Fußball-Kolumne: "Alles Amateure" - Warum der 1. FC Köln nicht zur Ruhe kommt

Strippenzieher im Mitgliederrat des Effzeh: Stefan Müller-Römer - "der mit den Haaren"
© IMAGO / Future Image

Sportlich taumelt der 1. FC Köln von einer Krise in die nächste, doch auch die Vereinsführung blamierte sich zuletzt mit der Posse um einen neuen Mediendirektor. Ein Grund für die Unruhe ist dessen "dramatisch amateurhaftes Verhalten", ein anderer der heimliche Herrscher im Hintergrund. Die Fußball-Kolumne.

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Zu Beginn der Woche war man noch guter Dinge beim 1. FC Köln. Durch das 3:1 im Kellerduell gegen Arminia Bielefeld und insgesamt sieben Punkten aus den letzten vier Spielen hatten sich die Geißböcke vorerst vom Relegationsplatz 16 verabschiedet. Mit einem Pflichtsieg im Pokal-Achtelfinale bei Zweitligist Jahn Regensburg wären rund 1,4 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen sicher gewesen, die der klamme Verein dringend gebraucht hätte. Oder eben hätte gebrauchen können.

Trotz 2:0-Führung scheiterten die Kölner im Elfmeterschießen am krassen Außenseiter. Schon war die Krisenstimmung zurück in der Domstadt. Im Derby beim Erzrivalen aus Mönchengladbach droht am Samstag (LIVETICKER) die nächste Pleite, auch danach dürfte gegen Frankfurt, Stuttgart und den FC Bayern nicht allzu viel zu holen sein.

"Diese Wellenbewegungen machen mich kirre und verrückt", sagte Markus Gisdol beinahe verzweifelt. Kein Wunder: Unter dem seit Herbst 2019 amtierenden Trainer fehlt dem FC bis heute die Konstanz, weshalb die Kölner Boulevardmedien ihn allein in dieser Saison schon viermal unmittelbar vor dem Rauswurf sahen. Und das fünfte "Endspiel" für Gisdol dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

1. FC Köln: Pokalblamage und Posse um Mediendirektor Esser

Vermutlich schafft es nur ein Verein wie der 1. FC Köln, dass trotzdem keinesfalls allein die sportliche Talfahrt die Schlagzeilen nach dem K.o. in Regensburg bestimmte. "Ein Tag wie das Spiegelbild eines notorischen Chaos-Klubs", kommentierte das Fanportal Geissblog. Und die Süddeutsche Zeitung titelte: "Doppelblamage auf kölsche Art".

Gemeint war die Bekanntgabe des neuen Mediendirektors Fritz Esser, der nach einem Entrüstungssturm der Anhänger schon vor seiner offiziellen Amtsübernahme am 1. Mai wieder zurücktrat.

1. FC Köln: Empörung über Tweets und Kommentare von Fritz Esser

Grund war die lautstarke Empörung über einige Jahre alte Tweets und Kommentare des ehemaligen Bild-Redakteurs, in denen er unter anderem FC-Fans als "Schwachmaten" bezeichnet, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisiert und eine Rede eines AfD-Abgeordneten im Bundestag lobend erwähnt hatte. Sogar eine Online-Petition wurde gestartet, die von prominenten FC-Anhängern wie SPD-Chef Norbert Walter-Borjans oder Kabarettistin Caroline Kebekus unterstützt wurde.

Kurz darauf ruderte die Vereinsführung zurück, entschuldigte sich wortreich für den "Fehler" und löste den Vertrag mit dem gebürtigen Kölner Esser, den man zuvor aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit als Pressesprecher eines Logistik-Unternehmens und seiner familiären Bande zum FC als Schwiegersohn der verstorbenen Klublegende Hannes Löhr noch zur Ideallösung gekürt hatte.

Die ganze Posse wird umso absurder, wenn man weiß, dass zwei Headhunter (die Vermittlungsgebühr liegt in der Regel im Bereich eines Jahresgehalts des Gesuchten) ein halbes Jahr gesucht hatten und in dieser Zeit offensichtlich nicht einmal Essers Vorleben in den sozialen Medien googelten. Dabei soll die FC-Geschäftsführung mit Blick auf die knappen Kassen sogar von der Einschaltung der kostspieligen und inzwischen ebenfalls geschassten Berater abgeraten haben.

"Nicht Esser war letztlich das Problem, sondern fehlende Professionalität der handelnden Personen", fasste der Geissblog zusammen. Hauptverantwortlich für den PR-Gau ist die seit September 2019 amtierenden Klubspitze um Präsident Werner Wolf, dem der Wind nicht nur in den Medien nun heftig ins Gesicht bläst. "FC-Vorstand blamiert sich auf ganzer Linie", schrieb der kicker, die Bild-Zeitung meinte, der Vorstand sei nicht mehr lange tragbar.

1. FC Köln: Insider halten sogar Rücktritt des Vorstands für möglich

Auch alle Insider, mit denen man spricht, schütteln nur den Kopf über die bisherige Amtsführung des Präsidiums. Wolf, früher Geschäftsführer der Bitburger-Brauerei, und seine beiden Vize-Präsidenten Eckhard Sauren und Carsten Wettich hätten keine Vernetzung im Profi-Fußball und befänden sich daher auch nicht auf Augenhöhe mit den beiden hauptamtlichen Geschäftsführern Alexander Wehrle und Horst Heldt - die sich ursprünglich auch gegen die Trennung des langjährigen Mediendirektors Tobias Kaufmann ausgesprochen hatten. "Das sind alles Amateure, die kein Profil haben und total überfordert sind", meint ein langjähriger Beobachter, der sich sogar einen baldigen Rücktritt des Dreigestirns vorstellen kann.

