Reus zum BVB: Wichtiger Hinweis an alle

Von Stefan Rommel
Zufriedene Dortmunder Troika: Geschäftsführer Watzke, Trainer Klopp und Manager Zorc (v.l.)
© Getty

Marco Reus' Wechsel zu Borussia Dortmund ist nicht nur ein deutliches Signal des BVB an die Bayern, sondern auch an den Rest der Liga - und nicht zuletzt auch an die eigene Belegschaft. Der FC Bayern bleibt dieses Mal in der Rolle des Verlierers zurück, kann sich aber immerhin trösten: Auch andere Klubs sind vor kostspieligen Fehleinschätzungen nicht gefeit.

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Die heißeste Transfergeschichte des Winters ist vom Tisch: Marco Reus' Wechsel zu Borussia Dortmund beendet einen möglichen Zweikampf außerhalb des Platzes zwischen dem BVB und den Bayern, noch bevor der richtig begonnen hatte.

Die Ablösesumme war festgeschrieben, die Bayern hatten zumindest Interesse am 22-Jährigen. Der hat sich aber gegen den Rekordmeister und für den amtierenden Meister entschieden.

Für den BVB ist es der erste wirklich große und riskante Transfer nach der Beinahe-Pleite im Jahr 2004. Die Beweggründe für den Deal liegen aber auf der Hand.

Ansage an die Konkurrenz: Nicht nur die Bayern wurden vom BVB ausgestochen - vor allen Dingen ist der Transfer von Reus auch ein Signal an den Rest der ambitionierten Bundesligisten: Hier gibt es neben den Bayern wieder einen zweiten Klub, der sich einen Deal in dieser Größenordnung leisten kann.

Dortmund geht damit nach einem großen Triumph den Weg, den viele davor so nicht gehen wollten. Werder, der VfB Stuttgart und selbst der großzügig alimentierte VfL Wolfsburg waren bei ihren Top-Transfers weit von den 17,5 Millionen entfernt, die Dortmund jetzt für Reus bezahlen muss.

Sicherlich hat auch das ernüchternde Ausscheiden in der Champions League dazu geführt, dass sich der BVB jetzt mit dem Reus-Transfer finanziell weit aus dem Fenster lehnt.

Aber: Es bleibt auch die Erkenntnis, dass die jungen Toptalente des Landes nicht mehr Bremen, Hamburg, Stuttgart oder Schalke als erste Anlaufstelle sehen - sondern die allgegenwärtigen Bayern oder eben den BVB, der sich konzeptionell so stark positioniert hat, um die Kluft zu den finanziell immer noch unerreichbaren Bayern über andere Kanäle im Einzelfall auch mal schließen zu können.

Für die Konkurrenz ist es eine niederschmetternde Tatsache und ein neuerlicher Beweis dafür, dass es in Zukunft im Werben um junge, entwicklungsfähige Spieler nicht mehr nur die Bayern als Übermacht zu schlagen gilt, sondern auch den BVB.

"Ein solcher Transfer ist für uns sicher nicht 20-mal möglich. Aber wenn man von einem Spieler überzeugt ist, kann man auch mal tief in die Tasche greifen", sagte Trainer Jürgen Klopp, dessen Überzeugungskraft die Triebfeder der vielen gelungenen Transfers in den letzten drei Jahren war und der natürlich auch beim Reus-Coup eine entscheidende Figur war.

Eine verpasste Bayern-Chance? Ob die Münchener nur generell interessiert waren an Reus oder sich hinter den Kulissen intensiv um den Nationalspieler bemüht hatten, ist weiter unklar. Zu unterschiedlich waren die Aussagen der Verantwortlichen in den letzten Wochen.

Uli Hoeneß beschied zuletzt, dass er keine dringende Notwendigkeit für einen Offensiv-Transfer sehe, eher werde die Defensive in der Sommerpause verstärkt. Hoeneß ist dafür zu sehr ein glühender Befürworter Arjen Robbens, dessen Vertrag er gerne über 2013 hinaus verlängern würde.

Sein Kollege Karl-Heinz Rummenigge dagegen ist da eher zurückhaltend, stellt Robben nicht mehr so exponiert dar, wie der Niederländer es noch vor anderthalb Jahren bei den Bayern war.

Sportdirektor Christian Nerlinger sagte in der Diskussion um Reus noch vor drei Wochen im "Sport1 Doppelpass", dass der FC Bayern jeden Spieler auch bekomme, wenn er ihn nur haben wolle. Nach dieser Fasson gingen die Bayern bei Reus nicht aufs Ganze.

Das wiederum widerspräche dann aber Jupp Heynckes' Forderung, die der Trainer seit seinem Amtsantritt im Sommer immer wieder bekräftigte. Heynckes verweist immer wieder auf die Topklubs in Spanien, wo sowohl der FC Barcelona als auch Real Madrid quasi jede Position mit einem Ergänzungsspieler besetzen können, ohne dabei an Qualität zu verlieren.

Robben und Ribery sind auf den Flügeln schwer zu ersetzen, ein Spieler wie Reus hätte zumindest die Anlagen, der Mannschaft vielleicht kurzfristig, ganz sicher aber auf mittelfristige Sicht weiterzuhelfen.

