Die Macht der dritten Ebene

Der BVB feiert seinen 1:0-Sieg über den FC Bayern
© Getty

Borussia Dortmund gewinnt das Spitzenspiel gegen den FC Bayern dank einer Qualität, die in dieser Saison nicht immer oberste Priorität hatte. Mit dem Sieg ist der BVB zurück im Titelrennen und hat das Momentum nun auf seiner Seite.

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Hans-Joachim Watzke versuchte, so sachlich wie möglich zu sein. Er sparte nicht mit Lob an den Gegner für ein großartiges Spiel. Die Zuschauer seien völlig zu Recht aus dem Häuschen. Eine persönliche Note schien sich der BVB-Boss bewusst zu verkneifen, nur kein schlechter Gewinner sein.

Es war aber durchaus zu sehen, wie sehr die Emotionen so kurz nach dem Abpfiff in Watzke noch köchelten. Der 57-Jährige ist nicht nur erster Mann im operativen Geschäft der Borussia, sondern auch ihr erster Fan. Und deshalb gab er dann doch noch zu: "Definitiv ist ein Sieg über Bayern das Schönste überhaupt."

Es passte auch viel zusammen für den BVB an diesem Abend. Da war zum einen der Siegtreffer durch Pierre-Emerick Aubameyang, vorbereitet von Mario Götze - per Beinschuss gegen Mats Hummels. Der aus der Münchner Diaspora zurückgekehrte Götze gegen den zum Feind abgewanderten Hummels. Das war schon die erste Schicht Balsam auf die Dortmunder Fanseele.

Die nächste Lage war die nicht gegebene, mögliche Gelb-Rote Karte für Marc Bartra. Ebenfalls nach dem Geschmack vieler Schwarz-Gelber, die sich in den letzten Spielen mehrmals mit nicht mit aller Härte geahndeten Aktionen von Franck Ribery auseinandersetzen mussten. Und dann stand am Ende ein mit viel Einsatz und Leidenschaft über die Zeit geretteter Sieg, der den Abstand auf Bayern auf drei und zu Tabellenführer RB Leipzig auf sechs Punkte schmelzen ließ.

Emotionalität statt Taktik

Da darf einem schon mal das Adrenalin durch den Körper schießen. Zumal Trainer Thomas Tuchel genau diese Komponente vor dem Spiel als entscheidend eingestuft hatte und sich auch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel bestätigt sah.

"Wir brauchen eine dritte Ebene", sagte Tuchel am Freitag. "Eine Emotionalität, eine Aggressivität in unserem Handeln, in unserem Verteidigen. Das kann man mit Willen und Leidenschaft herstellen. Wir gehen fest davon aus, dass das die Basis ist, um Bayern zu schlagen." Eine rein technisch und taktisch starke Leistung werde nicht reichen.

Am Samstag saß Tuchel nach der Partie im Presseraum des Signal-Iduna-Parks und erklärte in aller Kühle seiner Analyse den Erfolg zum Sieg der dritten Ebene. Es war ihm ein großes Anliegen, diese Komponente herauszustellen. Mehrmals sprach er von der "enormen Intensität", die seine Mannschaft nie verloren habe und dass sie nie nachgelassen habe.

"Unser Motto war: Egal was passiert, egal wie sehr wir leiden müssen, niemals aufgeben, immer weiter unterstützen, immer mutig bleiben und weiter verteidigen. Vor allem das Tor verteidigen am Ende", sagte Tuchel. "Wir haben den Bayern ein paar Halbchancen gestattet, aber wenig richtig große Chancen, vielleicht gar keine. Deshalb war es eine Top-Leistung von uns."

Einen schönen Vergleich fand Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc, der einen Sieg im "Atletico-Madrid-Style" gesehen hatte.

Tuchel sieht sich bestätigt

Es war insgesamt eine andere Herangehensweise als in allen Bundesligaspielen zuvor, in denen die Dortmunder als Favorit auftraten und das Spiel auch über Ballbesitz beherrschen wollten. Gegen Bayern war das nicht der Fall. Tuchel gab das Zentrum bewusst ab und vertraute auf andere Qualitäten.

"Wir wollen eigentlich immer das Zentrum dominieren, dieses Ziel haben wir uns aber heute nicht auferlegt", sagte Tuchel. "Wir wären sonst Gefahr gelaufen, diese Erwartung an uns selbst nicht erfüllen zu können. Und das wollten wir auf keinen Fall."

Julian Weigls Passspiel im Spiel gegen den FC Bayern: Der BVB-Sechser spielte nur 38 Pässe, sein Schnitt davor lag bei 85 Pässen pro Spiel

Ein wichtiger Schachzug aus Tuchels Sicht, um gefährlich zu bleiben und "uns selbst nicht zu überfordern". Dafür verzichtete er auf Gonzalo Castro ("Gonzo war ein Härtefall") an der Seite von Julian Weigl. Tuchel wollte "mit Schnelligkeit bedrohen", wie er es selbst nannte und die Nominierung von Andre Schürrle und Adrian Ramos erklärte.

Das Spiel habe ihn in seiner Annahme bestätigt. Die Bayern hätten technisch und taktisch ein Stück überlegen agiert, aber "die Mannschaft hat sich so präsentiert, wie man es sich nur wünschen kann. Was sie investiert hat, ist toll und das Ergebnis dafür zu bekommen, ist top".

BVB zieht Momentum auf seine Seite

Es war ein Sieg der Leidenschaft, des Willens und der Konzentration. Dinge, die in den schwierigen Wochen zuvor, als der BVB Punkte gegen Leverkusen, Hertha und Ingolstadt eingebüßt hatte, nicht immer in vollem Maße gegeben waren.

Auch deshalb kann sich Tuchel den Sieg gegen Bayern ans Revers heften. Er hat für diese Partie den richtigen Schlüssel gefunden und damit ungemütliche Diskussionen abgewendet. Denn bei einer Niederlage wäre der Abstand auf Platz eins schon unangenehm angewachsen. Diese Debatten führt man jetzt in München.

Und gleichzeitig scheint Dortmund für den Jahresendspurt das Momentum auf seine Seite gezogen zu haben, die Schwächephase des Oktobers ist offenbar beendet. Das kann in den anstehenden Spitzenspielen gegen Frankfurt, Köln und Hoffenheim positiv bemerkbar machen.

Tuchel kann sich sicher sein, dass sich seine technisch und taktisch gut geschulte Mannschaft auch wieder die nötige Mentalität mitbringt. Und die Mannschaft weiß, dass sie sich auf ihren Trainer und die Macht der dritten Ebene verlassen kann.

Dortmund - Bayern: Daten zum Spiel