Überraschungsteam reloaded?

Von Dominik Stenzel
Der SC Paderborn kämpft um den Klassenerhalt
© getty

Nach fulminantem Saisonstart wurde der SC Paderborn bis auf Rang 17 durchgereicht. Gründe für den Absturz gibt es mehrere. Im heißen Saisonendspurt ging es zuletzt aber wieder etwas bergauf - und vielleicht haben die Ostwestfalen einen entscheidenden Vorteil gegenüber den direkten Konkurrenten.

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Am 5. Spieltag stand die Bundesliga Kopf: Der SC Paderborn - vor der Saison als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt - reiste als Tabellenführer zum Rekordmeister nach München. Die Partie ging zwar mit 0:4 deutlich verloren, allerdings war die Niederlage einkalkuliert.

Trainer Andre Breitenreiter nutzte die anschließende Pressekonferenz, um seiner Mannschaft Respekt für die bisher gezeigten Leistungen zu zollen: "Es war auch ein Lob für uns, dass die Bayern die beste Aufstellung aufboten. Die Niederlage ist kein Problem, die Jungs haben das bisher toll gemacht. Das werden wir auch belohnen und am Mittwoch für ein paar Stunden auf die Wiesn gehen."

"Mut, Spass und viel Herz"

Der niedrige Etat und die kuriosen Rahmenbedingungen veranlassten Breitenreiter, seine Mannschaft vor der ersten Spielzeit im Oberhaus in der Vereinshistorie als den "krassesten Außenseiter der Bundesliga" zu bezeichnen. Und dennoch verfolgte der 41-Jährige einen Plan: Anders als bei den zuvor gescheiterten Fürth und Braunschweig sollte die offensive Grundausrichtung der Vorsaison beibehalten werden. Das Team sollte mit "Mut, Spass und viel Herz auftreten" - und keinesfalls von dieser Philosophie abweichen.

Dies gelang vor allem zu Beginn der Hinrunde. Die Aufstiegs-Euphorie konnte mitgenommen werden und Spieler wie Elias Kachunga (drei Tore in den ersten vier Spielen) oder Moritz Stoppelkamp erlebten regelrechte Leistungsexplosion. Die Torschussstatistik gegen Borussia Mönchengladbach belegt, dass sich Paderborn auch gegen Topteams keineswegs versteckte: Bei der ersten Heimpleite der Saison schloss Paderborn 24 Mal ab, die Borussia lediglich elfmal.

"Wie ein Absteiger"

Ein gutes halbes Jahr später sind die Ostwestfalen auf dem harten Boden der Realität gelandet. Schon gegen Ende der Hinrunde zeichnete sich ein Negativtrend ab - und seitdem ging es für Paderborn stetig bergab. In der Rückrunde holte die Mannschaft aus 13 Spielen lediglich neun Punkte bei einem Torverhältnis von 6:32. Paderborn ist im Abstiegskampf angekommen.

Ein Blick auf die nackten Zahlen offenbart, wo paradoxerweise das Hauptproblem liegt: Paderborn trifft zu selten. Insgesamt blieb das Team in zehn Spielen der Rückserie ohne eigenen Torerfolg. Und das, obwohl die sportliche Führung in der Winterpause mit Srdjan Lakic einen weiteren Stürmer verpflichtete. Der Kroate konnte die Erwartungen aber nicht vollends erfüllen und verzeichnet bisher magere zwei Tore. Kachunga erzielte nach seinem tollen Saisonstart lediglich zwei weitere Treffer und auch die Abwehr um Dauerbrenner Uwe Hünemeier hat an Stabilität eingebüßt.

Nach der 0:4-Niederlage in Frankfurt am 25. Spieltag äußerte Breitenreiter erstmals kritische Töne gegenüber seiner Mannschaft, die "wie ein Absteiger" spielte: "Ich halte sonst immer zu 100 Prozent meine Hand über meine Spieler, aber das kann ich heute nicht mehr tun. Wir waren nicht bereit und nicht in der Lage, uns zu wehren."

Tiefpunkt in Berlin

Der folgende Auftritt in Berlin markierte den vorläufigen Tiefpunkt. Paderborn wirkte verkrampft und ideenlos, die offensive Grundausrichtung war längst Geschichte. Zu diesem Zeitpunkt stand Paderborn auf Rang 17, der Rückstand auf den rettenden 15. Rang betrug vier Zähler.

Seit dem Jahreswechsel sind Unbekümmertheit und Euphorie verflogen. Auch der Glaube in die eigene Stärke scheint oft zu fehlen. Die Tatsache, dass das Team nach Rückständen in der Rückrunde häufig verunsichert agiert und komplett einbricht belegt dies. Manager Michael Born erkannte nach dem Auftritt bei der Hertha ein Kopfproblem bei seinen Spielern: "In diesen Spielen ist die Erwartungshaltung eine andere. Vielleicht blockiert das Gewinnenmüssen", sagte er.

Mittlerweile hat sich Paderborn aber offenbar etwas besser mit der Situation arrangiert. Es spricht sicherlich auch für den Charakter der Mannschaft, dass sich Paderborn - am Tiefpunkt angekommen - wieder etwas berappen konnte. Gegen Augsburg gelang der erste Heimsieg 2015 und auch gegen Bremen verzeichneten die Ostwestfalen einen Punktgewinn. Andre Breitenreiter haderte dennoch - ein Sieg wäre nach der guten Leistung durchaus verdient gewesen: "Heute hätte es nur einen Sieger geben dürfen, nämlich den SC Paderborn", sagte er nach der Begegnung.

Kann Paderborn erneut überraschen?

Aktuell steht die Mannschaft mit 28 Punkten immer noch auf Rang 17. Allerdings ist das rettende Ufer wieder in Schlagdistanz: Hamburg steht mit der gleichen Punktzahl auf dem Relegationsplatz, Hannover hat als 15. nur einen Zähler mehr auf dem Konto.

Am Samstag tritt Paderborn gegen den ebenfalls strauchelnden Tabellen-14., den SC Freiburg an (15.30 Uhr im LIVE-TICKER). Die Breisgauer sind seit vier Spielen sieglos und mit 30 Punkten ebenfalls in Reichweite. Mit einem Dreier könnte das Team von Breitenreiter einen Big Point landen. Am letzten Spieltag ist mit dem VfB Stuttgart ebenfalls ein direkter Konkurrent in der Benteler Arena zu Gast.

Mittelfeldspieler Moritz Stoppelkamp gibt für die verbleibenden Partien die Marschroute vor: "Wir müssen alles in die Waagschale werfe, haben jetzt vier Endspiele. Gegen Freiburg geht es nun schon um alles", sagte er und fügte an: "Ich glaube, es hat keiner damit gerechnet, dass wir zu so einem späten Zeitpunkt der Saison noch so gute Chancen auf den Klassenerhalt haben."

Damit spricht der 28-Jährige einen vielleicht entscheidenden Vorteil gegenüber den Konkurrenten aus Hamburg, Hannover oder Stuttgart an: Die Erwartungshaltung ist deutlich geringer und auch im Umfeld bleibt es bisher weitestgehend ruhig. Und wer weiß: Vielleicht kann der SC Paderborn unter diesen Voraussetzungen noch einmal überraschen.

Der SC Paderborn im Überblick

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