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Stuttgarts Keeper Przemyslaw Tyton musste gegen Bremen insgesamt sechs Mal hinter sich greifen
© Getty

Der VfB Stuttgart hat im wichtigsten Spiel der jüngsten Vereinsgeschichte am 32. Spieltag der Bundesliga eine katastrophale Leistung gezeigt und rutschte so noch tiefer in den Abstiegssumpf. Die Personalsituation machte das Fiasko komplett. Werder Bremen gelang der Befreiungsschlag - auch dank des 12. Mannes.

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Selten wurde ein Spiel zweier Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel in der jüngsten Bundesliga-Geschichte derart hochstilisiert. Während sogenannte Abstiegsendspiele samstags neben Meisterfeiern und dem Kampf um Europa unterzugehen drohen, waren an diesem Abend alle Augen auf das Weserstadion gerichtet.

Sämtliche Faktoren passten einfach zu schön zusammen und schnürten ein wunderbares Fußball-Spektakel. Montagabend. Zwei Traditionsmannschaften. Die angespannte Konstellation in der Tabelle. Kurzum: Ein Spiel mit ganz speziellem Charakter.

Gar so, als würden sie sich auf ein Endspiel vorbereiten, waren beide Teams im Vorfeld von ihrer üblichen Routine abgerückt und fuhren ins Trainingslager. Stuttgart reiste nach Mallorca, um sich abgeschottet von der Außenwelt in aller Konzentration auf das Spiel vorzubereiten.

Zu ungewiss sei das Wetter in der Heimat. Keine Kosten und Mühen wurden gescheut, um das Team optimal vorzubereiten. Alles war bei den Schwaben angerichtet für dieses eine Spiel, das wohl wichtigste in der jüngsten Geschichte der Stuttgarter. Doch als das Spiel lief, versagten die sie auf ganzer Linie.

"Mir fehlen die Worte"

Mit 2:6 gingen die Schwaben im Kellerduell gegen den direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt unter und rutschen somit erstmals in der Rückrunde auf einen direkten Abstiegsplatz ab. "Es ist natürlich unerklärlich. Wir haben uns sehr gut auf das Spiel vorbereitet und waren top motiviert. Dann schenken wir das hier so her. Jedes einzelne Gegentor darf so nie passieren. Mir fehlen die Worte. Es ist natürlich unerklärlich", sagte der enttäuschte Daniel Schwaab nach dem Spiel.

"Das ist eine Schande. Wenn man 2:6 in Bremen verliert, hat man keine Argumente. Unser Zweikampfverhalten ist ein Witz", schimpfte Daniel Didavi. Nach vier Niederlagen in Folge und einem Sieg aus den letzten elf Spielen ist der VfB am Tiefpunkt angekommen. Hätte die Mannschaft das Spiel gegen den direkten Konkurrenten gewonnen, wäre der Verein im Abstiegskampf wohl aus dem Gröbsten raus gewesen. Durch die Pleite in Bremen fiel der VfB aber zwei Plätze zurück und hat nun die schlechtesten Karten im Kampf um den Klassenerhalt.

Schlechteste Abwehr der Liga

Dabei war die Welt vor etwas mehr als zwei Monaten noch mehr als in Ordnung. Nach einem Sieg gegen Hertha BSC hatte Stuttgart die Punkte 25, 26 und 27 eingesackt und schob sich in der Tabelle auf Rang zehn. Nach zahlreichen Jahren, in denen die Mannschaft gegen den Abstieg spielte, habe der VfB endlich mal endlich mal nichts mit diesem zu tun, dachte der gesamte Verein.

Doch nun, zehn Spieltag später, kam im Spiel gegen Bremen alles zusammen. Bereits vor dem Anpfiff musste Kapitän Christian Gentner verletzungsbedingt das Kommando abgeben. Da auch Serey Die seit Wochen auf der gleichen Position schmerzlich vermisst wird, sah sich Kramny ausgerechnet vor dem entscheidenden Spiel gegen Bremen gezwungen, seine Taktik umzustellen.

Schwaab wurde in einem 4-1-4-1 ins defensive Mittelfeld gezogen und war dort heillos überfordert. Dadurch musste auch die wacklige Innenverteidigung schon wieder angepasst werden. Im sechsten Spiel in Folge lief in der schwäbischen Abwehrzentrale unterschiedliches Personal auf. Ausgerechnet auf der so sensiblen Position in der Mitte der Abwehr ist der VfB von Kontinuität meilenweit entfernt. Dass Stuttgart mit 69 Gegentoren die schlechteste Abwehr der Liga hat und weit hinter dem breits feststehenden Absteiger Hannover 96 (59 Gegentore) liegt, spricht Bände.

Schlüsselspieler fehlt

Doch damit nicht genug mit dem VfB-Fiasko: Während des Spiels musste mit Daniel Didavi auch noch der offensive Schlüsselspieler schlechthin ausgewechselt werden. Diese Ausfälle konnte das Team weder offensiv noch defensiv abfangen und zerfiel in sämtliche Einzelteile. Ein Leader war weit und breit nicht zu finden.

Noch steht die Diagnose der Verletzungen von Gentner und Didavi aus. Sollten beide im Endspurt der Saison jedoch ausfallen, droht dem VfB ob der gezeigten Leistung der kopflose Absturz in die Zweitklassigkeit.

Dennoch muss festgehalten werden, dass das Ergebnis über den wahren Spielverlauf etwas hinwegtäuscht. Bremen war in den 90 Minuten nicht wirklich spielerisch überzeugender als der VfB. Die Norddeutschen nutzten lediglich ihre Chancen eiskalt aus und machten anders als der VfB keine haarsträubenden Fehler.

Unglaubliche Atmosphäre trägt Werder

Werder gelang im Abstiegskampf somit ein Befreiungsschlag. Einen Vorteil hatte das Bremer Team dabei sicherlich auf seiner Seite: die Fans.

Während nach einem Fanboykott nur 800 Stuttgarter Fans mit nach Bremen gereist waren, machten es sich fast 40.000 SVW-Anhänger unter dem Motto "Mors hoch" ("Hintern hoch") zur Aufgabe, 90 Minuten das Stadion aus den Angeln zu heben. Ein enormes Pfund im Abstiegskampf.

Speziell in der Anfangsphase ließen sich die Schwaben von dieser brutalen Atmosphäre beeinflussen. Viele Ungenauigkeiten schlichen sich ein, sodass ein geregelter Spielaufbau nie wirklich stattfand.

Selbst Skripnik wird emotional

Selbst der sonst eher trockene Werder-Coach Viktor Skripnik zeigte sich im Anschluss an die Partie ungewohnt emotional: "Ich hatte heute eine Gänsehaut. Das hat mich an die Meisterschaft 2004 erinnert. Bei einer solchen Kulisse muss man immer auch etwas zurückgeben. Heute war es ein großer Abend für uns."

Kapitän Fritz schlug in dieselbe Kerbe: "Man hat heute hier eine ganz besondere Atmosphäre gespürt. Eine ganze Stadt und eine ganze Region stehen hinter uns."

Ein erster Schritt zum Klassenerhalt ist für den SVW getan. Das Restprogramm lässt die Werder-Fans weiter hoffen. Am Wochenende spielt Bremen gegen im Niemandsland liegende Kölner, zum Abschluss gibt's erneut einen Abstiegskracher gegen Frankfurt.

Dieser Abstiegskracher steigt dann erneut im heimischen Weserstadion. Erneut vor dieser irren Fans. Was soll da schiefgehen?

Bremen - Stuttgart: Daten zum Spiel