Der Machtkampf beim VfB Stuttgart zwischen Präsident Claus Vogt und Vorstandschef Thomas Hitzlsperger spitzt sich weiter zu. Nun weigert sich Vogt "gegen den erklärten Willen meiner beiden weiteren Präsidiumsmitglieder", der für den 18. März geplanten Mitgliederversammlung seine Zustimmung zu geben. Die antworteten am Abend prompt.
Seine erwähnten Kollegen Bernd Gaiser und Rainer Mutschler konterten Vogts Vorstoß mit Hinweis auf eine einstimmige Präsidiumsentscheidung von Anfang November.
"Dieser Beschluss ist bindend. Über diese Beschlussfassung kann sich niemand, auch nicht der Präsident, hinwegsetzen, ohne gegen die Satzung zu verstoßen", ließ das Duo vom Verein am Mittwochabend mitteilen.
Mit Blick auf den "erkennbaren Riss im Präsidium" legten Gaiser und Mutschler nach: "Der Dissens besteht zu zahlreichen Themen seit geraumer Zeit. Ein Fortdauern des aktuellen Zustandes bis September halten wir dem Verein gegenüber für nicht zumutbar."
Zuvor hatte Vogt seinen Standpunkt ausführlich begründet. "Es bestehen berechtigte Interessen der Mitglieder, dass die Versammlung weder in der beabsichtigten Form als rein digitale Veranstaltung, noch zu dem beabsichtigten Termin stattfindet", schrieb Vogt an die Mitglieder.
Chaos-Klub VfB Stuttgart: Eine Chronologie seit dem Meistertitel 2007
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Beim VfB Stuttgart liefern sich Präsident Vogt und Vorstandschef Hitzlsperger einen öffentlich ausgetragenen Machtkampf. Es ist eine von vielen turbulenten Episoden dieses Klubs, der seit dem Titel 2007 einfach nicht zur Ruhe kommt. Eine Chronologie.
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Das Meister-Trio: Armin Veh (Trainer), Horst Heldt (Sportlicher Leiter) und Erwin Staudt (Präsident). Dank eines unvergesslichen Schlussspurts gewinnt der VfB 2007 mit zwei Punkten vor Schalke 04 den fünften Meistertitel der Klub-Geschichte.
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November 2008: Der VfB trennt sich von Veh. Platz 10 in der Tabelle, Achtelfinal-Aus im Pokal gegen die Bayern. Stuttgart ist seit 5 Spielen ohne Sieg. Neben der sportlichen Talfahrt begründet Heldt die Entlassung mit Meinungsverschiedenheiten.
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Interimstrainer Rainer Widmayer übernimmt für ein Spiel, dann kommt Markus Babbel. Er hievt den VfB noch auf Platz 3 (10 Siege in den letzten 12 Saisonspielen)! 2009/10 läuft es jedoch miserabel. Babbel muss nach 15 Spieltagen (12 Punkte) gehen.
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Dezember 2009: Christian Gross wird Trainer. "Ich bin hier, um zu retten, was noch zu retten ist", sagt er bei seiner Antrittsrede. Gesagt, getan. Stuttgart verliert nur noch zwei Spiele, aus Platz 16 wird Platz 6.
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Juli 2010: Trotz toller Rückrunde gibt es wieder Unruhen: Schalke will Sport-Vorstand Heldt. Der will zu Schalke. Letztlich einigen sich beide Parteien. "Das Gesamtpaket war akzeptabel", sagt VfB-Boss Staudt. Fredi Bobic wird Sportlicher Leiter.
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Oktober 2010: Ein Stuttgarter Phänomen wiederholt sich. In der Rückrunde der Vorsaison noch top, plötzlich unter ferner liefen: Unter Gross holt Stuttgart in den ersten sieben Spielen drei Punkte (7:0 gegen Gladbach). Co-Trainer Jens Keller übernimmt.
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Dezember 2010: Das war's schon wieder für Keller. Nach kurzem Aufschwung rutscht der VfB wieder in den Tabellenkeller ab. Kellers Bilanz: 9 Spiele, 2 Siege, 9 Punkte. Bruno Labbadia soll das nächste Comeback anleiten, was erneut gelingt: Platz 12.
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Juli 2011: Im Sommer gibt es dennoch einen Wechsel: Nach 8 Jahren tritt Staudt als Präsident zurück. Er habe mit dem Umbau der Mercedes-Benz Arena zum reinen Fußballstadion "alles erreicht". Gerd Mäuser wird (nach 9 Stunden) als Nachfolger gewählt.
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Juli 2013: Der VfB hat sich sportlich stabilisiert und ist gerade knapp gegen die Bayern am Pokalsieg gescheitert. Dennoch passiert viel: Der langjährige Vorstandsvorsitzende Dieter Hundt muss nach Druck aus den eigenen Reihen gehen.
