Franks Lesezirkel

Von Max-Jacob Ost
Wenn Frank Rost auch beim Lesen so schaut, haben seine Bücher bestimmt Brandlöcher
© Getty

Aufgepasst, heute wird es belesen. Selbstverständlich sind nicht wir daran schuld. Das war die Idee von Frank Rost. Was sein HSV mit Goethe zu tun hat, warum Louis van Gaal ein schlechter Papa ist und wie das Wetter im Mai wird - all das erfahrt Ihr nur hier, in der Alternativen Liste des 16. Spieltags.

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1. Johann Wolfgang von Rost: Man muss es dem norddeutschen Titan Frank Rost einfach zugestehen: Der Mann hat mehr Seiten als ein Dodekaeder. Denn er kann Field-Interviews nicht nur so geben wie man es gewohnt ist: laut wie ein Düsentriebwerk bei Mach 3, mit glühender Schläfenvene und Silben wie Geschosse. Nein, er kann auch anders. Denn neben seiner Rolle als Frankster (Mischung Frank Rost und Hulk Hogan) hat er auch den Frankicki im Repertoire (Mischung aus Frank Rost und Reich-Ranicki). Im Interview nach dem doch eher apokalyptisch lustigen 2:4 gegen Leverkusen eröffnete er nämlich glatt einen Lesezirkel: "Kennen Sie den Zauberlehrling? So ungefähr ist die Geschichte beim HSV." Eine Aussage, die nicht nur den Fragesteller im Fernsehen vor Probleme stellte (der machte ein Gesicht, als wäre das einzige ihm bekannte Buch Facebook).

Deshalb bietet die AL an dieser Stelle einen Instant-Interpretationskurs an. Im Zauberlehrling vertut sich ein Nachwuchs-Houdini mit seinem Sprüchlein, woraufhin ein Besen die Bude des Zaubermeisters unter Wasser setzt, bis dieser dem Spuk ein Ende bereitet. Bekanntestes Zitat: "Die ich rief, die Geister / werd' ich nun nicht mehr los". Es geht also um Machtmissbrauch, Überheblichkeit, Übermut und extrem eingeschränktes Talent. Das alles kann Frank Rost aber unmöglich gemeint haben. Geht ja um den HSV.

Es gibt also nur drei Möglichkeiten:

a) Es wird höchste Zeit, dass die Zaubermeister Netzer und Happel wieder nach Hause kommen und Ordnung in den Laden bringen.

b) Hui-Buh hat den HSV verhext.

c) Frank Rost kennt den Zauberlehrling auch nicht. Er wollte nur Smalltalk machen.

2. Advantage Ribery: Ein bisschen ist Bayerns Franck Ribery wie ein Kleinkind. Er will immer das, was er gerade nicht hat. Bietet man ihm einen schmackhaften Brei als Spielgestalter, will er lieber das Außenstürmer-Mus. Wenn aber dann das Löffelchen über links außen auf sein Mündchen zubrummelt, quengelt er nach den Freiheiten, die er auf der Zehnerposition haben könnte. Und das alles obwohl sich seine Arbeitsleistung in den letzten Wochen bevorzugt auf den Inhalt seiner Windeln beschränkte. Es ist Papa Louis van Gaal nachzusehen, wenn ihn solches Kindertheater nervt.

Trotz allem (selbst wenn ihn der Kleine duzt) ist es allerdings als wenig hilfreich einzuschätzen, das französische Baby mit bösartigen Falschaussagen zu verwirren. "Dann muss Ribery eben Tennis spielen gehen, dann kann er alleine spielen", brummelte der elfache Papagaal am Samstag vor dem Spiel in die Mikros. Ähm, nur mal so unter uns Mental-Vätern: Ein Kind alleine zum Tennisspielen schicken - ist das pädagogisch wirklich wertvoll? Müssen wir jetzt Katia Saalfrank an die Säbener schicken?

3. Sehnsucht nach Uli: Überhaupt, man könnte eine ganze AL nur zu Vorfällen rund um das Spiel Bayern gegen St. Pauli schreiben. Aber das wäre leichter als vom VfB Stuttgart eine Abfindung zu bekommen. Picken wir uns also ein Highlight heraus. Nein, damit ist nicht die Schweinsteigersche Ansage nach Spielschluss gemeint (hätte es nur in Gedichtform in die AL geschafft) und auch nicht die Willkommensgeschenke für Neuer, der längste Torwartwechsel aller Zeiten, die Trikotfarbenkombination (Bayern plus St. Pauli = Blutstuhl) oder die Mutter aller Schmalzbrote nach Spielschluss (Kinderchor plus Streicher plus Sänger plus Weihnachtslied plus Ribery als Jesuskind plus van Gaal als Jesus, Maria und Ochse).

Den eigentlichen Höhepunkt setzte - wie könnte es anders sein - Uli Hoeneß. Während Schweinsteiger durch die Katakomben eilte und hibbelig wie ein Erstklässler in der ersten Sportstunde jedem Reporter sein rotes Herz zeigen wollte, blieb Uns Uli so nüchtern wie die Durchschrift einer Einkommenssteuererklärung.

