BVB auf Linksverteidiger-Suche: Mein linker, linker Platz ist frei

Marcel Schmelzer steht beim BVB vor dem Aus. Ihn beerben könnten Nico Schulz und Filipe Luis.
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Borussia Dortmund will im Sommer Teil zwei des Umbruchs angehen. Im Fokus steht dabei besonders die Linksverteidigerposition - und das zu Recht. Denn besonders dort ließ die Kaderplanung des BVB in den vergangenen Jahren zu wünschen übrig. Es kursieren zahlreiche Namen und das Ende einer Ära wird immer wahrscheinlicher.

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Hans-Joachim Watzke schnaufte einmal kurz durch. Soeben hatte ihn Jörg Wontorra in seiner Talkshow gefragt, warum Filipe Luis, 33 Jahre alt, Linksverteidiger von Atletico Madrid, trotz seines fortgeschrittenen Alters einer für Borussia Dortmund sei.

Nach der Mini-Atempause kokettierte der BVB-Geschäftsführer mit einer gewissen Ahnungslosigkeit. Er wisse gar nicht so recht, ob Filipe Luis einer für Dortmund sei, sagte Watzke, bestätigte nur ein paar Sätze später dann aber doch gewissermaßen das Interesse des BVB.

"Wenn du hörst, dass ein Filipe Luis ablösefrei auf den Markt kommt, dann denkst du zumindest mal darüber nach", erklärte Watzke. Es sei zwar längst nicht so heiß, wie von den Medien kolportiert, aber Fakt ist, dass der BVB "auf der Linksverteidigerposition auf jeden Fall etwas machen" werde.

Marcel Schmelzer beim BVB unter Favre: Das Ende einer Ära

Eine Position, die nach Watzkes Meinung "am allerschwersten" zu besetzen sei, weil sie so "speziell" ist. Dass das so ist, zeigt die aktuelle Kaderzusammenstellung der Dortmunder: Der einzige nominelle Linksverteidiger ist Marcel Schmelzer - und dessen Aussichten auf Spielzeit unter Lucien Favre sind mittlerweile auf ein Minimum geschrumpft.

Den letzten Beweis dafür erbrachte das Spiel gegen den VfL Wolfsburg vor zwei Wochen. Nicht mal als mit Achraf Hakimi (Mittelfußbruch) und Abdou Diallo (Wadenprobleme) jene zwei Spieler verletzt raus mussten, denen Favre seit Jahresbeginn den Vorzug vor Schmelzer gibt, wurde der 31-Jährige eingewechselt.

Die Ära Schmelzer, neben Lukasz Piszczek ist er das einzig verbliebene Kader-Relikt aus den Meisterjahren 2011 und 2012, wird wohl im Sommer enden, ein Wechsel gilt als sehr wahrscheinlich. Watzkes Klarstellung, dass es auf jeden Fall Verstärkungen auf der linken Verteidigerseite geben werde, ist dahingehend relativ unmissverständlich.

Borussia Dortmund: Die nominellen Außenverteidiger des BVB

SpielerPosition
Achraf HakimiLinks- und Rechtsverteidiger
Marcel SchmelzerLinksverteidiger
Lukasz PiszczekRechtsverteidiger

BVB und die Linksverteidiger-Problematik: Es gibt nur Plan B

Doch Watzkes Aussagen bestätigen auch, dass der BVB aktuell keinen zukunftsträchtigen Plan A für die Linksverteidigerposition hat und der auch durch Verletzungen mehrfach geänderte Plan B nur geringfügig fruchtete. Da wäre zum Beispiel Diallo, der eigentlich als Innenverteidiger geholt wurde und auf links aushalf - mit überschaubaren Leistungen.

Oder Raphael Guerreiro, der als Linksverteidiger geholt wurde, den Favre aber wie schon Thomas Tuchel lieber im Mittelfeld sieht. Oder im Notfall auch Dan-Axel Zagadou, der aktuell im Kampf um den zweiten Innenverteidiger-Posten neben Manuel Akanji noch die Nase vorn hat, aber gegen den FC Bayern heillos überfordert war und Fehler an Fehler reihte.

Fehler, die auch ein zunächst hochgelobter Hakimi machte. Der wäre auf links dennoch ein Kandidat für Plan A, wenn da nicht die vermutlich unvermeidliche Rückkehr zu Real Madrid im Sommer 2021 wäre.

Ganz ähnlich wie bei einem bekannten Kennenlernspiel für Kinder ist Dortmunds "linker, linker Platz" frei. Doch wen wünscht sich der BVB herbei?

Filipe Luis zum BVB? "Mit nur 19- und 21-Jährigen wird es eng"

Da wäre zum einen dieser 33 Jahre alte Filipe Luis, der so gar nicht in das Beuteschema der Borussia passen will und deswegen Wontorra zur Frage nach der Sinnhaftigkeit veranlasste. Das Alter ist für Watzke jedoch kein Ausschlusskriterium. Ganz im Gegenteil.