Auszuschließen ist das keineswegs angesichts des permanenten Erregungszustands in der Medien- und Karnevalsstadt Köln und speziell innerhalb des FC, dem mit rund 112.000 Mitgliedern sechstgrößten Verein Deutschlands. Gefühlt will fast jeder mitreden über die millionenschweren Entscheidungen auf und neben dem Platz. Im Gegensatz zu manch anderen Profiklubs haben die Geißböcke diese Art von Basisdemokratie vor einigen Jahren sogar befördert statt reduziert.

1. FC Köln: Die nächsten Gegner

DatumWettbewerbGegnerOrt
06.02.2021BundesligaBorussia MönchengladbachA
14.02.2021BundesligaEintracht FrankfurtA
20.02.2021BundesligaVfB StuttgartH
27.02.2021BundesligaFC Bayern MünchenA

1. FC Köln: Mitgliederrat als mächtigstes Gremium

2013 wurde per Satzungsänderung der so genannte Mitgliederrat installiert, der seitdem das mächtigste Gremium des Vereins ist. Unter anderem, weil er an allen maßgeblichen Entscheidungen beteiligt ist und das alleinige Vorschlagsrecht für den Vorstand hat. So entzog er nach seiner Wiederwahl 2018 dem alten Präsidium mit Werner Spinner und den beiden in der Profiszene ebenso wie in der Millionenmetropole bestens vernetzten Vizepräsidenten, Ex-Nationaltorwart Toni Schumacher und Markus Ritterbach, Ehrenpräsident Festkomitee Kölner Karneval, das Vertrauen.

Rund sieben Jahre hatte dieses Team für in Köln völlig ungewohnte Ruhe und Stabilität gestanden, ab 2013 zusammen mit Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Trainer Peter Stöger. Mit der Abstiegs-Saison 2017/18 jedoch kehrte langsam, aber sicher der alte Chaos- und Karnevalsverein zurück. Statt einen Nachfolger für den erkrankten Spinner zu suchen, stellte der Mitgliederrat Schumacher und Ritterbach ins Abseits. Und hob Wolf und Co. aufs Schild.

Chef-Strippenzieher und mittlerweile eine lokale Berühmtheit ist der langjährige Vorsitzende Stefan Müller-Römer, einst als vereinsinterner Oppositionsführer vom damaligen Präsidenten und früheren Nationalspieler Wolfgang Overath wegen seiner langen Mähne als "der mit den Haaren" bezeichnet. Der Anwalt musste allerdings gegen seinen Willen im vergangenen Jahr als Chef des Mitgliederrats zurücktreten, weil er in einem vom Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlichten Mailverkehr den alten Vorstand ebenso wie seine Kritiker wüst beschimpft hatte.

1. FC Köln: "Ungeklärtes Verhältnis zu den Ultra-Gruppen"

Müller-Römer blieb aber im Gremium und hält weiter die Fäden in der Hand, sein Nachfolger Ho-Yeon Kim gilt als treuer Gefolgsmann. "Nicht ohne Grund war Müller-Römer an allen Kontroversen der vergangenen zehn Jahre beteiligt. Er ist wie der Geisterfahrer, der sich darüber aufregt, dass alle anderen die Geisterfahrer sind", sagt ein Insider.

Doch Müller-Römer verfügt über großen Rückhalt bei weiten Teilen der aktiven Fanszene, die auch die Mehrheit bei den jüngsten Mitgliederversammlungen stellte. Der kicker schrieb bereits Ende 2018 von einer "Schattenpräsidentschaft" des 52-Jährigen und monierte dessen "ungeklärtes Verhältnis zu den Ultra-Gruppen".

Der Konflikt zwischen den Hardcore-Anhängern und dem damaligen Vorstand war einer der Gründe für das Aus von Spinner, Schumacher und Ritterbach. Nachfolger Wolf wurde in manchen Medien danach ein "Kuschelkurs" mit den Ultras vorgeworfen. Dem 64-Jährigen dürften die Machtverhältnisse beim Effzeh jedenfalls klar sein, auch das würde sein schnelles Abrücken von Mediendirektor Esser nach den wütenden Reaktionen der Fans erklären.

Wolf steht zudem in der Kritik, weil es nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich abwärts geht. "Der FC steht finanziell extrem unter Druck. Uns fehlt durch die Pandemie knapp ein Drittel unseres normalen Umsatzes, der bei 120 bis 130 Millionen Euro liegt. Das finanziell schwierigste Szenario wäre aber ein Abstieg", sagte er kürzlich der Kölnischen Rundschau.

Doch die vermutlich verheerenden Zahlen des Geschäftsjahres 2019/20 hält der FC nach wie vor zurück und verweist auf die nächste Mitgliederversammlung, deren Durchführung seit Monaten überfällig ist. Gut möglich, dass die Entwicklung und das "dramatisch amateurhafte Verhalten des FC-Vorstands" (kicker) tatsächlich zur Demission von Präsident Wolf führt. Als sein Vorgänger Spinner im Frühjahr 2019 vorzeitig zurücktrat, wurde er übrigens auf Vorschlag des Mitgliederrats ersetzt durch Stefan Müller-Römer.

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