SGE-Präsident Peter Fischer im Interview: "Schäme mich für 13 Prozent der Deutschen"

Peter Fischer ist seit 2000 Präsident von Eintracht Frankfurt
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Peter Fischer ist bald der Präsident mit der längsten Amtszeit in der Geschichte von Eintracht Frankfurt. Der 61-Jährige führte vor seiner Zeit bei der SGE ein bewegtes Leben. Im Interview spricht Fischer über den Start als Präsident, sein ungewöhnliches Aufwachsen, die Probleme zwischen Fans und DFB sowie sein Vor-Ort-Erlebnis beim Tsunami 2004 in Thailand.

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SPOX: Herr Fischer, einen Wikipedia-Eintrag findet man zu Ihnen nicht, dafür aber reichlich Beschreibungen wie "Phänomen" oder "schrill-schräger Präsident". Können Sie sich damit anfreunden?

Peter Fischer: Wenn Menschen extrovertiert sind, polarisieren sie in unserer Gesellschaft. Das trifft sicherlich auch ein Stück weit auf mich zu. Ich stehe aber einerseits zu meinem Stil und akzeptiere gleichzeitig andere Meinungen, sodass ich mich grundsätzlich nicht gegen subjektive Darstellungen über mich und mein Image aus früheren Zeiten wehre.

SPOX: Mit früher meinen Sie die Zeit, bevor Sie im Jahr 2000 Präsident von Eintracht Frankfurt geworden sind?

Fischer: In etwa. Ich hatte zu Beginn meiner Amtszeit noch längere Haare, war braungebrannt, hatte meinen Zweitwohnsitz auf Ibiza und trug farbige Anzüge. Zu jener Zeit entstand das von Ihnen erwähnte Bild von mir. Mir wurde durchaus Sympathie zuteil, aber ich passte nicht ins Präsidenten-Klischee und lag damit nicht im Mainstream. Mittlerweile habe ich meine mediale Präsenz deutlich zurückgefahren, erfinde mich aber auch nicht neu, sondern bleibe, wie ich bin.

SPOX: Stand jetzt bleiben Sie Präsident bis mindestens 2018 und wären dann so lange im Amt wie keiner Ihrer Vorgänger. Sie sagten einmal, es sei eine "idiotische Entscheidung" gewesen, diesen Job anzunehmen.

Fischer: Das Ganze hat eine Vorgeschichte. Ich gehörte schon einmal Ende der 1990er Jahre zum Kreise der Kandidaten für das Präsidentenamt. Letztlich wurde Rolf Heller gewählt. Zuvor lud mich damals ein großer Unternehmer, mit dem ich erfolgreich zusammenarbeitete, in sein Büro nach Bad Homburg ein. Er stellte mir Rolf Heller vor. Wir kamen über unsere Eintracht-Affinität ins Gespräch. Nach zwei Stunden meinte er: Wenn ich mir das alles so anhöre, was du sagst und wie du die Zukunft des Klubs strukturieren würdest - warum machst denn du das nicht? Damals habe ich nur darüber gelacht und keine Sekunde auch nur einen Gedanken daran verschwendet.

SPOX: Wie konnte man Sie dann ein paar Jahre später also dazu überreden?

Fischer: Man hatte mich zusammen mit zwei, drei anderen Leuten angesprochen, einen Präsidenten für die Eintracht zu suchen. Ich war Unternehmensberater und hatte ein großes Netzwerk. Die Suche verlief aber bei uns allen im Nichts. Als wir dann erneut zusammensaßen und uns beratschlagten, schlugen meine Mitstreiter unvermittelt vor, dass ich das doch machen könne. Das wäre kein großes Problem. Einmal pro Woche eine Sitzung, einen besseren Parkplatz am Stadion - um Karten müsse ich mich auch nicht mehr kümmern. Also versuchte ich es mal. (lacht)

SPOX: Ganz so unproblematisch war es dann aber nicht, oder?

Fischer: Selbstverständlich nicht. Wir hatten kaum Mitglieder, es gab vier Mitarbeiter, die Infrastruktur lag komplett brach und unter 60 Stunden Arbeit in der Woche ging für mich nichts.

SPOX: Haben diese Umstände Ihren Ehrgeiz erweckt, künftig als Präsident so erfolgreich sein zu wollen wie in Ihrem vorherigen Berufsleben?

Fischer: Zunächst einmal wurde ich bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Ich kam gerade von einem zweitägigen Besuch bei einem Freund auf Mallorca zurück. Mit ihm hatte ich mich zu der Situation und Position ausgetauscht. Nun wurde ich zu meinen Vorstellungen als Präsident gefragt. Ich formulierte drei Ziele: Der Verein solle 10.000 Mitglieder haben, es müsse ein neues Trainingszentrum am Riederwald entstehen und ich möchte eine starke Verzahnung vieler Sportarten hin zu einem Mehrspartenverein, weil ich uns auch als Bürgerinitiative sehe. Am nächsten Tag stand in der Presse: Der naive, blauäugige Blonde soll lieber wieder surfen gehen. Ich hielt diese Vorhaben aber nicht für naiv, sondern für richtig und logisch. Ich hätte allerdings nie gedacht, dass die Aufgaben in meiner Amtszeit so komplex und vielfältig werden.

