Nur ein Punkt aus den letzen neun Bundesliga-Spielen: Eintracht Frankfurt befindet sich nach einem verheißungsvollen Saisonstart mit dem 5:1-Heimsieg gegen den FC Bayern als Highlight plötzlich in Abstiegsnähe.
Müssen die Verantwortlichen nun auf dem Transfermarkt aktiv werden? "Wir haben einen Kader, der gezeigt hat, dass er Fußball spielen kann", sagte Sportvorstand Fredi Bobic vor der Winterpause. "Es ist nicht so, dass wir total aktionistisch handeln wollen. Wenn wir uns verstärken können und alle Parameter stimmen, werden wir das tun. Das ist aber kein Muss."
Heißt auch: Trainer Adi Hütter steht angesichts der oft enttäuschenden, weil inspirationslosen Leistungen des Eintracht-Kollektivs in den vergangenen Wochen in der Pflicht, mehr aus dem vorhandenen Spielermaterial herauszuholen. SPOX und Goal nehmen zu Beginn des SGE-Trainingslagers in Florida die einzelnen Mannschaftsteile unter die Lupe.
Tor: Das sehnsüchtige Warten auf Trapp
Auf der Torwartposition besteht kein Handlungsbedarf, hat die SGE mit Kevin Trapp (29) immerhin einen der zuverlässigsten deutschen Schlussmänner in ihren Reihen. Allerdings fehlt Trapp seit Anfang Oktober aufgrund einer Schulterverletzung, was zweifellos auch einer der Gründe für das jüngste Formtief ist. Zum einen zählt der Publikumsliebling mit all seiner Ausstrahlung und seiner Erfahrung zu den wichtigsten Leitfiguren, zum anderen verfügen seine Vertreter nicht annähernd über seine Qualität zwischen den Pfosten.
Frederik Rönnow (27) machte seine Sache in vielen Spielen zwar besser als erwartet, fiel hin und wieder aber krankheitsbedingt aus und zog sich Mitte Dezember zudem noch einen Sehnenriss im Oberschenkel zu. In der Abwesenheit des Dänen rückte mit Felix Wiedwald (29) die ursprüngliche Nummer drei ins Tor. Der Ex-Bremer erwies sich als Unsicherheitsfaktor. Folgenschwer: sein Patzer bei der 0:2-Heimpleite gegen Wolfsburg.
Bei den Hessen warten nun alle sehnsüchtig auf die Rückkehr von Rückhalt Trapp. "Ich bin auf einem guten Weg", sagt der Nationalspieler. Läuft alles nach Plan, ist er zum Rückrundenauftakt gegen die TSG Hoffenheim am 18. Januar wieder einsatzfähig.
Abwehr: Wenig Flexibilität, viel Hinteregger
In den vergangenen Jahren nur bei Kontern anfällig, ist die Hintermannschaft der SGE mittlerweile auch aus dem Spiel heraus verblüffend einfach zu knacken. Von den Abwehrspielern erreicht einzig Martin Hinteregger (27) Normalform, der Österreicher ist mit sechs Bundesliga-Treffern in dieser Saison sogar der torgefährlichste Verteidiger aller europäischer Topligen.
Langjährige Stützen wie Makoto Hasebe (35) und David Abraham (33) stehen jedoch neben sich und erweisen ihren Kollegen mit unnötigen Fouls oder wie in Person von Abraham mit Unsportlichkeiten einen Bärendienst, während die im 3-5-2 offensiv ausgerichteten Außenverteidiger Danny da Costa (26) und Filip Kostic (27) nach 56 Pflichtspielen in 2019 schlichtweg erschöpft sind und gerade bei Kontern nicht mehr die Wege zurückmachen können, die sie vor ein paar Monaten noch zurückmachten.
Nur mit Formschwäche und Müdigkeit lassen sich die schwachen Defensivleistungen jedoch nicht erklären. Hütter muss sich auch einen Mangel an Flexibilität eingestehen. Erst beim letzten Hinrunden-Spiel baute der Frankfurter Coach auf eine Viererkette um und gab den Reservisten Almamy Toure (23) und Simon Falette (27) eine Chance von Beginn an.
