Kolumne - Die Exit-Strategie der Bundesliga: Ligabetrieb unter Quarantäne?

Ein Fußball mit Schutzmaske: Wann in der Bundesliga wieder gespielt werden kann, weiß niemand.
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Der Ball ruht in der Bundesliga mindestens bis Ende April. Wann es danach weitergeht, ist völlig offen. Die Fußball-Kolumne über ein Szenario, wie man Millionen Einnahmen und fast 60.000 Arbeitsplätze retten könnte.

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Wieder eine Woche ohne Fußball - und es wird bei weitem nicht die letzte sein, im Gegenteil. Die DFL hat am Dienstag auf ihrer Telefonkonferenz beschlossen, den Vereinen vorzuschlagen, die Zwangspause aufgrund der Corona-Pandemie bis mindestens 30. April zu verlängern.

Die Zustimmung bei der Vollversammlung der 36 Erst- und Zweitligisten in der nächsten Woche ist Formsache, weil bei der aktuellen bundesweit gültigen Kontaktsperre ohnehin kein Fußball unter Wettbewerbsbedingungen gespielt werden könnte. Vielmehr hat die Liga den Klubs empfohlen, in den nächsten Wochen auf Mannschaftstraining zu verzichten - aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit, aber auch wegen der öffentlichen Wahrnehmung in Zeiten des öffentlichen Shutdowns.

Zahlreiche Experten haben in den vergangenen Tagen zudem darauf hingewiesen, dass an so etwas wie Sport als Unterhaltung auf absehbare Zeit nicht zu denken sei. "Auf Dinge, die schön sind, aber nicht systemrelevant, wird man lange verzichten", meinte etwa der omnipräsente Professor Christian Drosten, Leiter der Virologie der Charite.

Sein Kollege Professor Jonas Schmidt-Chanasit rechnet frühestens nächstes Jahr mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs, da sich aus seiner Sicht auch bei Geisterspielen viel zu viele Menschen zum gemeinsamen Fußball schauen treffen würden und gegenseitig anstecken könnten. "Spaßveranstaltungen kommen zum Schluss", sagte der Leiter des Bernard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin.

Bundesliga-Pause: Zehntausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Damit machen es sich die Mediziner allerdings zu einfach, denn um Spaß geht es schon lange nicht mehr. Allein die beiden deutschen Profiligen beschäftigen rund 56.000 Menschen, hinzu kommen tausende weitere Arbeitsplätze im Umfeld, wie bei Security-Firmen oder Caterern. Für die gesamte Fußballbranche spricht DFB-Präsident Fritz Keller von rund 250.000 Vollzeitbeschäftigten.

Deshalb ist die Beendigung der Meisterschaft, zu der noch neun Spieltage fehlen, so existentiell - weniger für die Millionäre in kurzen Hosen als vielmehr für die normalen Mitarbeiter und die von der Pleite bedrohten Vereinen. Ohne Zuschauer fehlen etwa 140 Millionen Euro an Einnahmen, aber immerhin würden durch Spiele hinter verschlossenen Türen rund 600 Millionen Euro durch TV-Gelder und Sponsoren fließen. Ansonsten, so DFB-Vizepräsident Rainer Koch, sei "die Existenzfähigkeit des gesamten Profifußballs" gefährdet.

Aus diesem Grund mehren sich die Stimmen, die neben der wirtschaftlichen Bedeutung auch auf den Wert der Unterhaltungsware Fußball für die zunehmend gelangweilten und frustrierten Fans hinweisen. "Niemand weiß heute, für wie lange Kontaktverbote bis hin zu möglichen Ausgangssperren bestehen werden. Ich teile die Meinung von Experten, dass eine Gesellschaft diesen Maßnahmen über womöglich Monate hinaus nicht gewachsen sein wird. Umso wichtiger scheint es mir deshalb, dass Millionen Sportfreunden Freude erhalten bleibt, selbst wenn es nur das Live-Erlebnis vor dem Bildschirm ist", schrieb Eintracht Frankfurts Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Steubing in einem Gastbeitrag für den kicker. Und der ehemalige DFL-Boss Heribert Bruchhagen meinte: "Ich glaube, dass Geisterspiele, so sie denn genehmigt werden, einer von vielen kleinen ersten Schritten zurück in eine normale Welt sein können."

