Sebastian Rudy beim FC Schalke 04: Stiller Anführer ohne Autorität

Von Robin Haack
Sebastian Rudy spielt seit Sommer 2018 für den FC Schalke 04.
© getty

Noch ist Sebastian Rudy beim FC Schalke 04 nicht die erhoffte Verstärkung. Doch der stille Anführer hat mit mehr zu kämpfen als nur seinem eigenen Spiel.

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Mit breitem Grinsen stieg Sebastian Rudy am Nachmittag des 27. August aus seinem Auto, um beim FC Schalke 04 den Medizincheck zu absolvieren und sein Arbeitspapier zu unterschreiben. Vorbei an den wartenden Medienvertretern und einigen Fans ging er an der Seite von Sportdirektor Axel Schuster in die Geschäftsstelle der Gelsenkirchener und die meisten Anwesenden waren sich einig: Dieser Rudy wird Königsblau weiterhelfen.

Als großer Hoffnungsträger geholt, sollte der 28-Jährige die Fäden im Mittelfeld ziehen. Im Zuge der angedachten Systemumstellung vom 3-5-2 auf eine Viererkette in der Abwehr war Rudy der absolute Wunschspieler von Trainer Domenico Tedesco. Anders als bei seinem Ex-Klub FC Bayern war er auf Schalke als zentraler Mann eingeplant.

Dass der gebürtige Schwabe das Spiel mit seiner guten Übersicht und seinem starken Passspiel organisieren kann, hat er bereits bei seinen Stationen in München, Hoffenheim und auch in der Nationalmannschaft unter Beweis gestellt.

Gisdol: "Rudy gehörte immer zu den herausragenden Spielern"

"Er ist ein Spieler mit außergewöhnlichem Talent. Sebastian ist ein Junge, der schon immer alles konnte, ohne viel dafür tun zu müssen - technisch und athletisch gehörte er immer zu den herausragenden Spielern", attestiert sein langjähriger Trainer Markus Gisdol exklusiv gegenüber SPOX und Goal. Auf dem Papier ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Rudy und dem Vizemeister.

Auf diese Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, immer zu den Besten zu gehören, wartet man auf Schalke aber bis heute vergeblich. Auch, weil S04 und Rudy mit fünf Niederlagen in die Bundesligaspielzeit gestartet sind. So wurde schon wenige Wochen nach Saisonbeginn alles in Gelsenkirchen hinterfragt. Schnell ist in solchen Situationen der 16 Millionen Euro teure Neuzugang der Schuldige.

Vor allem Rudys Körpersprache und ruhige Art, die auf den ersten Blick nicht an einen klassischen Leader erinnern, wurden öffentlich hinterfragt. Ein Problem, mit dem beispielsweise auch Spieler wie Mesut Özil zu kämpfen haben. "Wenn man sich von ihm einen lauten und mächtigen Anführer erwartet, liegt man falsch", weiß sein Ex-Coach Gisdol. "Er ist eher ein stiller Typ, der keine lauten Ansprachen in der Kabine hält." Statt durch Worte hat der 28-Jährige den Anspruch, mit Leistung auf dem Platz zu überzeugen.

Rudy hinkt auf Schalke den Ansprüchen hinterher

Doch als selbst Tedesco und Sportvorstand Christian Heidel durchblicken ließen, dass sie sich schneller einen größeren Einfluss des Bayern-Neuzugangs erhofft hatten, fand sich Rudy mehrfach auf der Bank wieder. Zwischenzeitlich reichte es aus Leistungsgründen nicht einmal für einen Platz im 18er-Kader - ein Rückschlag, mit dem der Nationalspieler zu kämpfen hatte. Das breite Grinsen suchte man bei ihm in dieser Zeit vergebens.

"Sebastian weiß sehr gut, was er kann und ist niemand, der die Schuld bei anderen sucht", erklärt Gisdol, der als einer seiner größten Förderer gilt und ihn 2014 zum Nationalspieler formte. "Ich glaube, Rückschläge motivieren ihn eher, sodass er noch härter arbeitet und versucht, sich durch Leistungen wieder in den Vordergrund zu spielen", führt der langjährige Hoffenheim-Coach aus.

Dass der zentrale Mittelfeldmann in der Hinrunde weit davon entfernt war, den Ansprüchen zu entsprechen und Schlüsselspieler auf Schalke zu sein, zeigt allein ein Blick auf seine Leistungsdaten. Nur siebenmal stand er in der Bundesliga in der Startelf. Dabei gab er lediglich zwei Torschüsse ab und bereitete fünf weitere Schüsse aufs Tor vor. Auch seine Passquote (83,7 Prozent) und Zweikampfquote von 46 Prozent sind keinesfalls überragende Werte.

Nach tiefgehender Analyse in der Winterpause sollte das viel zitierte Rudy-Rätsel pünktlich zur Rückrunde endlich gelöst worden sein und nach den ersten Spielen des Jahres 2019 scheint es, als passe der Ex-Münchner zunehmend besser ins System von Trainer Tedesco. Sowohl gegen Hertha BSC, den VfL Wolfsburg als auch im Pokalspiel gegen Fortuna Düsseldorf zeigte er ansprechende Leistungen.

Hoffnung auf die Lösung des Rudy-Rätsels

Einen Lautsprecher, der auf dem Platz Kommandos gibt, besonders autoritär auftritt oder sich durch spektakuläre Aktionen in den Vordergrund rückt, sucht man zwar auch 2019 vergeblich, aber inzwischen sollte auch auf Schalke klar sein, dass Rudy andere Qualitäten hat. "Er ist ein Anführer, aber auf seine eigene Art", erklärt Gisdol und führt aus: "Aufgrund seiner spielerischen Qualitäten war er zu unserer gemeinsamen Zeit in Hoffenheim ein Leitwolf und seine Mitspieler haben zu ihm aufgeschaut."

"Sebastian wird auf Schalke noch eine wichtige Rolle spielen", ist sich auch S04-Aushilfskapitän Daniel Caligiuri, der Rudy bereits aus gemeinsamen Kindertagen beim SV Zimmern kennt, sicher. Eine Meinung, die auch Gisdol teilt, denn auch er betont, dass man den Nationalspieler "keinesfalls abschreiben oder als Fehleinkauf abstempeln" sollte: "Ich habe nach wie vor große Hoffnung, dass er die Erwartungen auf Schalke erfüllt."

Ähnlich wie Gisdol hat auch Trainer Tedesco mit Blick auf seine vergangenen Aufstellungen Hoffnung, dass der Mittelfelddirigent schon bald durchstartet und das Rudy-Rätsel endgültig gelöst werden kann. Im Idealfall soll Rudy das schon am Samstag unter Beweis stellen, wenn S04 in München gastiert, um sich mit dem Rekordmeister zu messen.

Und vielleicht kehrt ja dann allmählich auch das breite Grinsen zurück ins Gesicht von Schalkes stillem Anführer.

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