"Das Ende in Frankfurt war schade"

Thomas Schaaf war Trainer bei Eintracht Frankfurt in der Saison 2014/2015
© getty

Thomas Schaaf arbeitete 14 Jahre als Trainer beim SV Werder Bremen, doch anschließend hielt es den 56-Jährigen bei Eintracht Frankfurt und Hannover 96 nicht lange. Im Interview spricht Schaaf über den aktuellen Job bei der UEFA, seine Zukunftsplanungen, den Wandel des Trainerberufs und seine letzten beiden Stationen.

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SPOX: Herr Schaaf, seit April 2016 sind Sie ohne Job, seit 2011 arbeiten Sie aber gelegentlich für die UEFA - wie im Sommer während der EM 2016, wo Sie als einer von 13 sogenannten Technical Observer fungierten und in einem Team mit Trainerkollege David Moyes die Teams beobachteten. Wie kam das zustande?

Thomas Schaaf: Durch unsere Teilnahmen an der Champions League mit Werder hatte ich die Möglichkeit, an Elite-Trainerforen der UEFA teilzunehmen. Durch den Austausch bei diesen Tagungen erreichte mich dann auch die Anfrage für Spielbeobachtungen als Technical Observer in der Champions und Europa League oder bei der EM in Frankreich - und vielleicht im Juni der U21-EM in Polen. Desweiteren war ich öfters Gast als Diskussionspartner bei Trainerfortbildungen für Nationalverbände der UEFA.

SPOX: Geleitet wurde die Beobachter-Gruppe in Frankreich vom ehemaligen Bundesligaspieler Ion Lupescu, Sir Alex Ferguson war auch dabei.

Schaaf: Genau, Ion Lupescu ist verantwortlich für diesen Bereich. Die Gruppe der Technical Observer war mit Kollegen aus ganz Europa bestens besetzt. Allen voran natürlich Sir Alex Ferguson oder auch meinem Kollegen David Moyes, der mit mir für den Standort Paris zuständig war. Jeweils zwei Technical Observer waren für Spiele in zwei Stadien verantwortlich. Bei unserer Arbeit ging es darum zu analysieren, welche fußballerischen Leistungen von den Mannschaften gezeigt werden. Die sportliche Qualität wird praktisch fixiert und am Ende eines Turniers in einem umfassenden Bericht dokumentiert.

SPOX: Was war während der Partien zu tun?

Schaaf: Zunächst einmal hat jeder eine Mannschaft beobachtet. Zum Abpfiff des Spiels durften wir den Man of the Match wählen. Anschließend wurde ein Bericht geschrieben, in dem es um taktische Auffälligkeiten ging: Welche Art des Spielaufbaus oder welches System wählten die meisten Mannschaften, wie offensiv oder defensiv war es ausgerichtet, welche Rolle spielten Standardsituationen oder ein schnelles Umschaltspiel? Diese handschriftlichen Notizen haben wir während des Spiels gepflegt, am nächsten morgen wurden sie von uns am PC in ein UEFA-Portal eingegeben.

SPOX: In den USA nahmen Sie zwischenzeitlich als Gast-Dozent bei der Trainerausbildung des amerikanischen Fußballverbandes teil. Worum ging es da?

Schaaf: Nico Romeijn, der diese Ausbildung in den USA leitet, fragte mich, ob ich an einem einwöchigen Lehrgang in Torrance bei Los Angeles als Gast-Dozent teilnehmen könnte. Er versucht die Trainerausbildung in den USA zu verbessern und dem Niveau der UEFA Pro Licence anzugleichen. Es kamen mehrere Dozenten aus verschiedenen Fachbereichen zusammen, um über das Thema Leadership zu referieren und sich mit den Lehrgangsteilnehmern - MLS-Coaches, die noch nicht die Lizenz besitzen - auszutauschen.

SPOX: Was Ihre Zukunft als Trainer angeht haben Sie gesagt, dass es auch möglich sei, nie mehr an der Seitenlinie zu stehen. Wie viele Anfragen erreichen Sie aktuell pro Monat?

Schaaf: Das wechselt sich ab. Manchmal ist es ruhiger, wenn Verträge auslaufen und der Markt in Bewegung ist, passiert auch mal mehr. Ich mache mir aber nicht jeden Tag Gedanken über meine Zukunft. Ich bleibe dabei: Ich schließe nichts aus und lege mich nicht darauf fest, dieses oder jenes nicht mehr tun zu wollen. Ob das am Ende auf einen weiteren Job als Trainer hinausläuft oder man an einem Standort neue Strukturen aufbaut, Erfahrungen als Ratgeber und Beobachter weitergibt - das kann ich genauso wenig sagen wie ob ich nie mehr an der Seitenlinie stehen werde.

SPOX: Man sagt dann ja immer, das Passende müsse unter den Anfragen dabei sein. Wie sähe denn etwas Passendes für Sie aus, lässt sich das konkretisieren?