DFL-Ziel: Geisterspiele spätestens ab Mitte Mai

Hinter den Kulissen gibt man sich beim DFB, bei der DFL und den Vereinen zuversichtlich, dass es nach Ostern zu Lockerungen im Alltagsleben kommen wird und dann auch der in der Politik bestens vernetzte Profi-Fußball gute Aussichten auf eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs hat. Spätestens Mitte Mai soll es wieder losgehen, um dann rechtzeitig bis zum 30. Juni die Saison fertig zu spielen. Sollte die Zeit aber zu knapp werden für die noch offenen 82 Bundesligapartien, könnte der Titel auch in einem abgespeckten Turnierformat ausgespielt werden.

Ziel ist allerdings, die fußballlose Zeit mit einem Überangebot wettzumachen. "Wir könnten bei Wiederaufnahme alle zwei bis drei Tage spielen und die Saison in eineinhalb Monaten durchbekommen. Da wäre die Belastung auch für alle gleich. Ich habe den Vorschlag gemacht, dass wir jeden Abend Spiele ansetzen. Das wäre von Montag bis Sonntag Prime-Time, das wäre ja auch lukrativ für die Anbieter", sagte Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic diese Woche zu SPOX und Goal.

All diese Gedankenspiele haben jedoch das Manko, das sie ohne das Coronavirus gemacht werden. Nur eine spürbare Verbesserung der derzeitigen Krisensituation wird eine Rückkehr auf den Rasen überhaupt ermöglichen - und selbst dann bleibt die entscheidende Frage, wie man sich ohne Impfschutz vor erneuten Infektionen von Profis schützen soll, durch die dann sämtliche Pläne wieder hinfällig würden.

Komplett abgeschottete Vorbereitung und Rest-Rückrunde?

Hoffnung macht daher ein offenbar bereits intensiv diskutiertes Szenario, das Dr. Koch am vergangenen Sonntag im Doppelpass erstmals aussprach: "Möglicherweise könnte es eine Lösung sein, den Personenkreis dauerhaft in einer abgeschotteten Umgebung zu halten. Wir können den Profifußball nur in einer gesunden Umgebung stattfinden lassen."

Konkret könnte das Modell so aussehen: Nach der jetzigen Kontaktsperre bereiten sich die Bundesligisten mit rund 25 Spielern sowie einem extrem verkleinerten Staff nach Ostern unter permanenter medizinischer Kontrolle etwa einem abgesperrten Hotel, einer Sportschule oder einem Vereinsinternat, auf die Rest-Rückrunde vor.

Ab Mitte Mai würden diese Teams dann per Bus direkt zu einigen wenigen Stadien gebracht, in denen mit der maximal reduzierten Anzahl an zusätzlichen Anwesenden die Geisterspiele durchgeführt und im Fernsehen übertragen würden. Die Bedingungen wären für alle gleich, die Ansteckungsgefahr zumindest so gering wie möglich. Nachteil wäre sicher die wochenlange Kontaktsperre der Beteiligten zur eigenen Familie und Freunden, allerdings ist eine solche Kasernierung vergleichbar mit den Bedingungen einer Nationalmannschaft bei einer WM- oder EM-Endrunde oder, etwas kürzer, in der Saisonvorbereitung.

"Grundsätzlich ist es so, dass Fußballmannschaften in der Sommer- und Winterpause ins Trainingslager gehen und manchmal auch dort zehn, zwölf Tage unterwegs sind. Die Spieler sind also durchaus daran gewöhnt, und bevor es wieder losgeht, müssen die Mannschaften sich ohnehin wieder einspielen", meinte Robert Schäfer, ehemaliger Vorstandschef von Fortuna Düsseldorf, dazu im kicker. "Die Frage ist, ob es von den Behörden als sinnvoll erachtet wird."

Nicht die einzige offene Frage, aber immerhin ist das Modell einer Art Quarantäne-Liga in diesen Zeiten schon ein Hoffnungsschimmer für Millionen Fans.

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