingham hat er zum Ersatzkapitän befördert. Terzic weiß, dass er im berechtigten Lob über eine erneut große Leistung auch eine Prise Kritik einbauen kann, um den ebenso ehrgeizigen wie lernwilligen Engländer zu pushen: "Jude muss balancierter werden in seinen Emotionen."

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke will Edin Terzic schützen

Es bleibt viel zu tun beim BVB. Der Start hätte genauso gut schiefgehen können, wenn Keeper Gregor Kobel das Privatduell gegen Bayer-Torjäger Patrik Schick nicht doppelt gewonnen hätte. Die Abwehr ist weiter eine Baustelle. Neuzugang Nico Schlotterbeck zeigte viele starke Ansätze, aber anfangs auch Nervosität und Abstimmungsprobleme mit den neuen Kollegen. Linksverteidiger Raphael Guerreiro gilt es weiterhin einzufangen nach seiner taktischen Freistil-Saison unter Rose. Die Balance des Portugiesen zwischen Offensivdrang und Positionstreue gelang erst am Schluss.

Beim Gegenpressing hat der BVB dank intensiver Saisonvorbereitung Fortschritte gemacht, aber es fehlt an Klarheit, Situationen auszuspielen. Auch weil es auf den Flügeln hakt: Der unfreiwillige Wechsel von Adeyemi zu Thorgan Hazard war fürs BVB-Spiel ein Rückschritt. Rechtsverteidiger Thomas Meunier ist defensiv stabil, aber in Sachen Offensive und Flanken bleibt Luft nach oben.

Terzic nimmt die Spieler mit, er lebt die Bereitschaft vor, die er einfordert - und nimmt sich an der richtigen Stelle zurück: Nach der Partie gab er den Spielern alleine die Bühne vor der feiernden Kulisse, obwohl es in ihm selbst gejuckt haben muss. Der Coach blieb mit Assistent Hermann an der Seitenlinie.

"Edin ist Borusse durch und durch. Für ihn ist es nicht nur ein Job, es ist eine Mission", sagte BVB-Chef Watzke kürzlich im kicker und warnte, vielleicht müsse man den Coach davor schützen, zu sehr für seinen Herzensklub zu brennen - damit er den Westfalen möglichst lange erhalten bleibt.

BVB: Der Spielplan von Borussia Dortmund in den nächsten Wochen

DatumGegnerAustragungsortWettbewerb
Freitag, 12. AugustSC FreiburgEuropa-Park Stadion, FreiburgBundesliga, 2. Spieltag
Samstag, 20. AugustWerder BremenSignal Iduna Park, DortmundBundesliga, 3. Spieltag
Samstag, 27. AugustHertha BSCOlympiastadion, BerlinBundesliga, 4. Spieltag
Freitag, 2. SeptemberTSG 1899 HoffenheimSignal Iduna Park, DortmundBundesliga, 5. Spieltag
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