Das von Nerlinger formulierte Selbstverständnis der Bayern ist leicht angekratzt, ein Prestigekauf eines deutschen Talents in naher Zukunft nicht mehr möglich. Der früher gerne formulierte Vorwurf an die Bayern, Spieler nur aufzukaufen, um die Konkurrenz zu schwächen, greift diesmal ins Leere.

Meinungen zum Wechsel von Marco Reus

Dortmund geht seinen Weg weiter: Subotic, Hummels, Barrios, Piszczek, Sven Bender, Lewandowski, Kagawa, Gündogan, Perisic, Leitner, bald Bittencourt und Reus; dazu noch Götze, Großkreutz, Koch und Schmelzer aus dem eigenen Stall - kein einziger Spieler war zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung älter als 24 Jahre.

Dortmund mag mit Reus jetzt ein großes Risiko gehen, vielleicht erinnert der Transfer einige auch an die dunklen Zeiten der Niebaum-Meier-Ära. Die Gegebenheiten dafür sind aber nicht nur in den Bilanzen völlig andere, sondern spiegeln sich auch auf dem Platz wider.

Der Buchwert der Mannschaft, wie sie ab Juli 2012 geführt wird, ist fantastisch, dabei ist das Ende der Fahnenstange noch nicht mal im Ansatz erreicht. Es ist bei fast allen Spielern noch genug Luft nach oben, jederzeit kann jeder Spieler für deutlich mehr Geld wieder abgegeben werden, als er eingekauft wurde.

Wie derzeit Lucas Barrios, für den der BVB zehn bis zwölf Millionen aufrufen soll, nachdem er vor zwei Jahren für rund 4,5 Millionen nach Dortmund gewechselt war.

Hans-Joachim Watzke bestätigte am Mittwoch auch noch einmal, dass das Geschäft wirtschaftlich vernünftig kalkuliert sei. "Der Transfer ist aus unseren Rücklagen der letzten Jahre solide finanziert. Wir haben jahrelang Transferüberschüsse erzielt, genau für eine solche Situation. Für Reus sind wir bereit gewesen, auch mal etwas Außergewöhnliches zu tun."

Sportlich und charakterlich passt der 22-Jährige perfekt ins Beuteschema: jung, wendig, schnell, spielerisch ausgezeichnet ausgebildet, variabel einsetzbar. "Marco Reus ist ein Spieler, der den Unterschied ausmacht, und dazu ein echter Dortmunder Junge", so Watzke weiter.

Der Reus-Deal als strategischer Schachzug: "Mit Marco Reus verpflichten wir unseren absoluten Wunschspieler für die Offensive. Wir freuen uns, dass sich Marco trotz hochkarätiger Konkurrenz für den BVB entschieden hat", sagte Sportdirektor Michael Zorc am Mittwoch.

Für den Rest der umworbenen Belegschaft bleibt die Gewissheit, dass sich der BVB auch im Rennen um begehrte Spieler - neben den Bayern waren auch Topklubs aus England und Spanien interessiert - auch durchsetzen und seine Strategie weiter verfolgen kann, obwohl der Klub finanziell noch weit entfernt ist vom europäischen Spitzenniveau.

Spieler wie Hummels, Kagawa, Götze oder Lewandowski dürften sich daran erinnern, wenn ihnen die eine oder andere Anfrage ins Haus flattert und dass der BVB sehr wohl in der Lage zu sein scheint, Topspieler zu halten beziehungsweise zu verpflichten. Und selbst für Trainer Klopp, über dessen mögliche Vertragsverlängerung auch in den nächsten Monaten geredet werden soll, ist der Transfer ein Fingerzeig.

Kaum zufällig verkündete Zorc ein paar Stunden vor Bekanntwerden des Reus-Transfers: "Wir sind uns mit Mario Götze einig, dass er auch in der nächsten Saison in Dortmund spielt. Er hat Vertrag bis 2014 - wir haben keinen Grund, ihn zu verkaufen."

Der Nationalmannschaftsblock beim BVB bekommt mit Reus seinen siebten Zugang. Hier entwickelt sich die 1B-Nationalmannschaft. Die Planstellen für die kurzfristige Zukunft sind mit den Mitzwanzigern der Bayern besetzt, dahinter lauert der etwas jüngere BVB-Block aber auf seine Chance.

Ein Makel bleibt: Als Spieler der Dortmunder U 17 hat Marco Reus den BVB verlassen. Auf eigenen Wunsch, um sich in Ahlen neu auszurichten und die Karriere zwei Stufen tiefer in Angriff zu nehmen. Dortmund hat damals wenig unternommen, um den für zu schmächtig eingestuften Reus zu halten.

Mit fünf Jahren Verzögerung erfolgt jetzt im Sommer die Rückkehr, die sich der BVB aber enorm viel Geld kosten lässt. Kevin Großkreutz, der Reus damals aus der BVB-Jugend nach Ahlen folgte, war vor zwei Jahren noch zum Nulltarif zurückzubekommen.

Den Bayern ist das mit Mats Hummels in ähnlicher Form passiert, nur dass der Innenverteidiger immer noch bei einem anderen Verein spielt und stattdessen Jerome Boateng für deutlich mehr Geld als Hummels damals eingebracht hatte, verpflichtet wurde. Immerhin ein kleiner Trost für den Rekordmeister, dass es auch anderen ähnlich ergehen kann.

Borussia Dortmund im Steckbrief

 

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