Hertha: Auf der Suche nach dem Geist

Von SPOX
180 Minuten bis zum Abgrund? Hertha-Manager Michael Preetz (l.) und Trainer Otto Rehhagel
© Getty

Hertha BSC greift vor dem vielleicht schon entscheidenden Spiel gegen den FC Schalke 04 (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) nach jedem noch so kleinen Strohhalm. Trainer Otto Rehhagel übt sich in Durchhalteparolen, der Mannschaft droht der Ausverkauf - und ein Szenario, das dramatischer kaum sein könnte.

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Am Mittwochabend schauten die Spieler von Hertha BSC nochmal auf der ganz großen Bühne vorbei. Im Hotel Schloss Goldschmieding hatte Otto Rehhagel sich mit seiner Mannschaft verschanzt.

Die Bayern schossen sich im Bernaubeu nach Hause ins Finale der Champions League, die Profis aus der Hauptstadt hatten daran sicherlich genauso viel Spaß wie der Rest der Republik. Ein paar Stunden Ablenkung im Fünf-Sterne-Ambiente waren das von dem Druck, der da draußen herrscht.

Oft ist die Rede von negativem Druck, wenn es um Existenzen geht wie im Fall der akut abstiegsbedrohten Hertha. Trainer Rehhagel glaubt in der Abgeschiedenheit des Kurztrainingslagers die Köpfe freizubekommen, die das blamable 1:2 zu Hause gegen Absteiger Kaiserslautern vernagelt hatte.

"Nach der großen Enttäuschung vom Wochenende müssen die Jungs aufgerichtet werden", sagte Rehhagel nach der Ankunft in Castrop-Rauxel, schön weit entfernt vom Trubel und der Angst zu Hause in Berlin.

Manager Preetz will auch bei Abstieg weitermachen

Kraft: "Uns fehlen Typen"

Bis vor wenigen Tagen war der Ort der Besinnung noch geheim. Nachdem das "wichtigste Spiel der Saison" (Rehhagel) desaströs in die Hose ging, versucht es die Hertha jetzt mit einem Relikt aus den 80er Jahren, der Reise in ein externes Trainingslager.

Die Hoffnung auf ein bisschen Aberglaube, als die Mannschaft zuletzt daheim in den weißen Auswärtstrikots auflief und im Olympiastadion die Bank der Gäste aufsuchte, hat sich letzten Samstag quasi in Luft aufgelöst. Nun also das Trainingslager, das bei den Spielern nicht auf ungeteilte Gegenliebe stößt. Und Rehhagels Weisheit: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Dabei braucht die Hertha zu aller Hoffnung auch endlich einen Geist innerhalb des Teams, um die totale Katastrophe doch noch abzuwenden. "Uns fehlen Typen, mehr Typen, die dem Gegner wehtun und die eigenen Mitspieler pushen", sagt Thomas Kraft.

Zwei Punkte Rückstand auf Köln

Der Torhüter ist einer der wenigen, auf denen in den letzten beiden Spielen die Hoffnungen ruhen und der auch im bisherigen Saisonverlauf nicht enttäuscht hat. Der Rest läuft irgendwie mit und scheint mehr mit sich selbst als mit dem jeweiligen Gegner zu tun zu haben.

Deshalb hat sich Rehhagel seine Spieler in unzähligen Einzelgesprächen zur Brust genommen. Dabei dürfte es besonders schwer sein, den richtigen Ton zu treffen. Selbstvertrauen ist schon lange keins mehr da, eine Nichtleistung wie die zuletzt gegen den FCK wäre aber beim anstehenden Spiel auf Schalke kein zweites Mal zu akzeptieren.

Schließlich müssen Siege her, im günstigsten Fall noch zwei. Im schlechtesten Fall könnte diese aber gar nicht mehr reichen. Der Rückstand auf Rang 16 beträgt zwei Punkte, Berlin ist auf Ausrutscher der Konkurrenz angewiesen, allen voran vom 1. FC Köln, der derzeit den Relegationsrang belegt.

Spekulationen um Ausverkauf

Also wird am Zusammenhalt gebastelt, um den es in den letzten Wochen nicht wirklich gut bestellt war. Weil der eine oder andere entweder mit der Drucksituation nicht klarkommt - oder den Ernst der Lage nach nur acht Punkten aus der Rückrunde immer noch nicht erkannt hat.

"Wenn alle kapieren, um was es geht, haben wir noch eine Chance. Es kommt auf die Einstellung jedes einzelnen Spielers an, ob er 100 oder auch 120 Prozent bringt", sagt Kapitän Lewan Kobiaschwili. Es hört sich an, als hätten in den letzten Spielen eben nicht alle kapiert, worum es geht.

Hinter den Kulissen treiben die Spekulationen in neue Höhen. Neben Raffael, der sich angeblich schon mit Borussia Mönchengladbach und seinem Förderer Lucien Favre einig sein soll, gibt es auch Gerüchte um einen Abschied von Christian Lell, Andreas Ottl oder Adrian Ramos - sollte die Hertha binnen zwei Jahren wirklich zum zweiten Mal absteigen.

Abstieg gegen Schalke - oder Babbel

Demonstrativ enthalten sich die Umworbenen eines Kommentars oder wiegeln ab. "Stand jetzt ginge ich mit in die 2. Liga. Aber das ist aktuell nicht mein Thema. Noch sind wir nicht abgestiegen", sagt Kraft.

Das könnte am Samstagabend gegen 17.30 Uhr aber schon so weit sein. Mit den Fans des FC Schalke 04 pflegen die Hertha-Anhänger seit Jahrzehnten eine innige Feindschaft. Ein Abstieg beim Erzrivalen wäre emotional schon schwer zu verkraften.

Sollte am letzten Spieltag die Hoffnung aber noch leben, erscheint die Konstellation sogar noch dramatischer. Dann kommt 1899 Hoffenheim ins Berliner Olympiastadion. Mit dem Dorfklub aus dem Kraichgau gibt es kaum brisante Reibungspunkte.

Wohl aber mit dessen Trainer. Der wurde nach einer vergleichsweise exorbitant erfolgreichen Hinrunde von Manager Michael Preetz erst ins Zwielicht gerückt und später dann entlassen. Für Markus Babbel wäre ein Sieg am letzten Spieltag in Berlin vielleicht keine Rache, wenigstens aber eine Genugtuung.

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