Wie ein Auto im Matsch

Von Jan-Luc Treumann
In Gladbach kam Jonas Hofmann in zehn Monaten erst auf zehn, meist sehr kurze, Einsätze
© getty

In Gladbach sollte Jonas Hofmanns Bundesligakarriere Fahrt aufnehmen. Aber der frühere Dortmunder steckt fest, kommt bei den Fohlen kaum auf Einsätze. Dass er in der Bundesliga bestehen kann, hat er in Mainz angedeutet. Doch eigentlich sollte der hochtalentierte 24-Jährige schon viel weiter sein.

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Juli 2012. Vorbereitung. Borussia Dortmund testet gegen den SV Meppen, Jonas Hofmann macht den Siegtreffer für den BVB und jubelt. Er jubelt aber nicht irgendwie, er jubelt wie Mario Balotelli zwei Wochen zuvor gegen Deutschland. Versteinert, die Muskeln angespannt. Nur sein Trikot lässt der damals 19-Jährige an - er weiß, dass das Lupfen des Leiberls etwas lächerlich aussehen würde. Zum Körper des italienischen Enfant Terribles fehlt ihm noch einiges.

Vier Jahre später ist auch im Vergleich zu den sportlichen Leistungen Balotellis Luft nach oben. Der trifft in Nizza fast wie er will, OGC winkt von der Tabellenspitze zu PSG herunter. Jonas Hofmann sitzt in Gladbach auf der Bank und winkt höchstens seinen Teamkollegen zu. Dabei sollte doch alles anders sein.

Im Sommer vergangenen Jahres wollte Hofmann durchstarten, ein gestandener Profi werden. Hofmann kam aus Mainz zurück, wo er die beste Phase seiner Profikarriere hatte: In den ersten sechs Partien traf er dreimal, stand immer in der Startelf - doch dann machte ihm das Knie einen Strich durch die Rechnung. Er musste operiert werden und kam nur noch auf vier Einsätze. Seine Mainzer Zeit machte dennoch Hoffnung auf mehr.

"Dieses Jahr wird für mich extrem wichtig. Ich will Stammspieler werden - wie jeder andere auch. Darauf arbeite ich hin. Ich möchte mich richtig in der Mannschaft festbeißen und nach dieser Saison sagen können, dass ich ein gestandener Bundesligaspieler geworden bin", sagte Hofmann in der Vorbereitung auf die Saison 2015/16 im Interview mit SPOX. "Ich habe in meiner jungen Karriere zwar auch schon einiges erlebt, aber so langsam kann es dann gerne richtig losgehen."

Neubeginn in Gladbach

Es ging nicht los. An Reus, Mkhitaryan und Co. war kein Vorbeikommen, teilweise kam Hofmann nicht einmal mehr als Joker zum Einsatz. Dass es in Dortmund schwierig sein würde, sich in die erste Elf zu spielen, war abzusehen. Jonas Hofmann hatte es versucht und nicht geschafft. Es wurde Zeit für einen Neuanfang.

Kurz nach Weihnachten ging es zur anderen Borussia - mit dem Wunsch nach einem Stammplatz. Die Voraussetzungen dafür waren bestens: Mit Andre Hahn und Ibrahima Traore fehlten wichtige Spieler. "Jonas Hofmann wird uns helfen, in der Rückrunde die verletzungsbedingten Ausfälle auf den offensiven Außenbahnen zu kompensieren", sagte Sportdirektor Max Eberl bei seiner Verpflichtung.

Diese ließ sich Borussia Mönchengladbach stolze acht Millionen Euro kosten. Viel Geld für die Fohlen und einen Spieler, der bis dato sein Talent kaum als Stammspieler zeigen konnte.

Eberl betonte aber auch: "Wir sehen seine Verpflichtung vor allem als langfristige Verbesserung unseres Kaders. Jonas hat in Mainz und Dortmund schon gezeigt, dass er ein überdurchschnittlich talentierter Bundesligaspieler ist."

Gerade an seine Hochphase in Mainz sollte er in Gladbach anknüpfen, doch es kam anders. Nur einen Einsatz absolvierte Jonas Hofmann über 90 Minuten. Das war am letzten Spieltag in Darmstadt, als den Fohlen die Qualifikation für die Champions-League nur noch in der Theorie zu nehmen war. Ansonsten sah seine Bilanz in der Rückrunde mau aus: Ein weiterer Einsatz in der Startelf, zumeist war er nur Joker für die Schlussminuten, wenn Andre Schubert ihn denn überhaupt einsetzte.