SPOX: Aktuell streben Sie die Marke von 50.000 Mitgliedern an, der Riederwald erstrahlt schon längst wieder in neuem Glanz. Gab es zwischenzeitlich auch mal Phasen, in denen Sie am liebsten hinwerfen wollten?

Fischer: Es gab vor einigen Jahren eine kurze Wackelzeit. Ich wurde damals aus dem Eintracht-Umfeld persönlich angriffen und es wurde versucht, mich mit unwahren Behauptungen aus dem Amt zu treiben. Doch letztlich war mein Ehrgeiz größer und diese Zeit ein Ansporn für mich, es meinen Gegnern zu zeigen. Es hat funktioniert. Ich verspüre bis zum heutigen Tage eine unheimlich große Solidarität der Abteilungsleiter und Vereinsmitglieder, die mich zum Weitermachen bewegt haben.

SPOX: Im vergangenen Jahr sind Sie 60 Jahre alt geworden. Wie lange wollen Sie noch im Fußball arbeiten oder ist für Sie ein Leben ohne die SGE mittlerweile unvorstellbar geworden?

Fischer: Ich brauche Inhalte oder Aufgaben, die mich reizen, beanspruchen und bei denen ich aktiv etwas vorantreiben und verbessern kann. Dies ist bei der Eintracht der Fall. Deshalb werde ich mich am 28. Januar 2018 bei der Mitgliederversammlung erneut als Präsident für die kommenden vier Jahre zur Wahl stellen.

SPOX: Wie gehen Sie grundsätzlich mit dem Thema Alter um?

Fischer: Auch wenn ich mittlerweile mehr Wehwehchen habe, fühle ich mich noch jung. Dafür sorgen meine jüngere Partnerin, mein achtjähriger Sohn und mein privates Umfeld, das aus vielen jüngeren Menschen besteht. Auch bei Eintracht Frankfurt sind die Angestellten und Sportler jung, sodass ich immer das Gefühl habe, einer von ihnen zu sein.

SPOX: Sie wurden auf einem Bauernhof in Lich bei Gießen groß, Ihr Vater ist früh verstorben und mit 13 Jahren brachen Sie die Schule für eine Lehre beim Kaufhof in Frankfurt ab. Was für ein Kerl waren Sie in Ihrer Jugend?

Fischer: Mein Onkel brachte mich damals zum Kaufhof. In mir schlummerte schon immer die Sehnsucht nach der großen Stadt. Ich habe in WGs gelebt, abends gejobbt und musste zusehen, wie ich meinen Lebensunterhalt finanziere. Dazu war ich sehr früh sehr politisch interessiert.

SPOX: Inwiefern?

Fischer: Ich war gegen Schule und das Establishment. Ich habe Bücher gelesen und Veranstaltungen besucht, die für mein Alter unüblich waren. Ich führe das vor allem auf die Stadt Frankfurt zurück. Das war eine linke Universitätsstadt mit einer starken Studentenbewegung, die sich vom vorherrschenden Schwarz-Weiß-Denken abgrenzte und gegen Ungleichheit protestierte. Diese Themen habe ich aufgesaugt und sie ließen mich umtriebig werden.

SPOX: Bestand die Gefahr, auf die schiefe Bahn zu geraten?

Fischer: Nein. Ich habe früh angefangen, eigenständig und unabhängig zu sein. Ich probierte beruflich viele Dinge aus und hatte damals beispielsweise ein Geschäft für Tennisartikel und eine kleine Boutique. Darauf wollte ich zwar nicht mein Leben aufbauen, aber ich unterlag eben dem klassischen wirtschaftlichen Zwang, mich finanziell durchschlagen zu müssen. Dass ich dabei meinen eigenen, nicht immer normalen Lebensweg gegangen bin, erfüllt mich bis heute mit Stolz.

SPOX: In den 1970er Jahren waren Sie an einer Diskothek und Clubs auf Mallorca und Ibiza beteiligt und stiegen letztlich erfolgreich in die Werbebranche ein. Das brachte Sie am Ende zu Ihrer aktuellen Funktion bei der Eintracht. Haben Sie sich gegenüber der damaligen Zeit als Person großartig verändert?

Fischer: Nein. Ich würde mich als kritischen Zeitgeist und querdenkenden Demokrat bezeichnen. Ich distanziere mich auch in meiner Funktion als Präsident sehr eindeutig von allem, was rassistisch, diskriminierend, nationalsozialistisch und anti-demokratisch ist. Ich bin der Meinung, dass Sport in dieser Hinsicht auch politisch sein muss. Meine Ecken sind aber durch viele Informationen und die Lebenserfahrung runder geworden. Man erkennt mit den Jahren durchaus, dass man mit seiner Meinung vielleicht auch nicht immer richtig lag oder man auch mal übers Ziel hinausgeschossen ist.

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