BVB - Junior Flores bei Borussia Dortmund: Das Schicksal des Vorreiters von Pulisic und Co.

Von Jochen Tittmar / Stanislav Schupp
Junior Flores beendete 2018 nach der Zeit beim BVB seine Karriere.
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Junior Flores geht heute gewissermaßen als Vorreiter für viele weitere internationale Jugendtransfers von Borussia Dortmund durch. Das Schicksal erwischte das ehemalige BVB-Talent schwer. Sein damaliger U19-Trainer erinnert sich an den US-Amerikaner, der 2013 nach Deutschland wechselte.

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Nein, der erste US-amerikanische Spieler in der Geschichte von Borussia Dortmund war Junior Flores nicht. Jovan Kirovski machte 1996 den Anfang, fünf Jahre später folgte dem heutigen technischen Direktor von L.A. Galaxy der Stürmer Conor Casey. Das war eine andere Zeit, beide Spieler sollten auf Anhieb die Profimannschaft des BVB verstärken - was nicht gelang.

Es brauchte nach Casey erst eine Beinahe-Pleite und weitere Jahre, ehe die Borussia ein umfassendes Scouting-Netz in der Welt aufspannte und vor allem damit begann, den Blick auch auf den internationalen Nachwuchsbereich zu legen. So stieß man letztlich auf Flores, mit dem 2012 eine Einigung erzielt werden konnte und dessen Wechsel ein Jahr später offiziell verkündet wurde.

Als Flores den Dortmundern auffiel, war er 15 Jahre alt. Heute geht er gewissermaßen als Vorreiter für viele weitere Jugendtransfers aus dem Ausland durch. Im Februar 2015 folgte ihm mit Christian Pulisic ein Landsmann, der ins BVB-Nachwuchsleistungszentrum wechselte und Teil der U17 wurde. Seitdem lässt sich die Reihe mit Spielern wie Jacob Bruun Larsen (von Lyngby), Immanuel Pherai (Alkmaar), Kamal Bafounta (Nantes), Giovanni Reyna (New York) oder Bradley Fink (Luzern) fortsetzen.

Es war 2011, der BVB befand sich gerade auf dem Weg zum Gewinn der deutschen Meisterschaft, als Flores bei einem internationalen Freundschaftsturnier der U17-Nationalmannschaften in den USA zum besten Spieler gewählt wurde. Der Zehner vereinte Technik mit Spielkontrolle und zählte nach dem Gewinn der Virginia A State Championship mit dem Team der Manassas Park High School im selben Jahr bereits zu den besten Nachwuchsspielern des Landes.

Junior Flores: Subotic machte Werbung für den BVB

Die MLS bot Flores, 1996 als Sohn von Eltern aus El Salvador in Los Angeles geboren, kurz darauf einen Vertrag beim Förderprogramm Generation Adidas mit einem niedrigen Grundgehalt und beträchtlichen Prämien an. Im Herbst 2011 zog er schließlich in die U.S. Soccer Development Academy nach Bradenton, Florida, wo er fester Teil der amerikanischen U17-Auswahl wurde.

Die Washington Post erwischte die Verantwortlichen des BVB dann auf dem falschen Fuß. Die Zeitung zitierte Flores' Vater Oscar, der freimütig bestätigte, dass sein Sohn für vier Jahre in Dortmund unterschrieben habe - nachdem auch Paris St.-Germain und der FC Liverpool Interesse signalisiert hatten.

"Wir haben eine Menge Anrufe aus der MLS bekommen. Aber es war weniger Geld, als Dortmund geboten hat. Wir sind sehr glücklich und können es noch gar nicht glauben", sagte Flores senior. Auch Innenverteidiger Neven Subotic hatte Werbung für die Borussia gemacht, Flores und er hatten in Steve Kelly denselben Berater. BVB-Sportdirektor Michael Zorc war bemüht zu dementieren, wirklich einfangen ließ sich die Sache nach diesen unzweideutigen Aussagen aber nicht mehr.

Junior Flores trainierte auch unter Jürgen Klopp mit

Der Vertrag für den Mittelfeldspieler trat aufgrund der FIFA-Statuten und des US-Arbeitsrechts jedoch erst ab Flores' 18. Lebensjahr im März 2014 in Kraft. Vereinbart wurde dabei, dass sich Flores schon vorab mit dem neuen Umfeld vertraut machen und auch erste Einheiten absolvieren soll.

Das tat er dann direkt bei der zweiten Mannschaft des BVB. Nach einem ersten Kennenlernbesuch im Mai 2013, Flores schaute sich auch vor Ort in London das Champions-League-Finale gegen den FC Bayern an, war er ein paar Wochen später bereits bei der Sommer-Vorbereitung der U23 unter David Wagner dabei und trug in Testspielen erstmals das schwarzgelbe Trikot. Anschließend verstärkte er beim Ruhr-Cup International die U19 dank einer Gastspielgenehmigung. "Ein richtig guter Junge", sagte damals Edwin Boekamp, Leiter der BVB-Nachwuchsabteilung.

"Ich wollte unbedingt nach Deutschland. Das Level hier ist extrem hoch und die Spieler technisch und physisch sehr gut ausgebildet", lautete Flores' erstes Zwischenfazit. Auch bei den Profis unter Jürgen Klopp durfte er Einheiten mitmachen. Während einer Länderspielpause im Oktober 2013 kam er bei einem 2:1-Testspielsieg gegen Köln zu seinem ersten Einsatz für die Erste.