Die neue Position als Hoffnungsschimmer

Jonas Hofmann hatte sich festgebissen, aber nicht in der Mannschaft, sondern auf der Ersatzbank. Doch dafür sah Hofmann Gründe, zum einen den Lauf der Fohlen in der Rückrunde wie er gegenüber der WAZ bestätigte. "Vielleicht habe ich auch nur etwas Zeit benötigt, um mich einzufinden. Die habe ich bekommen. Und Glück braucht man natürlich auch, um einen guten Einstieg in ein neues Team zu finden. Das klingt vielleicht alles ein wenig banal, aber das trifft meine Situation ganz gut." War der Wechsel zu Gladbach die richtige Entscheidung? Zweifel kamen auf. Aber er blieb.

Schließlich birgt ein Wechsel im Winter immer Risiken, es fehlt eine komplette Vorbereitung mit dem neuen Team. Die bekam Hofmann im Sommer und dazu eine neue Chance auf einer neuen Position.

Andre Schubert bot den früheren Dortmunder in Testspielen auf der Sechs auf und fand durchaus Gefallen an seiner Idee: "Jonas ist sehr viel unterwegs auf dem Platz. Er hat ein gutes Gefühl für Räume und ist sehr schnell. Deshalb lag es nahe, ihn mal in der Zentrale auszuprobieren. Ich würde da gar nicht zwischen Sechser, Achter oder Zehner unterscheiden, bei uns ist diese Position im Zentrum sehr fließend. Er fühlt sich dort sehr wohl."

Hofmann widersprach seinem Coach selbstredend nicht, sondern witterte seine Chance, in einer langen Saison für Kramer oder Dahoud in der Zentrale in das Team rotieren zu können und seine Einsatzzeiten zu bekommen. Der nächste Schritt war in Aussicht, das Ziel, gestandener Bundesligaprofi zu werden, kam näher, wenn auch mit einem Jahr Verspätung.

Das Selbstvertrauen schwindet

Statt Bundesliga blieb nur der SV Drochtersen. Neunzig Minuten in der ersten Pokalrunde, ach ja, und eine Halbzeit gegen Werder Bremen. Doch Hofmann kam erst, als Bremen mit 4:0 schon am Boden lag, Raffael durfte sich schonen. Ansonsten schmort Hofmann auf der Bank. Weder auf der Außenbahn noch im Zentrum ist Platz für ihn.

Doch es ist nicht nur eine Position, die ihm bei den Gladbachern fehlt. "Natürlich ist es auch immer eine Sache des Selbstvertrauens. Wenn er reingekommen ist, hat man gemerkt, dass er in Situationen, wo er losmarschieren könnte, eher mal abbricht und lieber den sicheren Pass spielt", sagte Schubert der Rheinischen Post.

Der Coach lobte die Vorbereitung des 24-Jährigen, merkt aber an: "Da war vielleicht der Druck nicht so da. Je mehr es Richtung erstes Pflichtspiel ging, desto vorsichtiger wurde er in seiner Spielweise. Aber auch das hat mit Selbstvertrauen zu tun."

Aber woher soll das kommen? Hofmann befindet sich in einem Teufelskreis. Ohne Vertrauen in seine Fähigkeiten bekommt er keine Einsätze und ohne Spielzeit kann er kein Selbstbewusstsein sammeln. Ein Ausweg scheint nicht in Sicht.

Im Zentrum stehen Kramer, Strobl, Stindl und, nach anfänglichen Startschwierigkeiten, Mo Dahoud vor ihm. Doch trotz des Lobs von Schubert ist fraglich, ob das die Position für einen Spieler ist, der sich durch Tempo und Dribbelstärke auszeichnet. Doch wie schon in der Rückrunde ist auf der Außenbahn kein Platz für Hofmann.

"Ich werde nicht weglaufen"

Jonas Hofmann steckt fest wie ein Auto im Matsch. Doch momentan kriegt er nicht einmal die Tür auf, um den Wagen auf die Straße zu kriegen. Mit 24 Jahren wird es langsam Zeit, den Talentstatus abzustreifen, um nicht seine Karriere lang als ewiges Talent zu gelten.

Der gebürtige Heidelberger weiß um die Brisanz seiner aktuellen Situation, er steht am Scheidepunkt seiner Karriere. Reicht es für Klubs wie Gladbach und Dortmund, die europäisch vertreten sein wollen? Oder "nur" für Klubs aus dem Mittelfeld wie Mainz?

Hofmann bleibt ehrgeizig, er will nicht schon wieder einen Neubeginn, sondern Mainzer Zeiten im Gladbacher Trikot. "Auch, wenn ich bis zum Winter, was ich nicht hoffe, kein einziges Spiel mehr machen würde. Ich werde nicht einfach weglaufen und sagen: Woanders wird's schon besser. Manchmal braucht man eben etwas mehr Geduld - und die ­habe ich", sagte er kürzlich. Die wird er auch brauchen. Und ein bisschen Glück wohl auch.

Jonas Hofmann im Steckbrief

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