Köln: Ohne jede Arroganz

Von Christian Bernhard
Der 1. FC Köln schwimmt nach zehn Punkten aus den letzten vier Partien auf einer Euphoriewelle
© Getty

Der 1. FC Köln ist das drittbeste Team der Rückrunde. Seit dem 21. Spieltag hat keine Mannschaft so viele Punkte geholt wie die Elf von Trainer Frank Schaefer.

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Was sich doch alles in eineinhalb Monaten verändern kann: Vor dem Rückrundenstart lag der 1. FC Köln mit mageren 15 Zählern auf Tabellen-Rang 16. Vor dem Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) grüßen die Domstädter von Rang elf und der Relegationsplatz ist immerhin schon fünf Punkte entfernt.

Was ist in den vergangenen Wochen in Köln passiert? Und wer sind die entscheidenden Personen dieses Aufschwungs?

Der Trainer: Frank Schaefer

Kölns Höhenflug hat einen sportlichen Vater: Frank Schaefer. Seit der 47-Jährige den Cheftrainerposten beim FC übernommen hat, holte sein Team 24 Punkte in 15 Spielen - nur der BVB, Leverkusen, die Bayern und Hannover waren seitdem erfolgreicher. "Der Trainer hat natürlich großen Anteil: Wir haben uns als Mannschaft gefunden. Wir kämpfen, wir laufen - und können dann auch gut Fußball spielen", sagte Lukas Podolski dem "Kicker", der von Schaefer zum Kapitän befördert wurde und seitdem wie ausgewechselt auftritt.

Schaefer hat das Team voll im Griff - und zwar alle, nicht nur die potenziellen Stammspieler. Gegen Freiburg fehlten fünf davon, trotzdem siegten die Kölner. Spieler wie Andrezinho, die schon abgeschrieben schienen, bringen jetzt gute Leistungen - ein eindeutiger Verdienst Schaefers.

Der ehemalige U-23-Trainer spricht die Dinge offen an und scheute sich auch nicht davor, den Psychologen Andreas Marlovits in den Trainingsalltag mit einzubinden. "Es geht mir darum, die Dinge bewusst beim Namen zu nennen - und nicht darum, Dinge schön zu reden oder unter den Tisch zu kehren", sagte Schaefer dem "Kölner Stadtanzeiger", der über den Fußballlehrer schrieb: "Es geht ihm um Fußball. Und nur um Fußball. Man könnte meinen, er sei im Trainingsanzug auf die Welt gekommen." Schaefers Hauptcredo: "Für mich ist die öffentliche Wahrnehmung nicht so wichtig, sondern die innere Wirkung."

Auch bei den Kollegen wird der 47-Jährige geschätzt. "Er wirkt sehr kompetent, präsentiert sich menschlich und kommunikativ - ohne jede Arroganz", sagte Bundestrainer Joachim Löw, der beim FC momentan "größere sportliche Qualität" erkennt, dem "Express". Ralf Rangnick überraschte "wie lange man in Köln gebraucht hat zu erkennen, welch guten Trainer die im Stall haben." Und Oliver Kahn wies im "ZDF" auf den vielleicht entscheidenden Punkt hin: "Er kennt das Umfeld, was in Köln enorm wichtig ist."

Schaefer kennt ihn nicht nur, er lebt den FC: "Das ist kein normales Trainer-Verein-Verhältnis. Das ist etwas Gewachsenes." Momentan profitieren beide Seiten davon.

Der Leader: Lukas Podolski

Was Schaefer an der Seitenlinie, ist Podolski auf dem Platz. Zehn Tore hat der Nationalspieler mittlerweile auf seinem Konto, dazu kommen fünf Vorlagen. Damit ist der 25-Jährige an fast jedem zweiten FC-Treffer direkt beteiligt. "Der wachgeküsste Prinz", titelte der "Kicker" am Donnerstag treffend.

