Unter Dauerfeuer

Von Daniel Börlein
Robin Dutt steht in Leverkusen nach einer schwachen Hinrunde unter Druck
© Getty

Die Bundesligisten bereiten sich auf die Rückrunde vor. In den Tagen vor dem Start in die zweite Saisonhälfte beleuchtet SPOX alle 18 Klubs. Dieses Mal: Bayer Leverkusen.

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So lief die Hinrunde

Schlechter hätte die Saison gar nicht starten können. Im ersten Pflichtspiel der neuen Spielzeit flog Bayer in der ersten Runde bei Zweitligist Dynamo Dresden aus dem DFB-Pokal - nach 3:0-Führung. Was folgte, war ein andauerndes Auf und Ab. Hatte man das Gefühl, der Werksklub habe seine schwächste Phase hinter sich, kam ein erneuter Rückschlag.

Weil die Mannschaft nie über einen längeren Zeitraum zu überzeugen wusste, gab es etwas, das man aus Leverkusen sonst eigentlich nicht kennt: Unruhe. Und zwar die komplette Hinrunde über. Im Zentrum der Diskussionen stand Coach Robin Dutt. Der Heynckes-Nachfolger befand sich quasi ab der Niederlage in Dresden unter Dauerfeuer.

Teils war die Kritik nachvollziehbar, brachte sich Dutt doch mit der einen oder anderen Maßnahme und Aussage selbst unter Zugzwang. Immer wieder wurden dem Bayer-Trainer aber auch Dinge angekreidet, die er nur bedingt oder gar nicht zu verantworten hatte.

Dass Leverkusen auch unter Dutt erfolgreich sein kann, bewies man vor allem in der Champions League. In einer starken Gruppe setzte man sich immerhin gegen den FC Valencia durch und zog zusammen mit Chelsea ins Achtelfinale ein. Da wartet nun der FC Barcelona.

Da allerdings in den letzten vier Liga-Spielen nur ein Sieg gelang und man als Sechster überwintert, gilt die Bundesliga-Hinrunde auch bei den Bayer-Verantwortlichen als echte Enttäuschung.

Das war gut

Wenngleich Leverkusen den Erwartungen bislang weit hinterher hinkt, lassen zwei Personalien Bayers Hinrunde auch etwas Positives abgewinnen. Zum einen: Bernd Leno. Der 19-Jährige war vor der Saison noch ein unbeschriebenes Blatt und kickte in der zweiten Mannschaft des VfB Stuttgart.

Weil Rene Adler verletzt ausfiel und die Ersatzleute David Yelldell und Fabian Giefer patzten, holte Bayer Leno zunächst auf Leihbasis. Der Youngster überzeugte auf Anhieb, wurde schließlich fest verpflichtet und avancierte in der Hinrunde zu einem der besten Keeper der Liga.

Personalie Nummer zwei: Lars Bender. Unter Heynckes nur Ergänzungsspieler machte der 22-Jährige unter Dutt einen riesigen Schritt nach vorne. Während Bayers Coach die erfahrenen Simon Rolfes und Michael Ballack regelmäßig auf die Bank setzte, stand Bender nicht nur in allen 24 Pflichtspielen auf dem Platz, sondern auch immer in der Startelf.

Beeindruckend: Kein anderer Bundesliga-Spieler spulte in der Vorrunde mehr Kilometer herunter als Bender. Dank seiner Entwicklung in Leverkusen zählt der Mittelfeldmann inzwischen auch zum Kreis der Nationalmannschaft und kann sich Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme machen.

Das muss besser werden

Vom Bayer Leverkusen vergangener Tage war in der Hinrunde nicht mehr viel übrig. Vor allem im Spiel nach vorne präsentierte sich die Dutt-Elf teilweise erschreckend harmlos und eindimensional.

Die Bindung zwischen Mittelfeld und Angriff war häufig nicht vorhanden, immer wieder griff man auf lange Bälle aus der Abwehr zurück. Eine geordnete Spielanlage und ein einstudiertes Offensivsystem vermisste man eigentlich komplett. So erzielten selbst Teams aus der unteren Tabellenhälfte (Wolfsburg, Hertha, Köln) mehr Treffer als der Werksklub.

Gleichzeitig wackelte auch die Defensive einige Male bedenklich. Vor allem im Unschaltspiel, zu Freiburger Zeiten noch eine Stärke von Dutts Team, offenbarte Bayer doch erhebliche Schwächen. Hinzu kamen regelmäßige individuelle Aussetzer (z.B. Reinartz).

Spannend wird die Frage, wie vor allem in den ersten Spielen die Offensivabteilung aussehen wird. Renato Augusto und Tranquillo Barnetta sind noch nicht wieder bei 100 Prozent, Sidney Sam fällt mit Muskelfaserriss erstmal aus und Nicolai Jörgensen (Lautern, ausgeliehen) sowie Allrounder Hanno Balitsch (Nürnberg) wurden abgegeben.

Bleiben für die offensiven Flügel eigentlich nur Andre Schürrle, Gonzalo Castro und Karim Bellarabi.

Der Mann im Fokus

Schürrle, Ballack, Kießling, Bender, Leno - Bayer hat zahlreiche interessante Spieler im Kader, der Fokus liegt in der Rückrunde allerdings in erster Linie auf Robin Dutt. Zwar gibt es bei Leverkusens Verantwortlichen angeblich auch nach wie vor keinerlei Zweifel am Trainer, doch schon bei der ersten Niederlage wird die öffentliche Diskussion um den 46-Jährigen neu entfachen, bei jeder weiteren heißt es: Feuer frei.

Das Auftaktprogramm hat es mit den Spielen gegen Mainz (H), Bremen (A), Stuttgart (H) und Dortmund (A) durchaus in sich. Holt Dutt daraus nicht die nötigen Punkte und lässt die Mannschaft vor allem keine Weiterentwicklung erkennen, könnte Leverkusens Führung zum Handeln gezwungen werden.

Prognose

Obwohl in der Vorrunde vieles schief lief, rangiert Leverkusen immerhin auf Europa-League-Platz sechs. Den sollte man sich nicht mehr nehmen lassen.

Doch auch nach oben scheint der Zug noch längst nicht abgefahren. Ruft die Mannschaft ihr zweifelsohne vorhandenes großes Potenzial mal über einen längeren Zeitraum ab und schwächelt Gladbach ein wenig, ist auch CL-Quali-Platz vier noch drin.

Andererseits: Bleibt das Team auch weiterhin hinter den Möglichkeiten zurück, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Leverkusen in der Rückrunde noch den Trainer wechselt.

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