Der perfekte Abend

Von Stefan Rommel
Borussia Mönchengladbach hat den FC Bayern in dieser Saison zwei Mal besiegt
© Getty

So richtig wusste man Borussia Mönchengladbach nicht einzuschätzen nach der Winterpause. Sollten die angekündigten Wechsel von Marco Reus und Roman Neustädter Fans und Mannschaft verunsichern? Nein. Ganz im Gegenteil: Gladbach spielte das, was die beste Hinrunde seit 35 Jahren einbrachte. Und der FC Bayern München wusste kein Mittel dagegen einzusetzen. Und ganz nebenbei hat sich ein Reus-Nachfolger erneut in den Fokus gespielt.

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Reaktionen:

Trainer Lucien Favre (Borussia Mönchengladbach): "Wir haben taktisch sehr gut gespielt und sehr kompakt gestanden. Es war schwer für Bayern, eine Lücke zu finden. Wir haben ohne viele Fouls sehr gut verteidigt. Meine Mannschaft hat das sehr gut gemacht. Es war wichtig, wieder drei Punkte gegen die Bayern zu holen."

Trainer Jupp Heynckes (Bayern München): "Ich habe vorher bereits gesagt, dass Mönchengladbach eine sehr gut organisierte Mannschaft ist, die auch sehr gut kontern kann. Mit dem frühen Gegentor haben wir Gladbach in die Karten gespielt. Der Knackpunkt war kurz vor der Pause das 0:2. Danach war es schwer zurückzukommen. Wir waren heute nicht in der Lage, uns im entscheidenden Moment durchzusetzen."

Marco Reus (Borussia Mönchengladbach): "Das war heute ein harter Kampf für uns. Wir wussten, dass wir über Konter kommen mussten. Das haben wir zwei-, dreimal geschafft. Der Trainer hat uns hervorragend eingestellt."

Philipp Lahm (Bayern München): "Wir waren nicht schlechter, haben aber verloren. Wir haben zu viele Fehler gemacht, da braucht man sich nur unsere Gegentore anschauen. Wir sind enttäuscht, weil wir uns heute sehr viel vorgenommen hatten, aber nichts davon umsetzen konnten."

Nachbetrachtung:

Es war der perfekte Abend für Borussia Mönchengladbach, aber das sind Abende mit Siegen über den FC Bayern eigentlich immer. Nur war dieser noch einen Tick aufregender.

Die Winterpause hatte der Borussia viele Rätsel hinterlassen und auch ein paar Unwägbarkeiten. Die Reaktion der Mannschaft auf die angekündigten Wechsel von Marco Reus und Roman Neustädter kannten die Verantwortlichen ja bereits - die der Zuschauer auf die beiden Abtrünnigen noch nicht.

Würde die Mannschaft ihre spektakuläre Form der Vorrunde konservieren können? Stellen sich die Gegner jetzt besser auf die wenig überraschende Spielausrichtung ein?

Die Antworten lieferte Borussia Mönchengladbach auf eindrucksvolle Art und Weise und so, dass den anderen 16 Gegner in der Rückrunde mitunter Angst und bange werden konnte. Die Borussia verteidigte mit zwei dicht aneinander stehenden Viererketten, davor störten Reus und Mike Hanke beharrlich oder verstärkten die Mittelfeldreihe.

Bayern München, sowohl mit einem geordneten Aufbauspiel als auch großer individueller Klasse üppig ausgestattet, fand keinen Weg hindurch. Gladbach gewährte seinen Gästen kein Tempo bei deren Angriffen. Vielleicht wollten die Bayern auch gar nicht immer das höchste Tempo gehen.

Denn das Perfide am Gladbacher Spiel ist ja auch, dass sich der Gegner kaum noch traut, geschlossen und risikoreich nachzurücken - weil jeder Ballverlust gleichbedeutend ist mit einem gefährlichen Gegenangriff.

Es ist das Gladbacher Umkehrspiel, das bisher immer stiefmütterlich behandelt wurde in der Manie um Reus, Favre oder das Abwehrbollwerk mit lediglich zwölf Gegentoren bisher. Was sich dort aber abspielt, ist teilweise fantastisch.

Die Borussia geht im Kombinationsspiel in höchstem Tempo volles Risiko, ohne dabei die defensive Absicherung zu vergessen. Es genügen drei, maximal vier Spieler, die sich im Vollsprint dem gegnerischen Tor nähern und den Ball mit so wenigen Kontakten wie möglich weiterleiten.

Da Gladbachs Spiel auf wenig eigenen Ballbesitz ausgelegt ist, trifft es sich gut, dass das viel zitierte aber selten beleuchtete "Spiel ohne Ball" in Mönchengladbach absolut perfekt abläuft. In der Defensive sind die Räume fast immer so besetzt, dass dem Gegner kein Platz mehr bleibt für Pass- und Laufwege.

Und in der Offensive werden Räume erst geschaffen, um die dann im richtigen Moment und mit Tempo anzulaufen.

"Wir haben jetzt seit knapp einem Jahr nicht zu Hause verloren, das ist nicht umsonst so. Wir haben heute eine riesige taktische Leistung hingelegt und das war der Schlüssel", sagte Mike Hanke nach dem Spiel.

Die Beteiligten blieben bei ihrem gewohnten Understatement, aber dieses erste Spiel im neuen Jahr unterstreicht auch, dass es weiterhin sehr schwer sein wird, diese Borussia zu schlagen. Und dann drängt sich zwangsläufig auch die Frage auf, wie und wo das alles enden soll?

So richtig wohlig wird es allen Gladbacher Fans beim Gedanken daran, wie optimal alles verlaufen ist gegen die Bayern. Dass Manuel Neuer dem unter der Lupe spielenden Reus einen Gefallen tat. Das Tor zum 1:0 machte all jene schnell stumm, die vielleicht insgeheim doch hatten pfeifen wollen.

Reus spielte wie immer und nebenbei präsentierte sich den rund 60.000 im Borussia Park und einigen hundert Millionen TV-Zuschauern auf der ganzen Welt bereits dessen Nachfolger. Ganz so, als wollte die Borussia die Live-Übertragung in aller Herren Länder nutzen, um mal einiges klarzustellen.

Patrick Herrmann spielt sich in Reus' Schatten immer weiter in den Fokus, die Fans bekommen immer mehr das Gefühl, dass da längst ein legitimer Nachfolger heranwächst und sich mit Hilfe des Trainers Lucien Favre offenbar wöchentlich verbessert.

Gladbach - Bayern: Daten zum Spiel

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