Bad Boy? Nur auf den ersten Blick

Von Daniel Börlein
Ryan Babel (l.) wechselt vom FC Liverpool zu 1899 Hoffenheim
© Getty

Ryan Babel spielt ab sofort in Hoffenheim. Der 1899-Neuzugang gilt als Bad Boy und Skandal-Profi, doch wer ist er wirklich? In seiner Kindheit entging der 24-Jährige nur knapp einer Katastrophe. Sein Glaube gibt ihm Kraft, Musik macht ihn stark - und hilft ihm, fehlendes Selbstbewusstsein zu kompensieren.

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Ryan Babel weiß, dass man auch Wirbel erzeugen kann, ohne etwas zu sagen. Im Herbst 2009 wurde in England darüber spekuliert, dass der damalige Liverpool-Stürmer seinen Abgang von den Reds provozieren wolle.

Der Grund: In einem Interview hatte sich Babel über seine Teamkameraden echauffiert, von persönlichen Eitelkeiten und fehlendem Mannschaftsgeist gesprochen. Nur: Babel hatte der Zeitung, die seine Aussagen veröffentlichte, nie ein Interview gegeben. Ein Makel aber blieb.

Skandal-Profi oder nicht?

In deutschen Medien hat der Niederländer bislang auch noch nicht gesprochen. Nur ein Statement gibt es von Babel, das 1899 Hoffenheim nach seiner Verpflichtung veröffentlichte: "Ich freue mich auf die neue Aufgabe in Hoffenheim. Meine ersten Eindrücke sind absolut positiv. Ich hoffe, mich jetzt zügig in die Mannschaft einbringen zu können." Das muss erstmal reichen.

In Deutschland war Babel bereits vor seiner Unterschrift in Hoffenheim und seiner ersten Niederlage im DFB-Pokal in Cottbus (0:1) ein Bad Boy. Sein Berater Winnie Haatrecht hatte öffentlich erklärt, dass Hoffenheim keineswegs Babels erste Wahl sei. Zudem war der Angreifer einige Wochen zuvor in England wegen Schiedsrichterbeleidigung via Twitter zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Für 18 Millionen nach Liverpool

Doch ist Babel wirklich ein Skandal-Profi? "In Gesprächen haben wir festgestellt, dass er gut zu uns passt. Auch charakterlich", sagt 1899-Coach Marco Pezzaiuoli. Zwischen sieben und acht Millionen Euro überwies Hoffenheim an den FC Liverpool.

Die Reds hatten ihn 2007 für knapp 18 Millionen Euro von Ajax Amsterdam geholt. Mit einer Rückkehr nach Amsterdam liebäugelte Babel auch jetzt. In der niederländischen Hauptstadt fühlt er sich wohl, dort ist er zuhause. Auch wenn er keine leichte Kindheit hinter sich hat.

Aufgewachsen in Problemviertel

Ryan wächst im Amsterdamer Problemviertel Bijlmermeer auf. Dort, wo 70.000 Immigranten in einfachsten Verhältnissen wohnen und die Kriminalitätsrate außergewöhnlich hoch ist.

"Ich mag das Wort Ghetto nicht, aber so beschreibt man das, wo ich herkomme wohl", sagt Babel. "Es gibt dort viele Probleme und ich hatte Freunde, die den falschen Weg eingeschlagen haben. Drogen, Kriminalität - wenn du mal in dieser Szene drin bist, ist es sehr schwer wieder rauszukommen."

Katastrophe nur knapp entkommen

Auf den kleinen Ryan passen die Eltern allerdings besonders auf. "Meine Eltern waren immer sehr streng und haben mir klare Regeln vorgeben. Das war entscheidend." An einem Tag im Oktober 1992 hilft Babel allerdings nicht der Schutz der Eltern, sondern einzig das Glück. Eine Boeing 747 verliert über Amsterdam die Kontrolle und stürzt in eine Wohnsiedlung in Bijlmermeer - nur einen Häuserblock neben Babels Wohnung.

"Das Flugzeug schrammte nur haarscharf an uns vorbei, bevor es neben uns einschlug. Es hätte genauso gut uns treffen können", erzählt er. 43 Menschen kommen bei dem Unglück ums Leben. "Es ist eine schreckliche Erinnerung. Ich werde das Bild der totalen Verwüstung nie vergessen."

Mit zwölf Jahren zu Ajax

Babel kommt über den Schock hinweg. Neben seinen Eltern helfen ihm dabei drei Dinge: Sein Glaube, die Musik und der Fußball. Mit zwölf Jahren schafft er den Sprung zu Ajax, debütiert dort im Jahr 2004 in der ersten Mannschaft und erzielt nur ein Jahr später sein erstes Tor in der niederländischen Nationalmannschaft - als jüngster Spieler seit über 60 Jahren.

Babel steht vor einer großen Karriere. Sturm-Legende Marco van Basten sagt über ihn, er bringe alles mit, um der "nächste Thierry Henry" zu werden. 2007 wechselt er nach Liverpool. Doch bei den Reds gerät der steile Aufstieg ins Stocken.

Erstmals ist er von seinen Eltern getrennt, zudem kommt er mit Trainer Rafael Benitez nicht zurecht. Der Spanier packt Babel immer wieder hart an und fordert von ihm, sich nicht so leicht unterkriegen zu lassen.

"Es ist schwer für jemanden, der von Natur aus nicht selbstbewusst ist, Selbstbewusstsein zu demonstrieren", sagt Babel in dieser Zeit. Er betet viel, geht regelmäßig in die Kirche und versucht, sich nach außen stark zu geben.

Die Musik hilft Babel

Die Musik hilft ihm dabei. Unter dem Künstlernamen Rio veröffentlicht er im Juni 2008 mit drei niederländischen Rappern den Song "Eeyeeyo", der es auch prompt auf Platz eins der niederländischen Charts schafft. Anfang 2010 folgt ein weiterer Song.

"Musik war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens", sagt Babel. In einem anderen wichtigen Teil seines Lebens, dem Fußball, läuft es dagegen weniger gut. In Liverpool funktioniert es auch unter Benitez' Nachfolgern Roy Hodgson und Kenny Dalglish nicht.

Fan-Vorwurf: Lustlos!

Die Fans werfen ihm vor, sich zu sehr mit seiner Musik und zu wenig mit ihrem FC Liverpool zu beschäftigen und auf dem Platz häufig ziemlich lustlos zu agieren. Er merkt: Seine Zeit bei den Reds ist abgelaufen, der Wechsel nach Hoffenheim ist die logische Konsequenz.

In Liverpool brachte es Babel in dreieinhalb Jahren auf 92 Premier-League-Spiele und zwölf Tore. Warum es nicht zu mehr gereicht hat, versteht bei den Reds fast niemand.

In einem Fanforum schrieb ein Liverpool-Anhänger nach Babels Wechsel: "Er ist wie eine unglaublich schöne Frau, die einen Schleier trägt: Du weißt, dass da viel ist, das du gerne sehen möchtest, aber du wirst niemals alles zu sehen bekommen."

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