Irres Spiel beim Meister

Von Florian Bogner / Markus Matjeschk
Die Vorentscheidung: Dr. Felix Brych zeigt Wolfsburgs Keeper Diego Benaglio (r.) die Rote Karte

Meister VfL Wolfsburg hat am 5. Spieltag der Bundesliga die dritte Niederlage in Folge hinnehmen müssen. Gegen Bayer Leverkusen kamen die Wölfe vor eigenem Publikum mit 2:3 (0:1) unter die Räder.

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Vor 30.000 Zuschauern in der ausverkauften Volkswagen Arena sorgte VfL-Keeper Diego Benaglio für den ersten Aufreger, als er in der 32. Minute Eren Derdiyok außerhalb des Strafraums foulte und von Schiedsrichter Dr. Felix Brych mit Rot vom Platz geschickt wurde.

Bayer-Kapitän Simon Rolfes nutzte anschließend eine Verwirrung im Wolfsburger Strafraum zur Gästeführung (38.). Nach der Halbzeit verwandelte Rolfes einen Elfmeter nach Foul von Andrea Barzagli an Derdiyok zum 2:0 (50.), ehe Derdiyok nach Foul an Barzagli mit Gelb-Rot vom Platz flog (52.).

Nur fünf Minuten später machte dann Stefan Kießling mit seinem sechsten Saisontreffer zum 3:0 nach feiner Vorarbeit von Renato Augusto alles klar. Die Treffer von Zvjezdan Misimovic (76.) und Grafite (80., Elfmeter) kamen zu spät.

Mit 13 Punkten liegt Leverkusen nun punktgleich mit Tabellenführer Hamburg auf Platz zwei. Wolfsburg bleibt mit sechs Punkten im unteren Mittelfeld der Tabelle.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Wolfsburg im Vergleich zum 0:3 in München auf drei Positionen verändert: Josue ist zurück auf der Sechs, Hasebe und Martins beginnen für Dejagah und Dzeko. Heynckes muss hingegen nur den verletzten Kadlec ersetzen. Für ihn spielt Sarpei.

11.: Misimovic will in den Strafraum passen, von Vidal prallt die Kugel in den freien Raum. Martins ist da, verfehlt das Tor aber aus 16 Metern um Zentimeter.

19.: Mit einem Seitenwechsel entblößen die Wölfe die rechte Leverkusener Abwehrseite. Castro ist viel zu weit weg von Gentner, der den Ball vom Strafraumeck mit links am langen Eck vorbei schießt.

27.: Renato Augusto bekommt einen feinen Flugball von Rolfes zugespielt. In halbrechter Position donnert er den Ball aus spitzem Winkel aufs lange Eck. Benaglio legt die Kugel mit den Fingerspitzen drüber.

32., Rot für Benaglio: Ganz strittige Angelegenheit. Benaglio klärt innerhalb des Strafraums mit dem Kopf gegen Kießling und will dann außerhalb gegen Derdiyok retten. Leverkusens Stürmer legt den Ball vorbei und Benaglio grätscht ihn im Sprung um. Veh nimmt Hasebe runter und bringt Ersatztorwart Lenz.

38., 0:1, Rolfes: Ganz bitter für Wolfsburg, besonders für Lenz. Nach einem Eckball von rechts klärt der Ersatzkeeper zweimal glänzend gegen Derdiyok und Kießling. Gegen den dritten Nachschuss von Rolfes aus kurzer Distanz ist Lenz dann ohne Abwehrchance.

Halbzeit-Fazit: Leverkusen auch schon vor Benaglios Platzverweis mit mehr Ballbesitz (58 Prozent), nach dem Platzverweis kam das noch mehr zum Tragen.

50., 0:2, Rolfes (Elfmeter): Barzagli hält Derdiyok im Strafraum am Arm fest. Gelb und Elfmeter. Rolfes verwandelt eiskalt oben rechts. Sein erster Doppelpack seit Februar 2008.

52., Gelb-Rot für Derdiyok: Nur vier Minuten nach der ersten Gelben nach einem Foul an Martins springt Derdiyok an der Mittellinie ungestüm in Barzagli. Wenn Benaglios Einsatz Rot war, war das auch Gelb - und damit geht der nächste Schweizer duschen.