Ein wichtiger Baustein in dieser Entwicklung war Poldis Ernennung zum Kapitän. "Lukas spürt, dass der Trainer ihm vertraut und dass er in alle Prozesse mit eingebunden wird. Das macht ihn selbstbewusster", sagt Löw. Für Schaefer hat Podolski als Führungsspieler eine "unheimliche Entwicklung" genommen. "Das ist höher einzustufen, als wenn er etwa seinen linken Fuß oder sein Kopfballspiel weiter verbessert hätte", so Schaefer.

Doch Podolski ist an vorderster Front nicht alleine, ihm zur Seite steht ein wie ausgewechselter Milivoje Novakovic. Nach dem Erfolg gegen Freiburg jubelte der Slowene: "Das Colonia-Duett hat wieder zugeschlagen."

Das Duo glänzt wie in alten Zeiten - auch, weil Schaefer sie auf den richtigen Weg gebracht hat: "Beide müssen sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Das haben sie begriffen, auch wenn sie nie Balljäger werden."

Der Rückhalt: Michael Rensing

Ein Blick in die Statistik verrät: Seitdem Michael Rensing das FC-Tor hütet (18. Spieltag), haben die Kölner nur ein Spiel verloren und insgesamt 14 Punkte geholt - einige davon auch dank des Keepers. "Als ich nach Köln kam, war die Situation noch anders. Viele haben nicht wirklich an den Klassenerhalt geglaubt", sagt Rensing. "Aber wir haben alle mitangepackt, das sieht man auch auf dem Platz. Der Zusammenhalt und die Stimmung sind jetzt viel besser."

Rensing ist zurück, denn: "Fußball macht mir wieder Spaß." Sechs Monate war der 26-Jährige arbeitslos, dann unterschrieb er im Dezember in Köln und startet jetzt wieder durch. "Er zeigt jetzt in Köln, dass er ein absoluter Klassetorwart ist", sagt Kahn, der zugibt, dass Rensing "zum Schluss bei den Bayern dermaßen unter Wert weggekommen ist".

Rensing ist jetzt schon ein Leader im Team, so wie Christian Eichner, der ebenfalls in der Winter-Transferperiode zum Team stieß. "Wir sind alle sehr glücklich, dass wir sie dazubekommen haben. Rensing und Eichner nehmen Einfluss auf die Mannschaft", schwärmt Schaefer. "Es ist toll, mit ihnen zu arbeiten, sie setzen sich mit jeder Situation auseinander. Du merkst auf dem Trainingsplatz, dass sie eine hundertprozentige Einstellung haben. Sie tun der Mannschaft sehr gut."

Der Strippenzieher: Volker Finke

Seit Volker Finke am 1. Februar das FC-Sportdirektoramt angetreten hat, ist das Team ungeschlagen. Klar, dass er da bereits den Glücksbringer-Stempel abbekommen hat. Für Bundestrainer Löw hat Finke auch direkten Anteil am momentanen Lauf. "Volker Finke war ein erfolgreicher Trainer, der in Freiburg jahrelang Großartiges geleistet hat. Er hat eine Idee und ein Konzept. Das kommt dem FC zugute", so Löw.

Finke, der unterstreicht, den momentanen Kader nicht zusammen gestellt zu haben und sich so eine zukünftige, strukturelle Veränderung offen lässt, agiert bewusst im Hintergrund und schaut bereits jetzt in die Zukunft: "Der FC hat eine hohe Fluktuation. Ich werde auf jeden Fall versuchen, Kontinuität reinzukriegen. Die Spieler, die jetzt da sind, haben Priorität."

Langfristig, sagte der 62-Jährige der "Süddeutschen Zeitung", wolle er den Verein "im Mittelfeld der Liga", zwischen Platz sieben und zwölf etablieren, "darin sehe ich meine Aufgabe, und darauf habe ich Lust".

Finke weiß aber auch, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist. Der Klassenerhalt "ist überhaupt kein Selbstläufer. Wir müssen die Spannung ganz hochhalten."

Der Sportdirektor nimmt gerne die Rolle des Euphoriebremsers ein - ein allzuoft vernachlässigter Part in Köln. Ein Blick auf die kommenden Gegner gibt ihm recht: Nach Dortmund geht es gegen Hannover und den HSV.

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