Es steckt mehr dahinter

Von Stefan Rommel
Sami Hyypiä wurde nach Leverkusens Pleite gegen den HSV entlassen
© getty

Mit der Demission von Sami Hyypiä ist es für Bayer Leverkusen nicht getan. Die Verantwortlichen mögen sich dagegen sträuben, aber letztlich geht es vor allen Dingen um eines: die grundsätzliche Mentalität des Klubs.

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Eigentlich hätte Bastian Dankert ja Sami Hyypiä auch gleich noch entlassen können, sagten einige Zyniker am Tag, nachdem der Finne bei Bayer Leverkusen seine Sachen packen musste.

Dankert, von Beruf Sportwissenschaftler, pfeift in seiner Freizeit Spiele in der Fußball-Bundesliga und ist seit kurzem auch aufgenommen in die Riege der FIFA-Schiedsrichter. Neun Mal durfte der 33-Jährige in dieser Saison bereits ran, wobei sein letzter Einsatz sicherlich nicht sein bester war.

Bei Leverkusens Partie in Hamburg erwischte Dankert einen rabenschwarzen Tag, unter anderem verweigerte er den Gästen zwei klare Elfmeter. Das wiederum brachte Rudi Völler in Rage.

Tirade von Völler

"Es gab nur einen Grund, wieso wir am Freitag verloren haben: Der 13. Mann des HSV war Herr Dankert. Wenn der HSV den Antrag stellt, dass Herr Dankert noch eines der letzten Spiele pfeift, werden sie definitiv nicht absteigen", zürnte Völler mit dem Abstand von fast zwei Tagen am Sonntagmorgen in der Sendung "Doppelpass".

Er war es, der seinen Trainer am Tag davor entlassen musste. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Es war vor der Partie schon ein offenes Geheimnis, dass Hyypiä bei einer neuerlichen Niederlage schlechte Karten haben würde."Die beiden Elfer hätten wir ganz klar kriegen müssen", tobte Völler weiter und setzte dann zum finalen Akkord an: "Dann hätten wir gewonnen und uns nicht von Sami Hyypiä trennen müssen. Wegen Fehlentscheidungen mussten wir den Trainer entlassen."

15 Pflichtspiele, nur drei Siege

Bayer Leverkusen hat in der Rückrunde drei von zwölf Spiele in der Bundesliga gewonnen, wurde in der Champions League von Paris St. Germain vermöbelt und flog im DFB-Pokal-Viertelfinale zu Hause gegen den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern aus dem Wettbewerb.

In der Rückrundentabelle belegt Bayer nach sieben Niederlagen einen miserablen 14. Tabellenplatz. Man könnte leicht auf die Idee kommen, dass etwas grundsätzlich nicht mehr stimmt bei der Werkself.

Umso mehr verwundert Völlers merkwürdige Sicht der Dinge. Sie wirkt nicht nur unlogisch und falsch, sie ist es auch. Wenigstens passt sie sich damit den merkwürdigen Leistungen der Mannschaft im Kalenderjahr 2014 an.

Bayer Leverkusen wird die letzten fünf Partien in dieser Saison mit Sascha Lewandowski an der Seitenlinie absolvieren. Der Cheftrainer von Bayers Nachwuchsabteilung war immer der doppelte Boden, sollte das Experiment mit Hyypiä in der alleinigen Verantwortung scheitern.

Lewandowski hat jetzt in einer handvoll Spielen die Aufgabe, die Mannschaft wenigstens wieder zurück auf Platz vier zu führen. Und er wird sich ein Bild machen müssen von vielen Einzelnen, die in den letzten Wochen nicht mehr das gezeigt haben, was nötig ist und was eigentlich in ihnen steckt.

Bremen-Spiel als Wegweiser

Auf dem Prüfstand stehen mehrere Kandidaten. Auch in Hamburg schafften es einige nicht, ihren Beamten-Fußball abzulegen und sich bedingungsloser und leidenschaftlicher in die Partie zu verbeißen.

In Hamburg hatte Bayer die Partie nach dem Ausgleich Mitte der zweiten Halbzeit voll im Griff, der HSV war schwer angeschlagen und wartete förmlich auf den Todesstoß in Form eines zweiten Gegentores. Aber Leverkusen reagierte nicht. Brav und nüchtern spulte die Mannschaft ihr Pensum runter, kam zu einigen guten Gelegenheiten und verschwendete diese fahrlässig.

Es fehlt in den entscheidenden Phasen der Biss, eine umkämpfte Partie für sich zu entscheiden. Das hat in der Vorrunde noch bis zur Partie bei Werder am 17. Spieltag ganz hervorragend funktioniert. Die Niederlage in Bremen wurde als Ausrutscher aufgefasst, Bayer war Zweiter der Tabelle und die einzige Mannschaft, die noch einigermaßen mit den Bayern mithalten konnte.

Im Nachhinein muss man eingestehen, dass die Art und Weise, wie in Bremen gegen eine spielerisch haushoch unterlegene Mannschaft verloren wurde, sinnbildlich steht für das, was sich in der Rückrunde noch abspielen sollte.

Führungsspieler im Tief

Bayers Außenverteidiger Sebastian Boenisch und Giulio Donati genügen nicht höheren Ansprüchen. Simon Rolfes, Lars Bender oder Gonzalo Castro befinden sich im Tief und können sich daraus offenbar nicht selbst befreien. Der phlegmatisch wirkende Castro zog sich die herbe Kritik Völlers zu. Das wiederum stößt auch nicht überall auf Verständnis.