Für Falette war es sogar der erste Einsatz überhaupt in dieser Saison, obwohl er sich gerade in den K.o.-Spielen der Europa League im vergangenen Frühjahr als zuverlässige Alternative erwiesen hatte. Ob der Linksfuß über den Winter hinaus bleibt, ist mehr als fraglich, so soll der 1. FC Köln schon seit Monaten Interesse an ihm bekunden.
Im Falle eines Falette-Abschieds bräuchte die Eintracht wohl noch einen Innenverteidiger. Idealerweise einen ohne Schnelligkeitsdefizite, wie die "alten Hasen" Hasebe und Abraham sie haben, und mit dem Potenzial, neben Talent Evan N'Dicka (20) zum Abwehrchef der Zukunft zu avancieren.
Nach Informationen von SPOX und Goal gibt es Überlegungen, Jesus Vallejo (22) zurückzuholen. Der weniger erfolgreich von Real Madrid an die Wolverhampton Wanderers verliehene U21-Europameister wäre allerdings wohl auch vorerst nur bis zum Saisonende zu bekommen, zumal der DFB-Pokalsieger von 2018 nicht der einzige Interessent ist.
Darüber hinaus ranken sich Gerüchte um eine Verpflichtung von Kevin Vogt (28). Der wechselwillige Verteidiger der TSG Hoffenheim könnte sofort in die Rolle von Hasebe als Zentrumsspieler in der Dreierkette schlüpfen. Fragt sich nur: Braucht Hasebe schon einen Erben?
Auch die Außenverteidigerpositionen sind für eine Mehrfachbelastung nicht gut genug besetzt. Der ausgelaugte da Costa wurde zuletzt durch den nach langer Verletzung aus dem Rhythmus gekommenen Timothy Chandler (29) vertreten, während auch Neuzugang Erik Durm (27) in keinem seiner Einsätze so recht zu überzeugen wusste. Transfers auf diesen Positionen sind im Winter allerdings nicht geplant, zumal auch N'Dicka noch als Linksverteidiger agieren kann, falls sich Hütter häufiger für eine Viererkette entscheidet.
Eintracht Frankfurt seit dem 5:1 gegen den FC Bayern
Begegnung | Ergebnis |
Standard Lüttich - Eintracht Frankfurt | 2:1 |
SC Freiburg - Eintracht Frankfurt | 1:0 |
Eintracht Frankfurt - VfL Wolfsburg | 0:2 |
FC Arsenal - Eintracht Frankfurt | 1:2 |
Mainz 05 - Eintracht Frankfurt | 2:1 |
Eintracht Frankfurt - Hertha BSC | 2:2 |
Eintracht Frankfurt - Vitoria Guimaraes | 2:3 |
Schalke 04 - Eintracht Frankfurt | 1:0 |
Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln | 2:4 |
SC Paderborn - Eintracht Frankfurt | 2:1 |
Mittelfeld: Statisch und eindimensional
Die mit der hohen Belastung der vergangenen zwölf Monate einhergehenden Verschleißerscheinungen machen sich am deutlichsten im Mittelfeld bemerkbar. Dass Abräumer wie Gelson Fernandes (33) oder Sebastian Rode (28) irgendwann auf dem Zahnfleisch gehen würden, war auch für die Eintracht-Bosse absehbar. Sie holten vor der Saison mit Djibril Sow (22) und Dominik Kohr (25) zwei physisch präsente Mittelfeldspieler für knapp 18 Millionen Euro.
Das Problem: Sie sind bislang keine wirklichen Verstärkungen, treffen insbesondere mit dem Ball häufig die falschen Entscheidungen. Auch der schon 2018 verpflichtete Lucas Torro (25) kommt wegen diverser Verletzungen ebenso wenig in Fahrt wie Routinier Jonathan de Guzman (32), der von August bis November ausfiel.