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Ihn ersetzt Joachim Schmidt, bis dato stellvertretender Vorsitzender. Außerdem: Der VfB kehrt zum alten Logo zurück und Bobic holt acht Neuzugänge. Ach, und Bernd Wahler (im Bild) wird Präsident.
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Vom ehemaligen Porsche-Marketingchef Mäuser (li.) bleibt nicht viel in Erinnerung außer der Ruf als unbequemer "Polter-Präsident", der Sparmaßnahmen einleitete und den Bau der Jugendakademie antrieb. Eingeweiht hat die später jedoch Wahler.
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August 2013: Der nächste Fehlstart. Vier Niederlagen in Folge (darunter ein 1:2 in der EL-Quali gegen HNK Rijeka) sind Bobic und Co. zu viel. Labbadia muss nach nur drei Buli-Spieltagen gehen. Der bisherige U17-Trainer Thomas Schneider übernimmt.
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März 2014: Unter Schneider läuft es zunächst. Nach 15 Spieltagen steht der VfB auf Platz 10. Dann aber setzt es 8 Niederlagen in Folge. Die "jungen Wilden" 2.0 sind gescheitert. Huub Stevens soll mit "neuen Reizen" den Klassenerhalt sichern.
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Juli 2014: Der "Knurrer aus Kerkrade" hat es geschafft. Stuttgart bleibt erstklassig. Doch Stevens tritt zurück: "Ich brauche eine Auszeit ". Meister-Held Veh kehrt zurück.
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September 2014: Stuttgart erlebt den nächsten Horror-Start: ein Punkt aus den ersten 4 Spielen und Pokal-Aus in der 1. Runde gegen Bochum. Präsident Wahler und Vorstandsboss Schmidt reagieren und entlassen Sport-Vorstand Bobic.
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Der heutige Sport-Vorstand von Eintracht Frankfurt wird als Sündenbock hingestellt. Fans kritisieren Bobic für dessen Team-Zusammenstellung. Der VfB beugt sich dem Druck der Anhänger, bereut seine Entscheidung jedoch heute.
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November 2014: Zwei Monate nach der Bobic-Entlassung tritt Veh überraschend zurück. "Es ist besser, wenn ich nicht da bin", sagt er und zieht die Konsequenz aus der sportlichen Talfahrt. Wieder spielt Huub Stevens den Retter.
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Januar 2015: Robin Dutt füllt das bis dato vakante Amt des Sport-Vorstands aus. "Das vorgestellte sportliche Konzept mit dem Schwerpunkt der Optimierung von Strukturen und Kaderplanung hat uns voll überzeugt", heißt es.
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Juli 2015: Mit Alexander Zorniger lotst Dutt seinen Wunschkandidaten von Leipzig zum VfB. Nach 13 Spieltagen steht Stuttgart aber nur auf Platz 16. Zorniger wird entlassen. Dabei war sein Fußball doch "alternativlos"!
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November 2015: Der bisherige U23-Coach Jürgen Kramny übernimmt – zunächst interimsweise. Nach einer 1:4-Pleite beim BVB holt Kramny fünf Punkte aus drei Spielen.
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Die Folge: Er darf bleiben - und holt insgesamt 18 Punkte aus den ersten 9 Spielen. Stuttgart ist Elfter, dann folgt der Absturz. Nach dem 2:6-Debakel in Bremen am 32. Spieltag wirkt Kramny ratlos. Es war die 4. Niederlage in Folge.
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Noch ist der Klassenerhalt möglich. Zwei Spieltage vor Schluss steht der VfB auf Platz 17, Rang 14 ist nur 2 Punkte entfernt. Neuer Impuls? Weit gefehlt. Dutt hält am ratlosen Kramny fest. Der VfB verliert beide Spiele und steigt ab.
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Mai 2016: Auf den zweiten Abstieg der Vereinsgeschichte folgt der Rundumschlag. Kramnys Vertrag besitzt keine Gültigkeit für Liga zwei. Jos Luhukay heuert an. Wahler tritt als Präsident zurück.
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Juli 2016: Auch für Dutt ist die Zeit beim VfB zu Ende. Ihm werden passive Transferpolitik und das lange Festhalten an Kramny vorgeworfen. Trotz seiner Erfolge im Scouting und Nachwuchs muss er gehen. Es kommt Jan Schindelmeiser.
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September 2016: Luhukay kommt mit Schindelmeiser nicht klar – unterschiedliche Ansichten. Die Ursache dafür liegt im Sommer, als ein Fußball-fremdes Gremium ohne sportliche Führung den VfB neu zusammenstellte. Hannes Wolf wird Trainer.
