Werder Bremens Krise spitzt sich zu: Viele Schwächen - keine Antworten

Von Stefan Petri
Werder Bremensteckt in der Krise.
© imago images

Nach dem 0:3 bei RB Leipzig spitzt sich die Krise bei Werder Bremen zu. Ob Angriff oder Abwehr: Das Team von Florian Kohfeldt ist derzeit in keinem Bereich konkurrenzfähig. Dennoch halten Spieler und Verantwortliche weiter am Trainer fest.

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"Am kommenden Samstag, den 22. Februar 2020, empfängt der SVW um 15.30 Uhr Borussia Dortmund. Das hat letztens schonmal gut geklappt."

Mit diesen Worten entließ der Liveticker zum Spiel gegen Leipzig auf der Homepage des SVW seine Leser in den Abend. An der Weser ist längst das Prinzip Hoffnung eingekehrt, nach acht Niederlagen in den letzten neun Bundesligaspielen - und zehn Pleiten in den letzten zwölf. Werder steckt bis zum Hals im Abstiegskampf: Hätte der SC Paderborn den Punkt gegen die Hertha erfolgreich über die Zeit gebracht, die Grün-Weißen wären zum ersten Mal seit September 2017 wieder Tabellenletzter.

Doch auch so wächst der Abstand auf das rettende Ufer stetig an: Zwar sind mit Paderborn und Fortuna Düsseldorf zwei weitere Teams ähnlich schlecht, weshalb zumindest der Relegationsplatz in Reichweite bleibt, doch schon am Sonntagabend könnte der Rückstand auf Platz 15 stolze sieben Punkte betragen. Punkte, die dieser Tage für Werder rar gesät sind. 17 Punkte nach 22 Spielen - so schlecht war man in der Bundesliga-Geschichte noch nie.

Bundesliga-Tabelle: Die Abstiegszone

PlatzTeamSpieleToreDifferenzPunkte
14.1. FC Köln*2027:38-1123
15.1. FSV Mainz 05**2131:48-1721
16.Fortuna Düsseldorf2221:46-2517
17.Werder Bremen2225:51-2617
18.SC Paderborn 072227:47-2016

*Ausstehende Partien: Bayern (H), Mönchengladbach (A)

** Ausstehende Partie: Schalke (H)

Dabei ist ein Auswärtsspiel bei Meisterschaftskandidat Leipzig natürlich nicht der Maßstab. "Es ist nicht das komplett unerwartete Ergebnis", sagte Trainer Florian Kohfeldt nach Abpfiff, und auch Geschäftsführer Frank Baumann gab zu, dass "einiges zusammenkommen" muss, "damit wir hier auch einen Punkt mitnehmen oder gewinnen können."

Die Art und Weise, wie Werder in Rückstand geriet und sich danach in die Pleite ergab, musste jedoch auch für die Verantwortlichen eine kalte Dusche gewesen sein. Zwar ließ man sich vom Pressing der Roten Bullen nur selten beeindrucken und aus dem Spiel in Halbzeit eins nur wenig zu, doch dafür schlug erneut die eklatante Abwehrschwäche bei Standards zu. Beim Freistoß zum 0:1 waren gleich mehrere Gegenspieler völlig frei, beim 0:2 hatte Torschütze Patrik Schick höflichen Geleitschutz anstelle eines Gegenspielers. 16 Gegentore sind es nun schon nach Standards - oder, um es mit Leonardo Bittencourt zu sagen: "Das ist scheiße."

Der Rückenwind aus der Pokalsensation gegen den BVB ist längst verflogen, dabei hatte Kohfeldt vor dem Spiel noch zum Kurztrainingslager in Leipzig gebeten. Gegen Leipzig ergab sich sein Team fast kampflos in das eigene Schicksal - hätte Nagelsmann nicht im Hinblick auf die Königsklasse gewechselt, das Ergebnis hätte noch deutlicher ausfallen können.

Dabei ist kaum zu sagen, wo Werder schwächer ist: in der Abwehr oder im Angriff. Neben der angesprochenen Standardschwäche fängt sich das Team auch aus dem Spiel ein Tor nach dem anderen. 51 Gegentore nach 22 Spielen, so schlecht war zuletzt der HSV in der Saison 2013/14. Und wenn du sie hinten kriegst, machst du sie vorn nicht, um eine Fußballweisheit mal abzuändern: Seit 696 Minuten hat kein Spieler in grün-weiß ein Tor erzielt, die Treffer gegen Augsburg und Düsseldorf erzielten besagte Teams höchstselbst.

Werder Bremen: Die letzten zehn Bundesliga-Spiele

DatumGegnerErgebnis
1. DezemberVfL Wolfsburg (A)3:2
8. DezemberSC Paderborn (H)0:1
14. DezemberBayern München (A)1:6
17. DezemberFSV Mainz 05 (H)0:5
21. Dezember1. FC Köln (A)0:1
18. JanuarFortuna Düsseldorf (A)1:0
26. JanuarTSG Hoffenheim (H)0:3
1. FebruarFC Augsburg (A)1:2
8. FebruarUnion Berlin (H)0:2
15. FebruarRB Leipzig (A)0:3

Die Kritik an Trainer Florian Kohfeldt wird so immer lauter, doch noch steht der Verein hinter ihm. "Irgendwann wird der Tag kommen, an dem Florian mit Sicherheit kein Werder-Trainer mehr ist", wusste Baumann nach der Partie, "aber wir sind absolut davon überzeugt, dass der auch in der nächsten Zeit nicht gekommen sein wird, sondern dass wir uns mit Florian aus der schwierigen Situation befreien."

Der 37-Jährige Kohfeldt, seit Ende Oktober 2017 Trainer an der Weser, will nicht aufgeben: "Auf jeden Fall bin ich kämpferisch. Wir müssen weitermachen." Auch das Team steht noch hinter ihm: Am Coach liege "es nicht, er hat uns sehr gut eingestimmt", betonte Milos Veljkovic, "er ist ein Top-Trainer."

Doch lichte Momente wie der Sieg gegen den BVB sind beim SVW so rar geworden, dass die Vereinsführung zunehmend nervöser werden dürfte - allen öffentlichen Treueschwüren zum Trotz. Sollten sich die Niederlagen im Kalender weiter aufreihen und Werder tatsächlich mit Kohfeldt absteigen, wäre es ein gerade in der heutigen Zeit außergewöhnlicher Vertrauensbeweis - würde sich gleichzeitig aber auch irgendwo anfühlen, als ergäbe man sich kampflos ins eigene Schicksal.

Die nächsten Möglichkeiten zum Befreiungsschlag bieten sich Kohfeldt und Co. gegen Dortmund, Frankfurt und bei Hertha BSC, gegen alle drei Teams punktete man in der Hinrunde. Diesmal könnte die wacklige Hintermannschaft allerdings noch offener stehen als zuletzt: Kevin Vogt verletzte sich in Leipzig am Knie, der Abwehrchef wird mindestens zwei Spiele ausfallen. Was wieder zum obigen Spruch von Bittencourt passt. Der Vollständigkeit halber soll der Rest seiner Aussage nicht fehlen: "Aber wir resignieren nicht und haben noch zwölf Spiele."