Schaaf: Das Passende hört sich immer komisch an, ich weiß. Es lässt sich eben kaum greifen und ist daher die große Schwierigkeit. Es muss halt einen in dem bestimmten Moment einfach so sehr interessieren und die jeweiligen Gedanken übereinstimmen, dass man letztlich richtig davon überzeugt ist. Ob das im Ausland ist oder außerhalb Europas, das ist für mich alles denkbar. Der Fußball spricht eine weltweite Sprache, so dass ich mich nicht auf ein bestimmtes Gebiet festlegen möchte. Was sicher ist: Ich werde keine Position einnehmen, bei der es nur um Zahlen und Wirtschaftlichkeit geht.

SPOX: Während der EM gab es Gerüchte um einen Vorvertrag bei Galatasaray. War da etwas dran?

Schaaf: Nein, absolut gar nichts. Ich hatte keinen Kontakt zu Galatasaray, keinen Vorvertrag, kein gar nix. Das waren und sind die üblichen Spekulationen des Geschäfts.

SPOX: Inwiefern ist es Ihnen denn auch gerade recht, das immer schneller werdende Tempo, mit dem sich das Rad im Profifußball dreht, nicht mehr mitgehen zu müssen?

Schaaf: Wenn man nicht direkt in einen laufenden Prozess involviert ist und damit etwas mehr Abstand für direkte Handlungen hat, fällt einem dieses rasante Tempo glaube ich noch mehr auf. Als Außenstehender blickt man neutraler und beobachtender auf das Geschäft und hat mehr Zeit für Einschätzungen und Entscheidungen. Es ist schlichtweg der Hammer, wie viele Trainerentlassungen wir allein in diesem Jahr in der Bundesliga gesehen haben.

SPOX: Was heißt das für Sie?

Schaaf: Zeit für Entwicklung scheint es beispielsweise nicht mehr zu geben, obwohl jeder nach Kontinuität schreit. Das ist kein guter Zustand und darüber sollten wir alle nachdenken. Wenn man alle paar Monate hin und her schwankt und massive Veränderungen billigt, braucht man sich nicht darüber beschweren, wenn Entwicklung verhindert wird.

SPOX: Ist der Trainermarkt zu groß geworden, so dass es auch deshalb ein Hauen und Stechen um die wenigen Plätze im Profibereich und entsprechend schnellere Entlassungen gibt?

Schaaf: Der Markt ist jedenfalls nicht kleiner geworden. Da mag schon etwas dran sein. Doch nur weil eine Verfügbarkeit vieler Trainer da ist sind, heißt das ja nicht, dass ich beim ersten sportlichen Gegenwind den Trainer austauschen muss. Es hängt sehr viel von den Planungen, Strukturen, Strategien und der Überzeugung der Personen ab, die über die Trainerposition entscheiden. Ob die aber an jedem Standort immer im Sinne der Vereinsphilosophie entscheiden, sei dahingestellt. Natürlich muss ein Trainer auch wissen, auf was er sich in diesem Beruf einlässt und was alles auf ihn zukommen könnte.

SPOX: Was entgegnen Sie Leuten, die die These aufstellen, dass sogenannten Laptop-Trainern ohne eigene Profierfahrung die Zukunft gehört und die Zeit von erfahrenen Trainern wie Ihnen abgelaufen sei?

Schaaf: Woran macht man das genau fest: Am aktuellen Arbeitsverhältnis? An den aktuell besetzten Trainerpositionen? An der Zeitspanne der Beschäftigung? Am Erfolg? Was wird als erfolgreich definiert?

SPOX: Das scheint nicht stringent festgelegt. Wie blicken Sie daher auf diese angebliche Unterscheidung zwischen den jungen, unverbrauchten Trainern der vermeintlichen Moderne und älteren Kollegen, die seit mehreren Jahren im Geschäft sind?

Schaaf: Ich wehre mich gegen eine Klassifizierung und Wertung. Es gibt Trainer wie beispielsweise mich, die auf eine eigene Spielerkarriere zurückblicken können und Erfahrungen im Junioren-, Amateur- oder Profibereich am eigenen Leib gemacht haben. Es gibt aber auch Trainer, die diese Erfahrungen nicht haben und vielleicht über ein Studium oder einen eigenen Weg zu diesem Beruf gekommen sind. Die Aussage zu treffen, man könne nur über diesen oder jenen Weg zum Erfolg kommen, ist meiner Meinung nach falsch. Es stellt sich immer die Frage: Wie kann ich mit meinem Team erfolgreichen Fußball anbieten, welchen Weg finde ich dafür? Da ist es egal, ob man jung oder alt ist, ob man selbst gespielt hat oder nicht, ob man studiert hat oder nicht. Oder sagen Sie bei einem Trainer, der als modern zählt, weil er mit dem Laptop arbeitet, der Absturz seines Computers sei dafür verantwortlich, frühzeitig entlassen worden zu sein?

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