Das Zeichen des angeschlagenen Kriegers

Arturo Vidal überzeugte gegen den FC Augsburg
© Getty

Arturo Vidal gehörte bislang nicht zu den Gewinnern unter Jupp Heynckes. Durchwachsene Leistungen, Aus in der WM-Qualifikation mit Chile, private Ablenkungen - zuletzt lief es nicht für den Krieger. Der Trainer war unzufrieden und stellte ihn in den großen Matches nicht in die Startelf. Beim 3:0-Sieg gegen den FC Augsburg machte der Chilene einen Schritt zurück in Richtung Unverzichtbarkeit.

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In der 80. Minute geht der Blick zur Seitenauslinie. Die rote 23 flackert auf der Tafel des vierten Offiziellen neben der grünen 19 auf. Der Arbeitstag ist vorbei.

Mit langsamen Trippelschritten geht Arturo Vidal zur Seitenlinie. Er genießt es, wie er von den 75.000 Zuschauern in der Allianz Arena gefeiert wird. Sogar mit Standing Ovations wird er bedacht. Herzliche Umarmung für Einwechselspieler Sebastian Rudy, dann mit einem breiten Grinsen Abklatschen bei Trainer Jupp Heynckes. Harmonie pur. Es ist keine dieser Auswechslungen, bei denen ein Spieler den Handschlag verweigert oder das Trikot wegwirft. Keine Abstrafung, keine taktische Variante.

Heynckes wechselt seine Nummer 23 beim Stand von 3:0 gegen den FC Augsburg am Samstagnachmittag kurz nach 17 Uhr als Belohnung aus, damit sich dieser seinen wohlverdienten Applaus abholen kann.

"Ich bin heute mit ihm zufrieden. Ich kenne Arturo sehr gut aus unseren gemeinsamen zwei Jahren in Leverkusen. Ich weiß, was er zu leisten vermag", lobte Heynckes seinen Schützling nach der Partie.

Ein seltenes Lob. Denn seitdem der 72-Jährige das Traineramt in München von Carlo Ancelotti übernommen hat, gab es viele Gewinner - doch Vidal gehörte nicht dazu.

Vidals schwierige Monate

Die vergangenen Monate liefen durchwachsen für den Krieger: Schock der verpassten WM-Qualifikation mit Chile, erneute negative Schlagzeilen durch eine Partynacht in München und der Abstieg ins zweite Glied beim deutschen Rekordmeister. In den wichtigsten Partien seit der Heynckes-Rückkehr - zweimal gegen Leipzig, im wichtigen Champions-League-Hinspiel gegen Celtic und im Topspiel gegen Borussia Dortmund - saß Vidal zu Beginn auf der Bank.

"So wie er vorher gespielt hat, als ich hier ankam, war ich überhaupt nicht zufrieden", mahnte Heynckes deswegen: "Das habe ich ihm auch klipp und klar gesagt. Er hat jetzt zwei Wochen sehr intensiv an sich gearbeitet, er hat top trainiert. Da konnte man auch sehen, dass er wieder gerne spielen wollte. Ich habe ihm auch gesagt: Wenn er sich nicht wieder in Form bringt, gibt es andere Spieler, die den Vorrang haben."

Konkurrenz mit Rudy, Tolisso, Thiago, James und Müller

Tatsächlich ist durch Javi Martinez' Versetzung im zentralen Mittelfeld ein Platz weniger zu vergeben. Um die beiden übrigen streitet sich der Chilene - wenn man davon ausgeht, dass Heynckes weiterhin beim 4-3-3 und beim 4-2-3-1 bleibt - mit Rudy, Tolisso, Thiago, James und Müller. Namhafte Konkurrenz, gegen die Vidal seinen Stammplatz nur durch Leistung behaupten kann.

In der Partie gegen Augsburg zeigte er erstmals seit längerer Zeit seine Qualitäten: "Arturo ist unheimlich wichtig, wenn er in einer guten Verfassung ist", lobte Niklas Süle seinen Teamkollegen später in der Mixed Zone der Allianz Arena und führte aus: "Er hat unglaublich viel gearbeitet, für die Mannschaft viele wichtige Zweikämpfe gewonnen, dass wir uns ein bisschen herausnehmen konnten, weil er vorne schon so viel abgesaugt hat."

Tatsächlich setzte der durch die schwierigen Wochen angeschlagene 30-Jährige mit seinem Auftritt gegen Augsburg ein Zeichen. Vidal war im 4-3-3 hinter Lewandowski auf der linken Halbposition neben James Rodriguez einer der dominantesten Spieler auf dem Feld - wegen seiner destruktiven, aber auch wegen seiner konstruktiven Fähigkeiten.

Vidals überzeugende Leistung gegen Augsburg

Bis zu seiner Auswechslung hatte er nach James die meisten Ballaktionen (96), er schmiss sich in die meisten Zweikämpfe aller Spieler (22) und "saugte" tatsächlich einiges ab: Zwei Bälle fing er ab, sechsmal gewann er den Ball. Dazu brachte er mal wieder seine Aggressivität als Element ins Spiel, sieben Fouls waren der deutliche Höchstwert aller Akteure.

Außerdem war Vidal Protagonist in den beiden spielentscheiden Szenen: Das 1:0 erzielte er technisch anspruchsvoll aus der Drehung selbst. Vor dem 2:0 gewann er den Ball gegen Caiuby und schickte dann Lewandowski in den freien Raum, der frei vor Hitz nur noch einschießen musste.

"So wie er heute gespielt hat, braucht man Arturo immer in seinem Team", resümierte Süle deswegen.

Vidal: "Ich bin jetzt zu 100 Prozent fit"

Ersatzkapitän Arjen Robben lobte den Trainingsfleiß der vergangenen Tage: "Wir haben bei Arturo diese Woche schon gesehen, dass er sich viel vorgenommen hat. Er hat mit Chile kein Spiel gehabt. Er hat sehr gut trainiert. Er war heiß und das hat er gezeigt."

Den Faktor Training stellte ein sichtlich zufriedener Vidal im Bauch der Arena ebenfalls in den Vordergrund: "Ich bin jetzt zu 100 Prozent fit, dafür waren die letzten beiden Wochen enorm wichtig", ordnete er seine Leistung ein, um dann selbstbewusst nachzuschieben: "Ich bleibe ruhig, egal was die Presse schreibt, denn ich kenne meinen Wert für die Mannschaft. Ich konzentriere mich nur auf mich und nicht darauf, was über mich gesagt wird."

Ein erstes Zeichen gegen die kritischen Stimmen in den Medien und vom Trainer hat der angeschlagene Krieger gegen Augsburg gesetzt. Ein Zeichen, wie wenig Bock er darauf hat, ins zweite Glied zu rücken.

"Ich hoffe, dass ich auch weiter in der Stammelf stehen werde", gab Vidal zu. Auftritte wie gegen Augsburg würden es Heynckes schwieriger machen, auf ihn zu verzichten. Sie würden es in wichtigen Spieler auch schwieriger machen, den vierten Offiziellen die rote 23 in die Tafel tippen zu lassen. Und wenn, dann nur als Belohnung.

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