RB Leipzig - Julian Nagelsmann im Interview: "Ich könnte mir vorstellen, Outdoortouren anzubieten"

Von Timon Saatmann
Julian Nagelsmann trainiert seit 2019 RB Leipzig.
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Sie haben mal gesagt, dass Sie auf keinen Fall wie Jupp Heynckes noch mit 70 auf der Trainerbank sitzen wollen und womöglich schon in zehn Jahren aufhören könnten. Wovon würden Sie das abhängig machen?

Nagelsmann: Grundsätzlich schon daran, ob ich meine Ziele erreiche. Ich würde schon gerne mal was gewinnen. Ganz ohne Titel aufzuhören - die U19-Meisterschaft war nicht schlecht, aber auch nicht das, was ich mir von meiner Trainerkarriere erhoffe (lacht) - kann ich mir eher nicht vorstellen. Aber natürlich müsste auch eine finanzielle Voraussetzung erfüllt sein, ehe ich mich anderen Dingen widme, die vielleicht nicht jeden Monat die Kosten decken würden. Es gibt einfach viele andere Dinge in meinem Leben, die mich begeistern und die ich gerne mal machen würde. Der Trainerjob ist einfach extrem erfüllend, aber auch extrem zeitaufwändig. Du hast als Trainer einfach nie Zeit für Freunde und Familie, meine Freunde sehe ich vielleicht einmal im Jahr richtig. Und ich mache das alles schon, seit ich Zwölf bin! Daher hätte ich schon irgendwann gerne mehr Zeit für meine Familie und für die anderen Dinge im Leben, die mich begeistern.

Was machen Sie zum Abschalten?

Nagelsmann: Ich mag Wälder, allgemein die Natur. Ich mag Mountainbiken, habe mir jetzt aber ein Rennrad gekauft, weil Mountainbiken hier aufgrund der fehlenden "Mountains" nicht ganz so gut ist. Aber es gibt gute Rennradstrecken. Ich mache viele Sportarten, bei denen mein Handy nicht dabei sein kann, weil ich mich auf andere Dinge konzentrieren muss. Ich bewege mich sehr gerne, um den Kopf freizukriegen, bin sehr gerne draußen in der Natur, aber grundsätzlich auch gerne bei meiner Familie.

Könnten Sie sich vorstellen, die Nachfolge von Jochen Schweizer als "Outdoor-Papst" anzutreten?

Nagelsmann: Ganz so groß wie Jochen Schweizer möchte ich nicht werden, aber im kleinen Kreis Outdoortouren anzubieten für 10, 20 Leute oder so später: das könnte ich mir durchaus vorstellen. Das muss auch nicht mit einer eigenen Firma wie "Julian Nagelsmann Outdoor" sein. Ich kann mir auch vorstellen, irgendwo angestellt zu sein und Touren zu machen.

Nagelsmann: Hütte in den Bergen? "Da ist die Welt noch in Ordnung"

Woher kommt Ihre Liebe zur Natur?

Nagelsmann: Ich bin in den Bergen großgeworden. Meine Familie hatte eine Hütte in den Bergen, neben einem Bach, da gibt es keinen Handyempfang, nichts, was dich ablenken kann, nur die Natur und viele Tiere. Da ist die Welt noch in Ordnung. Da kann man wandern, mountainbiken, abschalten, muss nicht ständig Entscheidungen treffen. Als Trainer musst du gefühlt alle fünf Sekunden Entscheidungen treffen. Auch jetzt muss ich entscheiden, was ich Ihnen antworte. Wenn ich hier rausgehe, muss ich sofort wieder Entscheidungen treffen. In den Bergen hast du nichts zu entscheiden, die entscheiden viel über dich: Wie ist das Wetter, kommt eine Lawine herunter. Da bist du nur ein sehr kleiner Teil auf dieser Welt und das tut manchmal ganz gut.

Wie lenken Sie sich noch ab?

Nagelsmann: Ich muss gestehen, dass ich keine große Leseratte bin, kaum Fußballbücher oder Sportlerbiographien lese. Wenn ich etwas lese, will ich aus den Büchern etwas für mein Leben herausziehen. Das ist bei den meisten Biographien nicht so einfach, weil sie entweder nicht das preisgeben, was ich wissen möchte oder weil sie über Situationen berichten, die nicht mit meinen vergleichbar sind. Dann liest du 500 Seiten und am Ende ist der Output eher gering. Ich lasse mich abends eher berieseln oder sitze auf der Terasse und schaue auf die amerikanische und kanadische Pappel, die vor meinem Balkon steht.

Sie sind dafür bekannt, dass keine Trainingseinheit der anderen gleicht. Wo holen Sie die Kreativität her?

Nagelsmann: Aus meinem eigenen Kopf. Ich versuche, alle Dinge, die ich mache, mit einer gewissen Intention anzugehen. Und ich hoffe, dass jeder Mensch bestimmte Dinge nur macht, weil er sich etwas davon verspricht - und nicht, um sie eben getan zu haben. Ich verfolge bei jeder Trainingseinheit, bei jeder Ansprache ein gewisses Ziel - und dann gibt es viele Möglichkeiten, dahinzukommen. Es gibt zum Beispiel Einheiten, in denen wir den einfachen Konter trainieren. Aber beim Konter gibt es schon mal drei verschiedene Höhen, wo man den Ball gewinnen kann: ganz hoch, eher in der Mitte, ganz tief. Also untergliedern wir das Feld in drei Teile, was einem schon verschiedene Möglichkeiten gibt, die Übung zu starten. Und dann überlege ich mir etwa, welche Provokationsregeln das Ziel für diese Einheit am besten abbilden können. Das heißt: was muss ich wie und wann provozieren, damit das und das passiert. Das können Kontakt-oder Bewegungsregeln sein, verschiedene Felder auf dem Platz, auf denen bestimmte Dinge passieren müssen. Mir ist wichtig, dass auf dem Platz immer alles vorhanden ist. Dass wir also nichts isoliert trainieren, aber dass innerhalb der Einheit das am Häufigsten angewendet wird, was wir besonders trainieren wollen. So kommt man relativ einfach auf gewisse Übungen - die aber auch nicht immer gut sind. Aber auch das ist wichtig, dass einfach mal etwas komplett für die Tonne ist, dass man zwar trainiert hat, aber nicht so gut.

Geben Sie das gegenüber den Spielern auch mal zu, wenn Sie mal eine schlechte Idee hatten?

Nagelsmann: Das muss man denen gar nicht sagen, das merken sie selber, wenn mal was nicht funktioniert. (lacht)

Wo also sehen Sie sich mit 50 Jahren?

Nagelsmann: Dann wäre es wirklich schön, wenn ich in den Bergen leben würde und einen Job hätte, der was damit zu tun hätte. Experte zu werden, kann ich mir grundsätzlich nicht vorstellen, weil ich andere Menschen öffentlich nicht beurteilen will. Aber sag niemals nie, ich laber ja schon gern, vielleicht wäre Fernsehen also doch nicht so schlecht. (lacht) Außerdem hätte ich vielleicht noch eine kleine Wohnung am Meer. Und wenn ich einmal die Schale hätte und einmal den Henkelpott, wäre ich sehr zufrieden.

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