Flores' Ex-Trainer: "Seine Mentalität war vorbildlich"

Da ihm die Spielgenehmigung vor seinem 18. Geburtstag fehlte, holte er sich vor allem Minuten bei der U19. Sein damaliger Trainer Marc Meister erinnert sich im Gespräch mit SPOX und GOAL: "Da für Junior alles neu war und er einen langfristigen Vertrag hatte, war die U19 für ihn ein Segen. Dort konnte er in Ruhe ankommen. Er ist schnell zum Leistungsträger avanciert. Ich sah ihn als Spieler für die offensive Dreierreihe, als Umschaltspieler. Dort hat er sehr gute Leistungen gezeigt."

Flores bestach vor allem dank einer Eigenschaft, die gut zum Verein und dem damaligen Spielstil unter Klopp passte: "Er hat ein unheimliches Gift gegen den Ball entwickelt. Er hat sich nichts gefallen lassen, sich nicht geschont, hat den Gegner dauernd gestört - wir hatten wenige Spieler, die so eine Haltung an den Tag gelegt haben. Seine Mentalität war vorbildlich für die Truppe", sagt Meister.

Nachdem Flores volljährig wurde und somit den undankbaren Trainings- und Wartemodus beenden konnte, ließ sich seine Premierensaison durchaus sehen: In jedem seiner 25 Pflichtspiele für die U19 stand Flores in der Startelf, fünf Tore und eine Vorlage gelangen ihm dabei. Im April 2015 debütierte er für sieben Minuten auf Profiniveau, als er für die U23 bei einer Niederlage gegen die Stuttgarter Kickers in der 3. Liga eingewechselt wurde.

In der Saison darauf sollte er genau dort Fuß fassen, kam am Ende allerdings nur auf enttäuschende 239 Spielminuten in 14 Pflichtspielen. "Das hat durchaus eine gewisse Aussagekraft", sagt Meister. "Juniors Spielverhalten war Fluch und Segen. Im Vergleich zu seinen Konkurrenten hat ihm in puncto Endschnelligkeit und Torgefahr etwas gefehlt. Er war keine Tormaschine oder ist seinen Gegnern reihenweise weggerannt. Gerade auf dem Niveau sucht man als Trainer bei einem Spieler nach einem absoluten Unterschiedsmerkmal. Bei Junior war es ein Mix aus vielen Sachen, aber es waren weder die Schnelligkeit noch das gegnerüberwindende Dribbling oder die Ballan- und mitnahme, die herausstachen."

BVB-Talent Junior Flores: Karriereende mit 22

Erschwert wurde Flores' Entwicklung von ständigen kleineren Blessuren und größeren Rückschlägen, die letztlich sein Schicksal als Fußballer besiegelten. Mit einem Syndesmosebandriss verpasste er über die Hälfte der Saison 2016/17 komplett und als er wieder fit war, reichte es allenfalls für einen Platz im U23-Kader. Als er sich dann im Februar 2018 bei einem Testspiel gegen Westfalia Herne einen Kreuzbandriss zuzog, war dies die eine Verletzung zu viel.

Dortmund verlängerte seinen auslaufenden Vertrag nicht, unterstützte ihn aber noch über den Sommer hinaus bei seinem Genesungsprozess. Einige Zeit lang war noch ein Wechsel in die MLS ein Thema, doch Flores hatte einzusehen, dass sein Knie nie mehr den Anforderungen standhalten würde. Mit nur 22 Jahren musste er seine Karriere beenden.

"Er war mit vielen guten Dingen ausgestattet", blickt Meister zurück. "Es muss aber immer sehr viel zusammenkommen: Er muss verletzungsfrei bleiben, Spielzeit bekommen und seine Qualitäten verfeinern. Zum anderen braucht er das passende Umfeld mit einem Trainer, der absolut auf ihn zählt und das in ihm sieht, was man in ihm bei seiner Verpflichtung gesehen hat. Der Spieler muss sich natürlich kontinuierlich weiterentwickeln können und dürfen. Wenn man ihn mit Christian Pulisic vergleicht, war dieser zum Zeitpunkt von Juniors Abschied einfach weiter in seiner Entwicklung. Junior hatte leider mehrfaches Verletzungspech."

Dieses war am Ende der Grund dafür, dass die Rechnung mit Flores für den BVB nicht aufging. Der US-Amerikaner diente dennoch als eines der ersten Anzeichen dafür, dass es sich lohnt, im internationalen Nachwuchsscouting weiter am Ball zu bleiben. Der Ertrag: Nur wenige Jahre später hat sich Borussia Dortmund zur ersten Anlaufstelle für ausländische Top-Talente entwickelt.

Junior Flores im Juli 2013 zusammen mit BVB-II-Trainer David Wagner.
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Junior Flores im Juli 2013 zusammen mit BVB-II-Trainer David Wagner.

BVB: Junior Flores - Steckbrief und Leistungsdaten

Geburtsdatum (Alter)26.3.1996
NationalitätUSA
Größe1,69 Meter
Positionoffensives Mittelfeld
U19-Spiele/Tore (für BVB)25/5
U23-Spiele/Tore (für BVB)15/0
Ehemalige VereineLMVSC Hawks, Great Falls Rangers, IMG Bradenton