"Man kann nicht an einem Spieler festmachen, dass es nicht läuft. Das finde ich dann auch nicht gut. Wenn er Castro nennt, muss er Castro rauswerfen, nicht Hyypiä. Aber ich finde, einzelne Spieler darf man nicht nennen. Es müssen alle geschützt werden. Nach innen kannst du was sagen, aber nach außen einzelne zu nennen, das macht man nicht", sagte "Sky"-Experte Jens Lehmann am Sonntag.

Zu späte Reaktion

Mit dem 400. Trainerrauswurf der Bundesligageschichte wurden allenfalls die Symptome bekämpft, nicht aber die Ursachen für den sportlichen Niedergang. Vor einigen Jahren machte der Begriff der Komfortzone in Leverkusen die Runde. Seitdem reagieren Bayers Verantwortliche darauf allergisch.

Wochenlang haben die Bosse dem Treiben zugeschaut, die Dinge beschwichtigt und falsch eingeordnet. Die Mannschaft habe in der Vorrunde eben über ihre Verhältnisse gespielt, zur Not könne man auch mit der Europa League ganz gut leben. Innerhalb des Kaders fehlt es an Konkurrenzkampf, einige Spieler durften weiter jede Woche auflaufen, obwohl die Leistungen etwas anderes hatten vermuten lassen.

Wenn dann letzte Woche Geschäftsführer Michael Schade plötzlich "gravierende Veränderungen" des Kaders für die kommende Saison ankündigt und von nun an genau analysieren will, ob wirklich jeder Spieler bereit sei, "für gutes Geld auch eine gute Leistung zu erbringen", kommt diese Erkenntnis etwas spät.

Blog: Sie sind dran, Herr Schade

Wenige reden Klartext

In Leverkusen fehlt es auch ein wenig an Selbstreflexion der Verantwortlichen. Von den insgesamt 13 Zugängen dieser Saison konnten nur wenige überzeugen und die auch immer nur phasenweise. Leverkusen leistete sich erstaunlich viele Fehlgriffe, war Bayer doch bisher dafür bekannt, auf dem Transfermarkt ein gutes Händchen und einen gewissen Riecher zu besitzen.

Transfer wie die der Talente Emre Can, Julian Brandt, Seung-Woo Ryu oder Levin Öztunali stützen diese These weiter. Nur wäre es zu viel verlangt, diesen jungen Spieler in der momentanen Situation noch mehr Verantwortung zu übertragen. Dass der 22-jährige Bernd Leno einer der wenigen ist, der auch mal Klartext spricht, steht für sich.

"Wir müssen endlich anfangen, Gas zu geben. Wir haben den Trainer im Stich gelassen. Wir haben ihm viel zu verdanken. Er hat uns top eingestellt, wir haben nichts umgesetzt. Er versucht alles und wir liefern solch eine Katastrophe ab wie gegen Braunschweig. Wir müssen jetzt für ihn spielen. Wir dürfen Sami nicht im Stich lassen", sagte Leno in den Tagen vor dem Hamburg-Spiel.

Alle Trainertypen schon durch

Sami ist in Leverkusen Geschichte. Und wenn im Sommer der neue Trainer präsentiert wird, wird es der sechste in sechs Jahren in Leverkusen sein. Immerhin, das musste auch Rudi Völler zugeben, sei nun klar, dass es auf der Trainerposition entscheidend an Kontinuität fehle.

Bleibt die Frage, welche Art von Übungsleiter überhaupt zu Bayer passt? Ausprobiert wurde schon so ziemlich alles. Der forsche Typ, mit ordentlich Vorschusslorbeeren versehen und einer "neuen" Art der Trainingssteuerung und der Mannschaftsführung? Bruno Labbadia scheiterte im Endeffekt genau an letzterem.

Der Routinier, wie es Jupp Heynckes war, der dann leider noch mal ein Angebot von Bayern München bekommen hat und es doch vorzog, mit den Bayern die Champions League zu gewinnen? Einen Arbeiter wie Robin Dutt, in dem sich viele schnell getäuscht fühlten?

Die interne Lösung wie sie Sascha Lewandowski darstellte, der aber lieber im Verborgenen als im gleisenden Licht der Bundesliga arbeitet will? Oder eine ehemalige Ikone wie Hyypiä, die ganz besonders von ihrer Aura und Autorität lebt?

Die üblichen Verdächtigen?

"Es werden jetzt die gleichen vier, fünf üblichen Verdächtigen bei uns gehandelt, die noch im Winter auf Schalke gehandelt wurden", sagt Völler. Also: Thomas Tuchel, Markus Gisdol, Armin Veh, Thomas Schaaf und Markus Weinzierl. Augsburgs Trainer soll aber bereits abgesagt haben.

Der "Kicker" bringt zudem noch Uwe Rösler ins Spiel. Der liefert in England bei Wigan Athletic und auch schon bei seinen Stationen davor eine sehr interessante Arbeit ab und wäre eine überraschendere Lösung.

Bis dahin sollte Bayer Leverkusen aber vielleicht seine generelle Herangehensweise nochmals überdenken. Dass nicht immer nur der Trainer schuld sein kann, sollte jetzt jedem klar sein.

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