Hertha-Juwel Luca Netz: Auf der Überholspur ausgebremst

Von Dennis Melzer
Luca Netz zählt zu den größten Talenten des deutschen Fußballs. Aktuell kämpft er jedoch mit einer schweren Verletzung - wieder einmal.
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Luca Netz zählt zu den größten Talenten des deutschen Fußballs. Aktuell kämpft er jedoch mit einer schweren Verletzung - wieder einmal.

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"Hertha-Schock", titelte das Berliner Medium BZ Ende März dieses Jahres, als Luca Netz, der aufgehende Fußball-Stern der Hauptstadt, einen Mittelfußbruch im Training erlitten hatte. Operation, Saison-Aus, der zweite herbe Verletzungsrückschlag für den erst 17 Jahre alten Youngster binnen eines Jahres.

Bereits im Juni 2020 hatte sich der verheißungsvolle Linksfuß einen Fußbruch zugezogen, musste in der Folge drei Monate lang pausieren. "Das ist sehr traurig, vor allem, weil es schon die zweite schwerwiegende Verletzung innerhalb kürzester Zeit ist", sagt DFB-Nachwuchs-Trainer Christian Wück, der Netz seit der U15-Nationalmannschaft begleitet, im Gespräch mit SPOX und Goal. Wück schiebt nach: "Aber das zeigt, dass die Karriere nicht immer geradewegs verläuft, sondern häufig auch von Umwegen gespickt sein kann."

Umwege suchte man in der noch jungen Karriere des Luca Netz lange Zeit vergebens. Im Berliner Stadtteil Buch geboren, machte Netz seine ersten fußballerischen Gehversuche beim FSV Bernau, für den sein Vater Andre in der zweiten Mannschaft kickte. Beim Klub aus dem Landkreis Barnim ragte Netz schnell heraus, nach einem Sichtungstraining heuerte er als Siebenjähriger bei der großen Hertha an, bei der er sämtliche BSC-Jugendteams durchlief.

Aufgrund seiner hervorragenden körperlichen Voraussetzungen kam Netz regelmäßig in höheren Altersklassen zum Einsatz. Ohne einen konkreten Plan B zu verfolgen, war für Netz früh klar, dass er Profi werden möchte: "Als ich mit dem Fußball angefangen habe, wollte ich das schon, also eigentlich mein Leben lang", sagte er jüngst im Gespräch mit der Märkischen Oderzeitung.

Luca Netz: Kurz vor dem Debüt der erste Dämpfer

Spätestens als sich Bruno Labbadia kurz nach seinem Amtsantritt Anfang April 2020 entschloss, Netz, der wegen der Corona-Pause seinerzeit weder in der U19 noch in der Zweitauswahl der Berliner Spielpraxis sammeln durfte, bei den Profis mitttrainieren zu lassen, schien der Pfad geebnet - ohne Umweg. "Er sollte eigentlich schon früher unter Bruno Labbadia debütieren, verletzte sich aber damals im Abschlusstraining", weiß Wück. Der erste Dämpfer für das verheißungsvolle Juwel.

Doch Netz arbeitete hart, kämpfte sich zurück. Kurz bevor sein Bruch restlos verheilt war, wurde er hinter Leverkusens Florian Wirtz und Bayern-Talent Torben Rhein mit der prestigeträchtigen Fritz-Walter-Medaille in Bronze ausgezeichnet. Einige Monate später, kurz nach dem Jahreswechsel, folgte das Debüt in Deutschlands Beletage. Labbadia brachte Netz, der hauptsächlich als Linksverteidiger agiert, jedoch auch weiter vorne auf der Außenbahn eingesetzt werden kann, beim 3:0-Erfolg gegen Schalke vier Minuten vor Abpfiff für Marvin Plattenhardt.