"Mit nur 19- und 21-Jährigen wird es auch eng. Mal einen Spieler dazu zu haben, der ein bisschen mehr Erfahrung hat, ist grundsätzlich nie verkehrt", stellte Watzke klar. Und die hat Luis zur Genüge. 46 Mal stand er in der Champions League für Atletico und Chelsea auf dem Platz und stand bei beiden Finalschlachten der Rojiblancos gegen Real Madrid in der Startelf.

Zwar ist Luis aufgrund seines Alters nicht unbedingt eine Dauerlösung, aber ein gern zitierter und beim BVB sicherlich gern gesehener Mentalitätsspieler aus der Kampfschwein-Schmiede von Diego Simeone. Er wäre - Stand jetzt - ablösefrei zu haben. Der 38-malige brasilianische Nationalspieler erklärte zwar zuletzt, dass eine Vertragsverlängerung bei Atletico "Priorität" habe, er aber gleichzeitig "keine Tür schließen" wolle.

Sein Vertrag läuft im Sommer bei Atletico Madrid aus: Filipe Luis.
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Sein Vertrag läuft im Sommer bei Atletico Madrid aus: Filipe Luis.

BVB-Gerüchte um Schulz und Max: Lösung auf Deutsch?

Während der BVB also zumindest über Luis nachdenke, wie Watzke bestätigte, entsprächen zwei deutsche Lösungen mehr der BVB-Umbruchs-DNA. Nachdem die Sportbild darüber berichtet hatte, dass die Schwarz-Gelben ohnehin ihren Fokus bei Transfers vermehrt auf deutsche Spieler legen wollten, fiel nicht selten der Name Philipp Max.

Nach einer herausragenden Saison 2017/18 mit zwölf Torvorlagen galt der 25-Jährige schon als kommender Nationalspieler, der zwangsläufig bei einem großen Klub im In- oder Ausland landen werde. Mittlerweile ist der "Hype" aber etwas verflogen, - auch weil Max offensiv nicht mehr so herausragend spielt, defensiv immer mal wieder für Wackler gut ist und Schwächen im Passspiel hat (72,6 Prozent Passquote).

Gründe, aus denen Joachim Löw Max noch nie für das DFB-Team nominiert hat und dafür dennoch scharf kritisiert wurde. Man habe Max einige Male beobachtet, er habe eine gute letzte Saison gespielt und auch jetzt wieder gut begonnen, erklärte der Bundestrainer. Aber: "Ich sehe Nico Schulz eine Nasenlänge vor Max."

Zu diesem Entschluss ist offenbar auch der BVB gekommen. Schulz soll mittlerweile der Spieler sein, den man am liebsten auf dem linken, linken Platz hätte. Das berichteten die Ruhr Nachrichten vergangene Woche. Und anders als Luis wäre der Hoffenheimer ein echter, langfristiger Plan A.

Ist in der Nationalmannschaft als Linksverteidiger gesetzt: Nico Schulz.
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Ist in der Nationalmannschaft als Linksverteidiger gesetzt: Nico Schulz.

BVB und die Linksverteidiger: Es braucht Plan A und B

Schulz ist mit seinen 26 Jahren das, was man gemeinhin als jung und trotzdem erfahren bezeichnet - immerhin ist er als Nationalspieler aktuell gesetzt und auch die Champions League ist für ihn kein Neuland (8 Spiele). Sprich: Schulz verfügt über ein gewisses Grundniveau, hohes Tempo und ist noch entwicklungsfähig. Ideale Attribute also eigentlich für den BVB - und auch für Schulz. Denn um den Stammplatz bei Löw behalten zu können und nicht in der Entwicklung zu stagnieren, will und muss er in der Königsklasse spielen.

Anders als bei Luis stapelte Watzke bei der Personalie Schulz jedoch auffallend tief. Ein Linksverteidiger sei Schulz nur, wenn man es weit interpretiere, sagte der 59-Jährige: "Meines Wissens nach spielen die in Hoffenheim mit einer Dreierkette und er spielt links davor." Ein Ausschlusskriterium also? Oder vielleicht doch nur taktisches Kalkül? Schließlich stellte Watzke ebenfalls fest, dass jeder ganz gerne einen deutschen Spieler haben wollte.

Zumindest bezüglich der Max-Gerüchte dementierte der kicker zuletzt das BVB-Interesse. Bleiben also noch Schulz und Luis und "200 andere Leute", mit denen man sich über das ganze Jahr hinweg beschäftige, wie Watzke behauptete. Einer davon soll auch Wolfsburgs Jerome Roussillon sein. Namen wolle Watzke aber nicht kommentieren.

Der BVB sitzt aktuell wie beim Kinder-Kennenlernspiel in einem Kreis voller Kandidaten und hat damit begonnen, die Zauberformel auszusprechen. Nur weiß er vielleicht selbst noch nicht genau, wen er sich tatsächlich herbeiwünschen soll. Luis oder Schulz? Im Idealfall wohl beide. Den jüngeren, schnelleren, entwicklungsfähigeren Schulz als Plan A und den älteren, erfahreneren, kämpferischen Luis als Plan B.

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