Keller: "Draxler noch im Entwicklungsprozess"

Von Marco Nehmer
Jens Keller findet den Umgang mit Trainern in der Bundesliga nicht immer korrekt
© getty

Der Schalker Saisonstart ist mit vier Punkten aus vier Spielen misslungen, immerhin die Champions League wurde mit Mühe und Not erreicht. Trainer Jens Keller versucht, die Erwartungshaltung an die große Hoffnung Julian Draxler zu deckeln. Von einem 19-Jährigen könne man noch nicht erwarten, dauerhaft die Führungsrolle bei einem Königsklassen-Klub einzunehmen. Zudem lobt er Neuzugang Kevin-Prince Boateng - und sieht den Druck auf die Trainerzunft als gesellschaftliches Problem.

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"Es ist doch vermessen zu sagen, dass ein Spieler mit 19 Jahren die Mannschaft eines Champions-League-Klubs konstant führen kann. Er wird auch in den nächsten Jahren immer Schwankungen haben", stellte Keller im Interview mit "Goal.com" klar und betonte: "Julian Draxler ist noch komplett im Entwicklungsprozess."

Dass er das Team bisher noch nicht führen konnte, sei keine Überraschung. "Er hat sein höchstes Niveau noch nicht erreicht. Also können wir Konstanz in einer Führungsrolle nicht erwarten", so der 42-Jährige. Man wolle das Toptalent, das vor der Saison Angebote von Chelsea und Real Madrid gehabt haben soll, aber auch nicht in Watte packen: "Nichtsdestotrotz erwarten wir von ihm, dass er seine Persönlichkeit und Fähigkeiten einbringt."

"Keiner, der sich verkrümelt"

Einen Teil der Verantwortung für die Mannschaft auf dem Platz soll fortan Neuzugang Kevin-Prince Boateng tragen - was der Ex-Rossoneri gegen Leverkusen bereits phasenweise tat. "Von seiner Art her tut er uns einfach gut, weil wir eine sehr junge Mannschaft haben", so Keller über den Ghanaer.

"Wenn es mal nicht so läuft, versteckt sich der ein oder andere auch mal. Kevin-Prince Boateng interessiert so etwas überhaupt nicht", lobt der Gelsenkirchener Trainer den Zwölf-Millionen-Einkauf. "Den kann das ganze Stadion auspfeifen, in der 95. Minute schnappt er sich trotzdem den Ball und schießt einen Elfmeter, wenn es um alles geht. Er ist keiner, der sich dann verkrümelt."

Keller: "Trainerjob ist Wahnsinn"

In Bezug auf seinen Beruf und den medialen Umgang mit ihm fand Keller kritische Worte. Den Druck auf die Bundesliga-Trainer sieht er mit Sorge. "Der Job ist Wahnsinn. Das muss man so sagen. Nach den ersten drei Bundesligaspielen, mit nur einem Punkt, hieß es sofort wieder, dass alles schlecht war, was wir in der letzten Saison gemacht haben. Wir reden hier von drei Spielen", betonte er.

Auch bei anderen Klubs sei dieses Phänomen zu beobachten. "In Stuttgart wird nach drei Partien der Trainer entlassen. In anderen Vereinen wurde nach der Vorbereitung schon diskutiert", sagte Keller und suchte nach Gründen: "Ich glaube, das sind auch gesellschaftliche Dinge. Ein Trainer bekommt kaum Zeit etwas vernünftig zu entwickeln."

Trainerjob zu "70 oder 80 Prozent" Psychologie

Als Trainer sei man überdies heutzutage vielmehr als Mentalcoach denn als Übungsleiter gefragt. "Das Meiste ist Psychologie aus meiner Sicht", so Keller, der den Anteil mit "70 oder 80 Prozent" bezifferte. "Ein Team fit und auf taktisch hohem Niveau zu halten, ist ein Grundhandwerk, das ein Trainer beherrschen muss."

Die Zeiten hätten sich geändert. "Heutzutage hinterfragen die Jungs viel, deshalb muss man anders auf Sie zugehen", strich der frühere Stuttgart-Trainer den Faktor Psychologie heraus. "An die Jungs heranzukommen, damit Sie das umsetzen, was man sich vorstellt, ist enorm wichtig."

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