Netz avancierte damit zum zweitjüngsten Bundesliga-Spieler der Klubgeschichte, nur Lennart Hartmann war 2008 mit 17 Jahren und 136 Tagen noch 96 Tage jünger. Netz hinterließ Eindruck, durfte fortan fünfmal hintereinander mitmischen, Ende Januar stand sein erster Einsatz über die volle Distanz zu Buche (1:4 gegen Bremen). "Es gibt wenige Spieler, die Linksfuß sind und mit rechts so einen guten Schuss haben", lobte Labbadia seinen Schützling.

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Luca Netz glänzt mit starkem linken Fuß

Sein erstes Tor erzielte Netz dann aber mit seinem stärkeren Fuß, in Stuttgart besorgte er kurz vor Schluss nach schönem Zuspiel von Sami Khedira das wichtige 1:1. "Sein außergewöhnlicher linker Fuß und seine Schnelligkeit zählen zu Lucas größten Stärken", sagt Wück über Netz' Vorzüge. "Die Kombination aus diesen beiden Eigenschaften macht ihn so wertvoll. Auch sein Durchsetzungsvermögen beeindruckt mich. Wenn er einmal mit dem Ball am Fuß ins Rollen kommt, ist er schwer aufzuhalten."

Ebenjene Qualitäten blieben auch bei der Konkurrenz im Inland nicht unbeobachtet. Ausgerechnet Rekordmeister Bayern München soll dem Vernehmen nach Interesse an einer Verpflichtung gezeigt, Netz als möglichen Ersatz für Alphonso Davies ausgemacht haben. War zunächst von einem Vertragsende im Sommer die Rede, meldete der kicker im Februar, dass das Arbeitspapier bis 2023 gültig sei. In naher Zukunft soll der Kontrakt sogar noch weiter ausgedehnt werden.

"Sicher ist das etwas ganz Besonderes", sagte Netz, als er von der Märkischen Oderzeitung auf das kolportierte FCB-Interesse angesprochen wurde. Dass es letztlich nicht zum Wechsel kam, die Münchner ihr Angebot angeblich zurückzogen, habe ihn nicht enttäuscht. Vielleicht ohnehin ein eher förderlicher Umstand für den von Wück als sehr bodenständig und ruhig beschriebenen Rohdiamanten, noch nicht zum Klassenprimus zu wechseln, bei dem es aus medialer Sicht rauer zugeht als bei der Hertha.

"Es gibt noch einige Bereiche, in denen Luca Luft nach oben hat", sagt Wück und ergänzt: "Zum Beispiel im Bereich Spielintelligenz - sprich: Situationen richtig wahrnehmen, einschätzen und handlungsschnell reagieren." Man setze beim DFB mit "unserem Spielkompetenz-Modell bei ihm an, um Fortschritte zu generieren." Wück führt aus: "Verbessert er sich in seiner Entscheidungsschnelligkeit, kann er von seiner physischen Schnelligkeit noch mehr profitieren."

Wück fordert mehr Mut vom Außen

Vor allem müsse Netz etwas forscher auftreten, sagt Wück. "Luca ist sehr demütig, das könnte er noch ablegen. Ich würde mir wünschen, dass er sich eine gewisse Frechheit, auch mal risikoreiche Dinge auf dem Platz zu machen, aneignet. Gerade auf seiner Position auf den Außen darf er ruhig mutiger agieren." Wück sei sich aber sicher, "dass er diese Schritte noch machen wird und dann in seinen Teams auch eine Führungsrolle einnimmt".

Zunächst einmal gilt es jedoch, nach überstandenem Mittelfußbruch zurück in die (Überhol-)Spur zu finden und in der Folge über einen längeren Zeitraum verletzungsfrei zu bleiben. Sein Vereinstrainer Pal Dardai ist sich sicher, dass Netz in der Lage ist, dies zu bewerkstelligen: "Luca ist immer positiv und wird das wegstecken", sagte der Ungar kurz nach der bitteren Diagnose Ende März. Wück pflichtet ihm bei: "Ich schätze ihn so ein, dass er aus seiner Verletzung gestärkt herauskommt."

Luca Netz: Statistiken der Saison 2020/21

PflichtspieleToreVorlagenSpielminuten
151-660

 

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