Kommentar zu Borussia Dortmund: Alibi-Meister BVB

Borussia Dortmund musste im Titelkampf erneut dem FC Bayern den Vortritt lassen.
© imago images/Elmar Kremser, Sven Simon

Die peinliche Pleite gegen Abstiegskandidat Mainz zeigt exemplarisch, welchen eigenen Anteil Borussia Dortmund an der Dauer-Dominanz des FC Bayern und der Langeweile an der Bundesliga-Spitze hat. Ein Kommentar.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Man stelle sich vor, Alphonso Davies wäre tatsächlich am Dienstagabend in Bremen nach seiner Tätlichkeit schon in der 19. Minute vom Platz geflogen und die tapferen Werderaner hätten den FC Bayern in Überzahl mit Glück und Geschick geschlagen.

Dann hätten sich ziemlich viele Fans darüber gefreut, dass Borussia Dortmund angesichts der Pflichtaufgabe gegen Mainz 05 mit einem Sieg die Meisterschaft doch noch mal spannend hätten machen können. Was zwangsläufig zu der Frage führt: Hätte der BVB auch bei dieser Konstellation gegen den Abstiegskandidaten verloren?

Die Antwort darauf ist, egal wie sie ausfällt, blamabel für die Borussen. Denn entweder war das Dortmunder Starensemble beim 0:2 am Mittwoch tatsächlich nicht gut genug, um die seit März nur einmal siegreichen Gäste im eigenen Stadion zu bezwingen - oder das Team von Trainer Lucien Favre nahm die Aufgabe nach Bayerns vollzogenem achten Meistertitel hintereinander und der selbst gesicherten Champions-League-Qualifikation nicht mehr ernst. Beides ist ein Armutszeugnis für die Schwarz-Gelben.

Kritik der Mainzer Rivalen an BVB-Auftreten

Vor allem, weil nicht nur die Zahlen das fehlende Engagement dokumentierten, etwa die sage und schreibe um neun (!) Kilometer geringere Laufleistung. Mats Hummels' in der Geisterkulisse gut hörbarer Ausruf, man spiele Alibi-Pressing, ist nichts hinzuzufügen. Sie gaben nur vor, zu pressen. Tun die Borussen auch nur so, als ob sie eine Spitzenmannschaft seien, tun sie nur so, als ob sie den Wettbewerb ernstnehmen?

Die Mainzer Rivalen im Abstiegskampf, rückten den Alibi-Meister BVB zumindest indirekt in die Nähe der Wettbewerbsverzerrung.

So sprach Werders Ex-Boss Willi Lemke angesichts von nunmehr sechs statt drei Punkten Rückstand des Tabellen-17. auf den FSV von einem "Geschmäckle" und analysierte im NDR treffend: "Dortmund war einfach schwach und hat gespielt, als wenn sie sich gesagt hätten: 'Ist doch kein Problem, wenn wir nicht 100 Prozent liefern'. Das hat es anderweitig auch schon gegeben. Aber für uns ist das sehr bitter."

Kritiker erinnerten an die Jahre 2013 und 2018, als die Dortmunder ebenfalls mit Heimniederlagen, jeweils am 33. Spieltag, den damaligen Abstiegskandidaten Hoffenheim und Mainz zur Rettung verhalfen. Dabei ist es eigentlich nicht mal sicher, ob das größte Problem der Dortmunder das Nicht-Wollen ist, oder ob es generell vielmehr am Nicht-Können liegt. Nämlich der Unfähigkeit, trotz eines hochkarätig besetzten Kaders vor allem die vermeintlichen Pflichtaufgaben souverän zu bestehen.

BVB: Zehn Punkte gegen Kellerkinder verschenkt

Schon im Vorjahr verspielte der BVB die greifbar nahe Meisterschaft mit Niederlagen gegen Aufsteiger Düsseldorf und Kellerkind Augsburg sowie dem 2:4 im Heimspiel gegen den damaligen Abstiegskandidaten Schalke 04.

Auch in dieser Saison verschenkte der selbst ernannte Titelkandidat allein gegen Aufsteiger Union Berlin (1:3) sowie zu Hause gegen die um den Klassenerhalt kämpfenden Teams aus Paderborn (3:3), Bremen (2:2) und jetzt Mainz zehn von möglichen zwölf Punkten - hätte der BVB hier die vier erwartbaren Siege eingefahren, wäre er trotz der zwei Niederlagen gegen die Bayern (0:4 und 0:1) jetzt punktgleich mit dem Rekordmeister, dessen schwache Hinserie aber einmal mehr nicht ausgenutzt wurde.

So hat der BVB ungeachtet der Dominanz des FC Bayern auch seinen Anteil an der Zementierung der Verhältnisse und der Langeweile im Kampf um die Meisterschaft. Weil zum zweiten Mal in Folge unter Lucien Favre das Gefühl überwiegt, dass mit der hoch talentierten Truppe wieder mehr drin gewesen wäre, geht man erneut unzufrieden aus der Saison.

Einstellung, Leidenschaft, Mentalität, geistige Frische, Siegergen - man kann jeden dieser Begriffe zurückweisen und wohlfeile Erklärungen finden, aber irgendwas Wesentliches fehlte trotzdem immer, wenn es beim BVB darauf ankam.

Von daher müssen sich die Dortmunder entweder mit der Rolle als klare Nummer zwei (fünfmal seit 2013) hinter dem Rekordmeister zufriedengeben und mit Leisetreter Favre weitermachen wie bisher. Oder etwas ändern. Sonst reicht es eben nur zur Alibi-Meisterschaft.

Die aktuelle Tabelle der Bundesliga

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München3293:316276
2.Borussia Dortmund3282:374566
3.RB Leipzig3279:344563
4.Bayer Leverkusen3260:421860
5.Borussia M'gladbach3261:382359
6.Wolfsburg3244:41346
7.TSG Hoffenheim3245:53-846
8.SC Freiburg3243:44-145
9.Eintracht Frankfurt3255:57-241
10.Schalke 043237:50-1339
11.Hertha BSC3245:57-1238
12.1. FC Union Berlin3238:54-1638
13.1. FC Köln3249:62-1335
14.FC Augsburg3243:60-1735
15.1. FSV Mainz 053241:63-2234
16.Fortuna Düsseldorf3235:63-2829
17.Werder Bremen3235:65-3028
18.SC Paderborn 073234:68-3420
Artikel und Videos zum Thema