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Oktober 2016: Unter Applaus, aber auch lauten Pfiffen nimmt Wolfgang Dietrich die knappe Wahl zum Präsidenten des VfB an. Der ehemalige Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart 21 wird bei seiner Wahl von Fans als "Spalter" tituliert.
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Bis zuletzt protestieren die VfB-Anhänger gegen Dietrich, fordern dessen Rücktritt oder Rauswurf. Er sei die personifizierte fehlende, sportliche Kompetenz in der Chef-Etage, die nur noch von Sponsorenvertretern geführt werde.
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August 2017: Trotz direkten Wiederaufstiegs entlässt der VfB den beliebten Sport-Vorstand Schindelmeiser. Dietrich, mittlerweile auch Aufsichtsratsvorsitzender, sagt: "Der VfB steht über allem." Aha. Michael Reschke wird Sport-Vorstand.
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Januar 2018: Reschke und der VfB feuern Trainer Wolf. Stuttgart ist Tabellen-14. und hat soeben vier Spiele in Serie verloren. Tayfun Korkut übernimmt, Fans reagieren mit einem Mix aus Empörung und Hohn.
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Oktober 2018: Korkut hat seine Kritiker Lügen gestraft, eine irrwitzige Rückrunde hingelegt und den VfB beinahe nach Europa geführt. Nach sieben Spieltagen und dem Pokal-Aus gegen Hansa Rostock ist in der neuen Saison aber früh Schluss.
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Andy Hinkel wird Interimstrainer (2 Tage), dann übernimmt Weinzierl. Doch auch unter ihm bleibt der erhoffte Auftrieb aus, gerade sein Start verläuft katastrophal. Im April 2019 wird Weinzierl nach einem 0:6 in Augsburg entlassen.
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Zwischendrin übernimmt Thomas Hitzlsperger die sportlichen Geschicke von Michael Reschke. Er ist damit seit Februar der 6. Sport-Vorstand seit 2007.
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Mit der Weinzierl-Entlassung wurde der VfB einmal mehr seinem Ruf als Chaos-Klub gerecht. Der Nachfolger wurde…
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... der bisherige U19-Coach Nico Willig als Interimstrainer. Er ist der 20. VfB-Coach seit 2004. Den Abstieg kann er nicht mehr verhindern und so übernimmt Tim Walter, der von Holstein Kiel kommt und den Wiederaufstieg klarmachen soll.
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Im Sommer 2019 war Wolfgang Dietrich nach einer denkwürdigen Mitgliederversammlung (Ausfall der Internetverbindung) als Präsident des VfB Stuttgart zurückgetreten und machte den Ruf als Chaos-Klub größer denn je.
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Am 15. Dezember wurde der deutsche Fußballfunktionär Claus Vogt zu Dietrichs Nachfolger gewählt. Er setzte sich mit 64,83 Prozent der Stimmen gegen Christian Riethmüller durch.
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Tim Walter holte in der Hinrunde zwar 31 Punkte, was einen Rückstand von drei Zählern auf Tabellenführer Arminia Bielefeld bedeutet. Wirklich überzeugen konnte der VfB aber nur selten - also wurde er durch Pellegrino Matarazzo ersetzt.
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Matarazzo führte die Mannschaft auf Platz zwei und somit zum Aufstieg in die Bundesliga, wo Stuttgart aktuell eine sehr gute Saison spielt. Während es sportlich läuft, rumort es aber hinter den Kulissen.
VfB-Präsident Vogt: "Größte interne Krise" der Klubgeschichte Er sehe "eine offene, transparente, direkte und ehrliche Kommunikation" bei der Veranstaltung nicht gegeben, so der Präsident, der laut Satzung formal einladen muss. Das digitale Format betrachte er "grundsätzlich als Risiko", zumal sich schon die Wahlabstimmung 2019 über WLAN "zum PR-Debakel" ausgeweitet habe.
Der VfB befinde sich, hieß es weiter, "in der größten internen Krise, die dieser Verein in seiner lebhaften Geschichte erlebt hat". Der Umgang mit den Anregungen habe sein "Vertrauen darin, dass die vorgenannten und die noch nachfolgenden Aspekte in unserem Verein ausreichend Berücksichtigung finden, stark erschüttert", betonte Vogt.
Seit Wochen belastet die Aufklärung einer Datenaffäre, mit der sich sogar der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte befasst, den VfB schwer.
Hitzlsperger hatte Vogt, der auch Chef des Aufsichtsrats ist, kurz vor dem Jahreswechsel in einem offenen Brief harsch attackiert und darin seine Kandidatur für das Präsidentenamt angekündigt. Der Vorstandschef hat sich für seine Wortwahl inzwischen zwar entschuldigt, der Konflikt spaltet den Traditionsklub jedoch weiter.