58., 0:3, Kießling: Ganz starker doppelter Doppelpass zwischen Renato Augusto und Kießling, der vier Wolfsburger wie Pilonen aussehen lässt. Am Ende muss Leverkusens Torjäger die Kugel nur noch lässig ins leere Tor schieben. Fünfter Saisontreffer!

63.: Castro fast mit dem 4:0! Aus 15 Metern versucht es Leverkusens Verteidiger mit rechts, sein Schuss wird abgefälscht und klatscht an den Pfosten.

74.: Leverkusen kontert, Vidal steht halblinks völlig frei vor Lenz, schießt aber den Keeper an.

76., 1:3, Misimovic: Freistoß aus 20 Metern, schön mit rechts über die Mauer in den rechten Winkel gezirkelt. Dritter Saisontreffer.

80., 2:3, Grafite (Elfmeter): Sarpei hält Dzeko am Elferpunkt von hinten fest, der stürzt zu Boden. Den Elfer kann man geben. Grafite macht's, links unten. Zweiter Saisontreffer.

Fazit: Leverkusen siegt verdient beim Meister, auch wenn dieser durch den Platzverweis von Benaglio früh geschwächt wurde. Der VfL wachte einmal mehr viel zu spät auf.

Der Star des Spiels: Renato Augusto. Der Brasilianer ist nach seiner schöpferischen Auszeit in der Rückrunde unfassbar stark aus der Vorbereitung gekommen. Diesmal wirbelte der 21-Jährige auf der rechten Seite Marcel Schäfer ein ums andere Mal schwindelig (über 60 Prozent gewonnene Zweikämpfe, über 80 Prozent Passquote).

Die Gurke des Spiels: Marcel Schäfer. Einmal Nationalmannschaft und zurück - der Linksverteidiger der Wölfe wirkt in den letzten Wochen zunehmend saft- und kraftlos. Gegen Augusto hatte er defensiv kaum eine Schnitte, nach vorne war Schäfer ein Totalausfall. Konsequenz: nach 56 Minuten ausgewechselt.

Die Pfeife des Spiels: Dr. Felix Brych. Hatte es anhand vieler kniffliger Szenen zugegeben schwer, den Überblick zu behalten, war beim Strafmaß aber insgesamt zu hart. Benaglios Foul war keine Notbremse und auch kein zu grobes Foulspiel, Gelb wäre richtig gewesen. Durch die harte Entscheidung litt seine Linie. Ergebnis: fünf Gelbe, einmal Gelb-Rot und Rot. Das war zu viel des Guten.

Die Lehren des Spiels: Bayer Leverkusen hat den ersten großen Brocken in dieser Saison aus dem Weg geräumt, hätte sich in der Schlussphase aber beinahe noch selbst um den Lohn der guten Arbeit gebracht. 70 Minuten lang spielte Bayer unaufgeregt und schnörkellos nach vorne, dann kamen die Angst und die Unordnung.

Bis dahin war vor allem das Mittelfeld dem der Wölfe meilenweit überlegen: Rolfes und Vidal räumten in der Mitte resolut auf, Augusto kurbelte vorne an und bestach durch wunderbare Pässe.

Im Angriff läuft die Absprache zwischen Kießling und Derdiyok immer besser. Während Kießling meist in die Tiefe geht, lässt sich Derdiyok geschickt fallen und verwertet dann die Ablage oder den zweiten Ball.

Wolfsburg muss sich den Vorwurf gefallen lassen, zum x-ten Mal die erste Stunde des Spiels schlichtweg verschlafen zu haben. Weil die Außenverteidiger meist gebunden waren, ging über die Flügel nichts. Grafite wich oft an die Linie aus, was allerdings für Unterzahl im Zentrum sorgte.

Mit zehn Mann und einem Mittelfeldspieler weniger war es zudem fast unmöglich, die gute Raumaufteilung der Leverkusener in der Rückwärtsbewegung zu überlisten. Misimovic war einmal mehr bemüht, spielte aber zu viele Fehlpässe. Und im Angriff gehen die Bälle nicht mehr rein, die letzte Saison noch drin waren.

Wolfsburg - Leverkusen: Daten zum Spiel