Kein Präsident, kein Sportdirektor, kein Trainer?

SID
Ein Tor von Lukas Podolski (l.) war zu wenig für den 1. FC Köln
© Getty

Als das Handyklingeln im vollkommen überfüllten Presseraum der Augsburger Arena immer penetranter wurde, schaute Stale Solbakken kurz auf das Display. "Ach, das ist meine Frau. Die will bestimmt wissen, ob ich morgen noch eine Arbeit habe", sagte der Trainer des Krisenklubs 1. FC Köln mit einer ordentlichen Portion Selbstironie.

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Eine befriedigende Antwort konnte Solbakken seiner Gattin auf die Frage aller Fragen nach dem kampflosen 1:2 (1:2) beim FC Augsburg ohnehin nicht geben: Nach dem Sturz auf den Relegationsplatz scheint beim FC alles möglich - auch, dass nach dem Sportdirektor- und Präsidentenposten nun der des Trainers frei wird.

"Ich kann das Gelaber der Spieler nicht mehr hören. Das war ein Totalausfall der gesamten Mannschaft", schimpfte Geschäftsführer Claus Horstmann. Nun gebe es "einen Blumenstrauß an Möglichkeiten, wir müssen in Ruhe die Situation besprechen, um dann vor den englischen Wochen die richtigen Entscheidungen zu treffen". Interims-Präsident Werner Wolf kündigte im Deutschlandfunk eine Entscheidung am Sonntagnachmittag an. Eine Jobgarantie sieht anders aus - und immerhin wären Horstmann und Wolf beim führungslosen FC momentan die Männer, die Solbakken entlassen dürften.

Busstopp, Handgreiflichkeiten

Die kollektive Enttäuschung mussten aber vor allem die Spieler spüren, die im bayerischen Schwaben 90 Minuten Arbeitsverweigerung statt Abstiegskampf geleistet hatten. "Ihr seid keine Kerle", soll Horstmann im Bus zum Flughafen gebrüllt haben, bevor der Mannschaftsbus von 50 Fans gestoppt wurde. 20 Minuten diskutierten die FC-Anhänger unter Beobachtung von 200 Polizisten mit den Spielern, bei der Rückkehr am Geißbockheim soll es sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein: Chaos total in Köln.

"Wir haben nicht gekämpft, wir haben keine Torchancen gehabt, wir haben nicht Fußball gespielt", sagte der vollkommen bediente Lukas Podolski. Die dritte Niederlage in Serie setzte die sportliche Talfahrt fort: "Es geht hier um die Existenz des Klubs. Unser Ziel ist der Klassenerhalt. Da ist es traurig, dass im Verein schon für die nächsten Jahre geplant wird", führte der Nationalspieler fort.

Es dürfte Podolski auch ein Dorn im Auge sein, dass FC-Legende Toni Schumacher in seinem Wahlkampf um das Amt des Vizepräsidenten laut Horstmann auch bei der Trainerfrage "beratend zur Seite stehen soll". "Wir brauchen jetzt erstmal Punkte", sagte der 26-Jährige.

Grund für Optimismus im nach wie vor offenen Abstiegskampf gibt es derzeit wenig: Sieben Punkte aus elf Spielen sind das Eine, das mut- und ideenlose Auftreten der Mannschaft das Andere. "Wir haben nicht die Körpersprache, die man im Abstiegskampf braucht.

Ich habe keine Tugend als Argument gesehen, um im nächsten Jahr in der ersten Liga zu spielen", sagte Solbakken. Dass FCA-Trainer Jos Luhukay sein Team tatsächlich als "eine Nummer zu groß für Köln" bezeichnete, schrieb Bände. Solbakken betonte, "sehr enttäuscht" zu sein: "Das war nicht akzeptabel. Aber ich trage die Verantwortung dafür."

13 Trainer wurden im 21. Jahrhundert bereits verschlissen

An der Verantwortung in Köln scheiterten im 21. Jahrhundert bereits 13 Trainer. Solbakken wäre der vierte Coach, der in zwei Spielzeiten verschlissen wurde. "Ich weiß auch nicht, was noch passieren soll", sagte Torhüter Michael Rensing ratlos. "Der Trainer ist mit Herzblut dabei. Wir waren super eingestimmt. Es war alles abgesprochen."

Sicherlich waren aber auch mehr als zwei harmlose Torschüsse auf das Augsburger Tor abgemacht. Stattdessen sahen 30.660 Zuschauer nur die eigene Mannschaft spielen, die durch Ja-Choel Koo (19. Minute) und Nando Rafael (45.) per Foulelfmeter verdient die Punkte im Abstiegskampf sammelte. Podolskis Ausgleich vom Elfmeterpunkt (45.) hielt nur rund 120 Sekunden: "Aber das wäre auch nicht verdient gewesen", sagte er.

"Wir haben Angst"

"Wir haben Angst", sagte Kapitän Pedro Geromel - sicherlich auch, weil die Überraschungsmannschaft Augsburg durch den Sieg inzwischen bis auf Platz 14 an den Kölnern vorbeigezogen ist. "Das war pure Leidenschaft. Ich bin unglaublich stolz", sagte Luhukay nach dem sechsten Spiel in Folge ohne Niederlage.

Mut für das anstehende Mammutprogramm mit dem Derby gegen Bayern München machen vor allem die phasenweise spielerisch hochwertigen Szenen. "Kämpfen tun wir noch immer. Aber nebenbei haben wir jetzt auch fußballerisch gute Möglichkeiten", erklärte Kapitän Paul Verhaegh.

Köln kann von Glück reden, dass nächste Woche nicht die Bayern, sondern "nur" Bremen zu Gast ist. Ob Solbakken dann noch auf Bank sitzt, sei dahingestellt - aber er hofft: "Im Fußball geht es schnell, in Köln noch schneller. Drei Punkte gegen Bremen - und wir spielen in Europa." Selbstironie hat noch niemandem geschadet.

Augsburg - Köln: Daten zum Spiel

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