"Ich bin noch den alten Weg gegangen"

Da geht's lang: Philipp Wollscheid will in Mainz wieder ein wichtiger Teil des Teams werden
© imago

Kurz vor Ende der Transferfrist wechselte Philipp Wollscheid von Bayer Leverkusen zum FSV Mainz 05. Im Interview mit SPOX spricht der 25-Jährige über seinen ungewöhnlichen Werdegang, seine ersten sportlichen Rückschläge, die Zukunft in Mainz und das DFB-Team.

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SPOX: Herr Wollscheid, wo haben Sie das WM-Finale 2014 verfolgt?

Philipp Wollscheid: Ist es denn vorausgesetzt, dass ich es überhaupt geschaut habe? (lacht)

SPOX: Naja, immerhin stand Deutschland im Finale...

Wollscheid: Natürlich habe ich es mit Freunden zu Hause geschaut.

SPOX: Die Frage kommt deshalb, weil Sie im Mai 2013 auf der USA-Reise noch selbst Teil des DFB-Kaders waren. Wie sehr haben Sie danach gehofft, nochmal nominiert zu werden?

Wollscheid: Im Nachhinein hat es sich so dargestellt, als ob diese Nominierung eine einmalige Sache war, aber ich habe die Nationalelf nie aus den Augen verloren. Natürlich habe ich gehofft, dass ich noch öfter in den Kader berufen werde, aber so wie die letzte Saison in Leverkusen lief, waren die Chancen doch sehr gering. Es war jetzt auch nicht so, dass ich mich tagtäglich damit beschäftigt hätte.

SPOX: Bei der WM spielten die Deutschen mit vier gelernten Innenverteidigern in der Abwehr. Diese hatten einen sehr großen Anteil am Erfolg. Welcher der vier Innenverteidiger hat Ihnen am besten gefallen und mit wem würden Sie sich da vergleichen?

Wollscheid: Mats Hummels und Jerome Boateng haben eine herausragende Weltmeisterschaft gespielt. Neben einem fitten Holger Badstuber sind diese Spieler das Maß aller Dinge auf der Position. Mit irgendwelchen Vergleichen tue ich mir allerdings schwer. Ich schaue auf mich und versuche, mich in jedem Bereich zu verbessern.

SPOX: Zumal Ihre Karriere auch ganz anders begann. Sie entstammen nicht einem Nachwuchsleistungszentrum...

Wollscheid: Richtig. Ich bin noch den alten Weg gegangen. Erst über die Landesliga und die Oberliga, später ein Probetraining in der Regionalliga. Auch nach meinem Wechsel nach Nürnberg war ich dort zunächst für die 2. Mannschaft vorgesehen. Es hat allerdings schnell gepasst und ich durfte unter Dieter Hecking gleich bei der 1. Mannschaft mittrainieren. Ich hab mich peu a peu hochgearbeitet.

SPOX: Ihr Vater hat sie ständig angehalten besser zu werden. Beispielweise den linken Fuß zu trainieren. Hat das nicht irgendwann genervt?

Wollscheid: Nein, gar nicht. Es hat mich immer weiter gebracht und gefördert - aber auch gefordert. Ich empfand das nie als Druck oder dergleichen. Ich wollte immer besser werden.

SPOX: Ab wann dachten Sie: Ich glaube, ich kann Profi werden?

Wollscheid: Komischerweise war das 2009 in Saarbrücken, als es nicht so gut lief und ich keinen Vertrag bei den Profis erhalten hatte. Dort haben einige Ex-Profis gespielt und ich habe gesehen, dass der Unterschied gar nicht so groß ist. Es ergab sich das Probetraining beim Club und in meinem Kopf hat es Klick gemacht. Von da an habe ich das Ziel Profi-Fußball verfolgt. Zuvor habe ich gar nicht so groß darüber nachgedacht.

SPOX: Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie alles wieder genauso machen?

Wollscheid: Absolut. Mit 14 oder 15 hätte ich noch nicht in einem Nachwuchsleistungszentrum sein wollen. Von daher bin ich froh, dass es bei mir so lief.

SPOX: Also würden Sie sagen, dass Sie die angenehmere Ausbildung hatten?

Wollscheid: Ja. Ich musste sportlich zwar einiges nachholen und wäre vielleicht in dem einen oder anderen Bereich schon weiter in meiner Entwicklung. Aber ich bin ja erst 25 und kann mich noch in vielen Bereichen steigern. Man ist nicht vollkommen. Dennoch bin ich sehr froh, wie das alles gelaufen ist. Und wer weiß, vielleicht hätten die anderen Elemente in einem Nachwuchsleistungszentrum für mich nicht so gepasst.

SPOX: Im letzten Jahr spielten Sie unter Sami Hyypiä, der unter anderem die CL mit Liverpool gewann. Was konnten Sie von ihm lernen?

Wollscheid: Ich möchte über die Zeit nicht mehr groß reden, das Thema ist für mich abgehakt.

SPOX: Im letzten Jahr haben Sie das erste Mal in ihrer Profi-Karriere einen kleinen Rückschlag erlitten, weil Sie nicht mehr uneingeschränkter Stammspieler waren. Wie gingen Sie damit um?

Wollscheid: Das war eine schwierige Situation. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich auf einmal nicht mehr gespielt habe. Das hat mich schon beschäftigt. Aber das ist jetzt Vergangenheit. Ich bin nun in Mainz, freue mich auf die neue Aufgabe und will nicht mehr an das letzte Jahr denken.

SPOX: Der Saisonstart der 05er war alles andere als gut. Nun hat sich auch noch Nikolce Noveski verletzt. Sie sind bereit, sofort Verantwortung zu übernehmen?

Wollscheid: Sonst wäre ich nicht hier. Ich habe in Mainz nun die Chance, wieder regelmäßig zu spielen und hoffe, dass ich das auch machen darf. In welcher Rolle wird man in Zukunft sehen.

SPOX: Gab es denn auch andere Interessenten?

Wollscheid: Ja, aber Mainz hat mich am meisten überzeugt. Ich bin hier in der Nähe aufgewachsen und verfolge das Geschehen nun schon länger. Von daher war es für mich die beste Lösung.

SPOX: Wenn man Ihre Vita genauer anschaut, fällt auf, dass sie fast jedes Jahr den Verein wechselten. Sind Sie ein Typ, der ständig Veränderungen braucht?

Wollscheid: Es ergab sich zufällig, weil ich eine neue Herausforderung gesucht habe und mich auf ein höheres Niveau hieven wollte. Mein Ziel war, dass ich Stück für Stück besser werde und nicht der unbändige Drang nach Veränderungen.

SPOX: Also wäre es nun gemein zu fragen, wo Sie im Juli 2015 spielen?

Wollscheid: Wir haben September. Vor einem Monat war ich noch bei Bayer und bis gestern wusste ich ja nicht mal, dass wir heute miteinander sprechen... (lacht)

Philipp Wollscheid im Steckbrief

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