Kommentar zum Bosz-Aus in Leverkusen: Bayer 04 verfällt in falschen Aktionismus

Von Dennis Melzer
Rudi Völler und Bayer 04 Leverkusen haben sich von Peter Bosz getrennt.
© imago images

Bayer 04 Leverkusen reagiert auf die sportliche Talfahrt und feuert Trainer Peter Bosz. Nachfolger wird Hannes Wolf. Die Freistellung von Bosz ist purer Aktionismus, die Baustellen liegen woanders. Ein Kommentar.

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Zwei Tage nach dem desaströsen Auftritt in Berlin muss Peter Bosz bei Bayer Leverkusen seinen Hut nehmen. Die Vereinsspitze um Rudi Völler reagiert damit auf eine anhaltende sportliche Talfahrt, verfällt dabei aber in puren Aktionismus.

Bis zur unglücklichen Niederlage gegen den FC Bayern München kurz vor Weihnachten war Leverkusen das ungeschlagene Team der Stunde und Tabellenführer. Und das, obwohl der Klub es im Sommer versäumt hatte, die Abgänge der Top-Scorer Kai Havertz und Kevin Volland ansatzweise zu kompensieren. Bosz forderte vehement mehrere Neuzugänge, wurde aber hängengelassen.

Leverkusen: Bosz hat große Verdienste

Dass die Werkself so lange ganz oben mitmischte, war Boszs Verdienst. Er formte junge Spieler wie Florian Wirtz, Moussa Diaby oder Edmond Tapsoba zu wichtigen Säulen.

Er schaffte es, Leon Bailey aus seinem monatelangen Leistungsloch zu befreien und den vormals häufig bieder agierenden Julian Baumgartlinger als Zweikampf- und Laufmonster erfolgreich ins System einzubinden. Bosz, dessen Teams normalerweise vorne für Spektakel sorgen, hinten dafür aber vogelwild agieren, hatte sogar Stabilität in die Defensive bekommen.

Dieser Bosz soll nun nicht mehr der richtige Trainer sein? Nein, die Baustellen liegen woanders. Es ist seit etlichen Jahren Tradition, dass Bayer 04 zu einem x-beliebigen Saisonzeitpunkt mit einem Durchhänger zu kämpfen hat.

Diesmal ist er länger und schwerwiegender, weil viele Leistungsträger keine Leistung mehr bringen, allen voran Kapitän Charles Aranguiz. Und weil wichtige Spieler wie beispielsweise Lukas Hradecky oder Baumgartlinger mit langfristigen Verletzungen zu kämpfen haben.

Bosz nicht zu feuern? Das wäre konsequent gewesen

Die leichteste Option ist dann, den Trainer vor die Tür zu setzen. Bei aller berechtigter Kritik an Boszs zuletzt fehlenden B- und C-Plänen gegen tiefstehende Gegner, sollte sich die Klubführung vielleicht einmal selbst hinterfragen. Sie hat einen gewissen Anteil daran, dass Bosz zeitweise Spiele mit vier Feldspielern auf der Bank bestreiten - und über Wochen mit lediglich zwei Außenbahnspielern auskommen musste.

Bosz nicht zu feuern, die Rückkehr einiger wichtiger Spieler abzuwarten und den kommenden Sommer-Umbruch (beide Benders hören unter anderem auf) in die Hände des Niederländers zu legen, wäre konsequent gewesen. Vielleicht hätte Bosz endlich für die Kontinuität unterm Bayer-Kreuz sorgen können, die man sich seit Anfang der 2000er in der Farbenstadt wünscht.

Stattdessen soll es nun Hannes Wolf in Zusammenarbeit mit Bayer-Urgestein Peter Hermann als Interimslösung richten. Ob das Gespann im Falle einer positiven Entwicklung weitermacht, ist - Stand jetzt - unwahrscheinlich. Aber egal, wer künftig das Zepter an Wupper, Dhünn und Rhein schwingen wird, die nächste Phase der Inkonstanz kommt - und die Vereinsführung wird wieder einmal den leichten Weg gehen, ohne an sich selbst zu zweifeln.

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