Maradona in der Provinz?

Von Haruka Gruber
Zweitliga-Aufstieg, Bundesliga-Aufstieg, Herstmeister, Absturz - und jetzt? 1899 vor der Saison
© Getty

Wenige Tage vor dem Start der Bundesliga stellt SPOX alle 18 Klubs in der großen Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: 1899 Hoffenheim.

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Er klingt verdächtig nach Ralf Rangnick mit seinem selbstbewusst-ambitionierten Duktus. Er spricht von Innovation, Kreativität und dem Bestreben, irgendwann die Nummer eins in Deutschland zu sein.

Dabei ist Frank Biel bei 1899 Hoffenheim gar nicht der Cheftrainer, sondern der Leiter der kaufmännischen Abteilung. Dennoch verfolgt Biel ähnliche Ambitionen wie Rangnick: "Wir wollen sogar in der Buchhaltung best of class sein."

Es passt zum Selbstverständnis eines Vereins, der als Aufsteiger Herbstmeister wurde, bereits nach einem Jahr Erstklassigkeit als Ziel die Top fünf ausgibt und in Rekordzeit eine Mannschaft aufbaute, die zu den talentiertesten Deutschlands gehört.

Das ist neu

Kaum ein Bundesligist scoutet derart gründlich wie Hoffenheim. Das Resultat: Mit dem pfeilschnellen Maicosuel, die Entdeckung der brasilianischen Liga, und Torjäger Prince Tagoe kommen zwei Spieler für die Offensive, die unbekannt, dafür aber umso begabter sein sollen.

Für die Abwehr wurden die erfahrenen Josip Simunic und Christian Eichner verpflichtet, als der größte Coup könnte sich jedoch der Transfer des erst 18-jährigen Franco Zuculini erweisen (Der Kader von 1899 Hoffenheim).

Der defensive Mittelfeldspieler genießt bei Diego Maradona ein derart hohes Ansehen, dass ein Besuch des argentinischen Nationaltrainers im beschaulichen Sinsheim während der Saison wahrscheinlich erscheint. "Franco wird einer der Stars der kommenden WM", schwärmt Maradona.

Die Taktik

Flexibel switcht Rangnick je nach Personal und Gegner zwischen dem 4-4-2 mit Raute und dem 4-3-3. Dementsprechend vielseitig war auch das Anforderungsprofil für die Neuzugänge. Tagoe kann im Sturm alle Positionen besetzen, Maicosuel pendelt zwischen Sturm und offensivem Mittelfeld und Zuculini ist ein Achter und Sechser in einem.

Wichtiger als die taktische Formation auf dem Papier ist jedoch das fußballerische Selbstverständnis, mit der jeder Spieler Rangnicks Philosophie umsetzen soll. Egal ob 4-4-2 oder 4-3-3: Wenn nur ein Glied in der Mannschaft das extreme Pressing und Verschieben verweigert, gerät das gesamte Konzept ins Wanken. Wenn hingegen alle Räder ineinandergreifen, entfaltet Rangnicks Offensivtaktik eine derartige Eigendynamik, dass sie von kaum einem Gegner zu bremsen ist.

Der Spieler im Fokus

Vedad Ibisevic. Seine 18 Hinrunden-Tore gingen Hoffenheim selbstredend in der Rückrunde ab. Doch Ibisevic' Verlust ließ sich nicht auf die Treffer reduzieren. Anders als sein Flop-Ersatz Boubacar Sanogo arbeitet der Bosnier viel nach hinten mit und interpretiert seine Mittelstürmer-Rolle sehr uneitel. Mehr noch: Dank seiner zuvorkommenden Art und seines Sprachtalents profilierte er sich in der Hinrunde als einer der Führungsspieler.

Einziges Fragezeichen: Wie gut ist Ibisevic nach seinem Kreuzbandriss? "Es fehlt an der Feinabstimmung, am Gefühl für die Situation. Wann kommt der Ball? Wann muss ich starten", erklärt Rangnick den Leistungsstand seines besten Angreifers. Trotzdem ist Ibisevic' Einsatz zum Auftakt gegen den FC Bayern ein Thema. Sein letztes Tor erzielte er übrigens gegen - die Bayern.

Das Interview

Frage: In der Hinrunde der letzten Saison begeisterte Hoffenheim, in der Rückrunde gab es aber einen Einbruch. Macht die Mannschaft den nächsten Schritt nach vorne?

Rangnick: Ich sehe die Möglichkeit, dass es so kommt. Durch die Neuen wird der Konkurrenzkampf härter, das ist gut. Einige junge Spieler haben mir beim 1:0-Sieg gegen Panathinaikos Athen viel Spaß gemacht. Obwohl vier Spieler gefehlt haben, konnten wir zwei komplette Teams aufbieten. Kurzum: Wir sind auf einem guten Weg.

Das ganze Interview mit Ralf Rangnick zum Nachlesen!

Die Prognose

Die sportliche Führung will sich nicht so recht entlocken lassen, dass Hoffenheim den Anspruch hat, diese Saison mindestens auf Platz fünf zu beenden: "Es wäre nicht schlecht, wenn wir uns ein, zwei Plätze verbessern. Die Möglichkeit, die Mannschaft zusammenzuhalten, steigt, wenn wir die Europaliga erreichen", sagt etwa Rangnick. Eine Ausnahme macht immerhin Gesellschafter Dietmar Hopp, der bereits vor einigen Wochen bekanntgab: "Die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb wird in der nächsten Saison unsere Vorgabe sein."

Und warum auch nicht? Hoffenheim brach in der Rückrunde unter anderem deswegen ein, weil der Kader zu unerfahren und zu dünn war. Genau diese beiden Schwachstellen wurden mit Transfers ausgemerzt.

Außerdem ist die verloren geglaubte Harmonie zurückgekehrt. Der abwanderungswillige Demba Ba geht auf Versöhnungskurs, der umworbene Carlos Eduardo verlängerte seinen Vertrag und die im Frühling verstrittenen Hopp und Rangnick beendenten ihren Zwist.

Rangnick: "Ich habe mich in meiner gesamten Karriere noch nie so wohl gefühlt wie jetzt in Hoffenheim."