Generell wirkt der Fußball der Eintracht nach vorne statisch und eindimensional - wenn etwas geht, dann über die linke Kostic-Seite. Darauf haben sich die meisten Gegner inzwischen eingestellt und doppeln den emsigen Serben konsequent. Für einen Hauch Unberechenbarkeit sorgt hin und wieder Daichi Kamada (22), den die Eintracht nach mehreren Leihgeschäften in die Mannschaft integrierte. Dem kreativen Japaner geht aber - mit Ausnahme von dem wichtigen Sieg in der Europa League beim FC Arsenal - noch die Torgefahr und spielerische Konstanz über 90 Minuten ab, er verschleppt viele Bälle und ist in seiner Debüt-Saison schlichtweg noch nicht an die Härte der Bundesliga gewöhnt.
Zumindest ist er besser in Form als Mijat Gacinovic (24). Auf den serbischen Spielmacher trifft schon seit mehreren Jahren zu, was auf einen Großteil seiner Kollegen aktuell zutrifft: Er macht viel zu wenig aus seinem Potenzial. Ob Pässe oder Abschlüsse im letzten Drittel, die Entscheidungsfindung von Gacinovic lässt viele Wünsche offen.
Nicht auszuschließen, dass die Frankfurter im Zentrum noch nachbessern, falls sich die Möglichkeit dazu ergibt. Gesucht: mehr Dynamik und Spielwitz. Umso bitterer aus SGE-Sicht, dass der Transfer von Max Kruse im Sommer scheiterte und der Ex-Nationalspieler stattdessen einen Wechsel in die Türkei bevorzugte.
Sturm: Zwei Enttäuschungen und ein Traum
Dass es an Ideen im letzten Drittel mangelt, liegt auch an der neu formierten Sturmreihe der SGE. Dejan Joveljic (20) ist noch zu grün hinter den Ohren, die mit vielen Vorschusslorbeeren nach Frankfurt gekommenen Neuzugänge Bas Dost (30) und Andre Silva (24) erfüllen auch wegen körperlicher Probleme die Erwartungen nicht ansatzweise und der zumindest noch halbwegs treffsichere Goncalo Paciencia (25) ist vieles, nur kein kombinationsfreudiger Angreifer.
Der Beleg dafür: Seit dem 5:1 gegen Bayern erzielte die Eintracht nur sechs Tore in sieben Bundesliga-Partien - einzig zwei davon fielen aus dem Spiel heraus, die restlichen kamen durch Eckbälle zustande. Es fehlt an vorderster Front an Wucht und Chaos, was sicherlich den Abgängen der "Büffel" Luka Jovic (22), Sebastien Haller (25) und Ante Rebic (26) geschuldet ist.
Um Letzteren ranken sich seit Wochen Spekulationen, wonach er im Januar schon wieder an den Main zurückkehren könnte. Der ursprünglich für zwei Jahre an den AC Mailand verliehene Offensiv-Allrounder kommt überhaupt nicht zum Zug (177 Einsatzminuten in der Hinrunde) und hat durch die Ankunft von Zlatan Ibrahimovic nun einen weiteren Konkurrenten vor sich. Allerdings gestaltet sich eine Rückkehr des Pokalhelden, von der so viele SGE-Fans träumen, bislang als schwierig, da der stolze Kroate nicht vollends von der Idee überzeugt sein soll, nun erneut das Trikot überzustreifen, das er vor weniger als einem halben Jahr noch unbedingt ablegen wollte.
Ein Verbleib in Mailand wäre für Rebic jedoch ein großes Wagnis, schließlich steht im Sommer eine EM an. Wie die Geschichte auch ausgehen mag: Bobic und Co. werden die Augen nach Alternativen offen halten. Für die neue Saison haben die Adler schon einen neuen Mann für die Offensive an Land gezogen: Der in Frankfurt geborene U21-Nationalspieler Ragnar Ache (21) kommt vom niederländischen Erstligisten Sparta Rotterdam.
Die ersten fünf Rückrunden-Spiele der SGE
Gegner | Wettbewerb | Datum | Anstoßzeit |
TSG Hoffenheim (A) | Bundesliga | 18. Januar | 15.30 Uhr |
RB Leipzig (H) | Bundesliga | 25. Januar | 15.30 Uhr |
Fortuna Düsseldorf (A) | Bundesliga | 1. Februar | 15.30 Uhr |
RB Leipzig (H) | DFB.Pokal | 4. Februar | 18.30 Uhr |
FC Augsburg (H) | Bundesliga | 7. Februar | 20.30 Uhr |