Nächste Leistung zum Vergessen

Von Daniel Börlein
Michael Ballack wurde in Gladbach nach einer guten Stunde ausgewechselt
© Getty

Bayer Leverkusen holt bei Borussia Mönchengladbach einen Punkt in Unterzahl. Hört sich gut an - ist es aber nicht. Beim Werksklub passt momentan vieles nicht, auch im Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft.

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Es war wie beim Boxen. Der rechte Hammer schlug mit voller Wucht ein. Der Getroffene sank zu Boden und verlor für einen Moment das Bewusstsein. Ein klassischer Knockout. Verloren hatte Bernd Leno dennoch nicht.

Weil ihm Gladbachs Marco Reus beim letzten Borussen-Angriff des Spiels den Ball aus fünf Metern mit 106 Stundenkilometern ins Gesicht knallte, rettete Leverkusens Keeper seiner Mannschaft einen Punkt.

"Ich weiß gar nicht mehr, wie die Szene war", sagte der 19-Jährige. "Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern." Der Moment seiner Rettungstat war durch Reus' Plattschuss ausgelöscht, der Rest der Partie dagegen nicht. Leider, möchte man sagen. Denn Leverkusen hatte in Gladbach eine Partie zum Vergessen abgeliefert. Das 2:2 war völlig unverdient.

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"Wir hätten Nichts verdient gehabt"

"Wir waren klar unterlegen in diesem Spiel. Die Borussia hat alles besser gemacht, was wir uns vorgestellt hatten", gestand Andre Schürrle, der kurz vor Schluss den Ausgleich erzielt hatte. "Mit so einer Leistung hätten wir Nichts verdient gehabt."

Und dennoch nahm Bayer einen Punkt mit und liegt nun nach neun Spieltagen nur drei Zähler hinter Platz zwei. Nur: So enttäuschend wie in Gladbach präsentierte sich das Team von Trainer Robin Dutt nicht zum ersten Mal in dieser Saison.

Im Pokal schied man nach einer 3:0-Führung bei Zweitligist Dynamo Dresden noch aus, gegen Erzrivale Köln setzte es eine peinliche 1:4-Derbypleite vor eigenem Publikum und beim FC Bayern war man völlig chancenlos und mit 0:3 noch gut bedient.

Probleme: hinten und vorne

Insofern scheint das 2:2 in Gladbach ein Fortschritt zu sein. Allerdings: "Borussia hätte gut und gerne vier oder fünf Tore machen können und wir hätten uns nicht beschweren können", stellte Schürrle fest und untertrieb damit fast noch. Mit Ausnahme der ersten halben Stunde war Leverkusen Gladbach teilweise hoffnungslos unterlegen.

Die Vorstellung bei der Borussia war ein weiterer Beleg dafür, dass es in Leverkusen derzeit nicht stimmt - und zwar in ganz vielen Bereichen. "Wir haben schon die ganze Saison das Problem, dass wir keine konstruktiven Angriffe nach vorne spielen", wagte Schürrle eine sportliche Analyse. "Und wir haben in der Abwehr zu viele Stellungsfehler."

Auch nach über drei Monaten unter Dutt fehlen dem Team im Spiel nach vorne die Automatismen und nach hinten die Stabilität. Eklatant, wie einfach sich die Viererkette gegen Gladbach immer wieder aushebeln ließ und häufig hilflos hinterher rennen musste.

Dutt wie Labbadia?

Doch es sind nicht nur sportliche Dinge, die Anlass zur Sorge geben. Auch im Drumherum passt vieles nicht - in erster Linie im Verhältnis Trainer/Mannschaft. Öffentlich äußern will sich dazu niemand.

Doch hinter vorgehaltener Hand habe sich der eine oder andere über Dutts Methoden beschwert. Teile des Teams, so heißt es, würden mit dem Nachfolger von Jupp Heynckes ähnlich ungern zusammenarbeiten wie mit Ex-Trainer Bruno Labbadia, der den Verein vor zwei Jahren im Unfrieden verließ.

Zuletzt schien es, als habe Dutt einen Schritt auf die Mannschaft zugemacht, in dem er Fitnesscoach Holger Broich, den er zuvor ausgebootet hatte, auf Wunsch der Spieler wieder näher an die Mannschaft holte. Auch die Umstellung auf zwei Spitzen im Spiel gegen Wolfsburg soll auf Anregung des Teams erfolgt sein.

Jubel mit Renato Augusto

Richtig warm geworden sind Mannschaft und Trainer dennoch noch immer nicht. Gegen Wolfsburg jubelte das Team nach einem Treffer demonstrativ mit Renato Augusto, der zuvor von Klubchef Wolfgang Holzhäuser öffentlich kritisiert und von Dutt auf die Bank verbannt wurde.

Dutt mag von einem gestörten Verhältnis zur Mannschaft nichts wissen, gibt sich stets freundlich und aufgeschlossen. Auch von den Spielern gibt es dazu keinen Kommentar. Ohnehin ist es bislang - zumindest öffentlich - erstaunlich ruhig am Bayer-Kreuz.

Entweder Ballack oder Rolfes

Obwohl zahlreiche Führungsspieler regelmäßig auf die Bank müssen, hat noch keiner von ihnen in den Medien aufbegehrt. In Gladbach erwischte es, wie schon gegen Wolfsburg, Simon Rolfes, immerhin aktueller Kapitän und Nationalspieler.

Als der 29-Jährige eingewechselt wurde, musste Michael Ballack, bis dato zusammen mit Lars Bender bester Leverkusener Feldspieler, Platz machen. Wenig später durfte auch Eren Derdiyok noch für ein paar Minuten ran. Der Schweizer Nationalspieler wurde beim siebten Einsatz zum vierten Mal eingewechselt.

Noch nehmen die Teilzeitkräfte ihre Situation klaglos hin. Noch ist Bayer auch auf Tuchfühlung zu den Spitzenplätzen. Noch ist es in Leverkusen deshalb ruhig. Die Frage scheint derzeit allerdings: wie lange noch?

Gladbach - Leverkusen: Daten zum Spiel

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