Frage:  Wie haben sie Bastian Schweinsteiger überzeugt, dass er beim FC Bayern bleibt? Antwort Hoeneß: "Wir haben gut bezahlt." Und sonst waren keine Argumente nötig? Antwort Hoeneß: "Das sind Profis, und da geht es Gott sei dank nur um Geld." Schweinsteiger sagt, sein Herz schlägt rot. Antwort Hoeneß: Lächeln. Grinsen. Schulterzucken. Dann: "Ja. (Pause) Gut.". Und mit den Augen sagt er gleichzeitig: "So ein Schmarrn. Das einzige, das bei ihm rot ist, ist die Brieftasche." Ach Uli, irgendwie fehlst du uns doch... Dein Nachfolger sagt mit den Augen in solchen Situationen immer nur "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!"

4. Shopping mit Michael: Mannschaftssitzung in der Gladbacher Kabine vor dem Spiel gegen Freiburg: "Also. Vorne macht ihr die Dinger wie gewohnt rein. Leverkusen und so. So will ich das sehen. Sechs, sieben Buden. Und hinten, da macht euch mal keine Sorgen. Deckung brauchen wir heute nicht. Den schwarzen Knipser haben wir ihnen ja weggekauft. Gell, Mo? Also: Ran an die Champions League!"

5. Kurze Werbeunterbrechung: Neulich in der Bundesliga. "Sagt einmal, habt ihr sie noch alle!? Welcher Idiot hat denn hier schon wieder geschossen? Warst du denn noch nie beim Training? Anlaufen! Schießen! So einfach ist das! Oder bist du etwa bescheuert? Warum sagst du nichts?" - "Trainer. Trainer! Der Mann kann gar keine Elfmeter schießen." - "Der kann keine Elfmeter schießen? Das gibt's doch nicht! - Und ich hab das all die Jahre gar nicht gemerkt... Aber da muss man doch was tun können!" - Über 300 Bundesligaspieler können keine Strafstöße schießen. Schieß' dich nicht ab. Lern Anlaufen und Schießen. Ein Projekt des englischen Fußballverbands.

6. Jesus vs. Jesus: Köln gegen Frankfurt. Was sich so spektakulär wie eine Telefonbuch-Lesung für Gehörlose anhört, stellte sich als erschreckend brisant heraus. Denn was haben ein Oberammergauer Dorffest kurz vor Ostern und die genannte Partie gemeinsam? Es treffen sich mindestens zwei Jesusfiguren. Auf der einen Seite seine selbsternannte Heiligkeit Faryd der I., auf der anderen Seite der natürliche Todfeind jeder Haarspülung, Ioannis Amanatidis. Wie der Clash der Holy Titans ausging? Am Ende setzte sich Mondragon klar durch. Zwar konnte er weder die Zehntausend im Stadion speisen noch isotonische Getränke in kühlen Wein verwandeln. Aber seine Tränen waren echt. Und wer freiwillig in die USA geht, um dort Fußball zu spielen, der muss einfach einen Auftrag von ganz oben haben. Anders ist das nicht zu erklären.

7. Schwäbischer Sommernachtstraum: Wo wir gerade bei Aufträgen von ganz oben sind, die nach ganz unten vergeben werden. Da den VfB-Bossen die Ähnlichkeit zwischen dem Namen ihres Trainers und der Tabellensituation zu groß war, haben sie sich am Drive-In einen neuen Coach zum Mitnehmen geholt. Für garantiertes langfristiges Arbeiten im Zeitraum von drei bis fünfzehn Tagen. Und weil's zu ihm die Maxi-Coke umsonst gab, ist die Wahl auf Bruno Labbadia gefallen. Der mehrfache Herbstmeister der Herzen griff bei seiner Vorstellung auch gleich tief in den Rhetorik-Schmalztopf und versprach, in Stuttgart in einem halben Jahr "die Sonne wieder strahlen zu lassen". Selbst wenn die Vorhersage von Sonnenschein im Mai nicht unbedingt den Mut erfordert, den man braucht um sich freiwillig auf den heißen Trainerstuhl im Schwabenland zu setzen - Sportdirektor Fredi Bobic wurde es bei solchen Prognosen trotzdem merklich warm ums Herz. Denn: Wenn schon Relegation, dann doch bitte wenigstens bei gutem Wetter.

8. Klischeebildung mit dem ZDF: Auf eine gute Idee folgt mit der Wahrscheinlichkeit eines Stuttgarter Trainerwechsels eine schlechte. Das Aktuelle Sportstudio bildet da keine Ausnahme. Die gute Idee war es, sich nach dem Spiel gegen die Keller-Kinder aus Stuttgart Hannovers Stürmer Ya Konan einzuladen. Denn es war davon auszugehen, dass er gegen die VfB-"Defensive" mit zwei bis acht Treffern ins Studio kommen würde. Dumm nur, dass sich Konan der Barbar verletzt hat. Wen also auf die Torwand schießen lassen? KMH herself? Einen Kamera-Assistenten? Matze Knop als Franz Beckenbauer, Louis van Gaal, Diego Maradona, Trainerbank von Schalke, Krawatte Gerhard Dellings und als Nasenhaar Udo Latteks (pro Schuss eine "Parodie")?

Schon sind wir beim Eingangssatz. Die gute Idee des ZDF war, Ya Konans Frau auf die Torwand schießen zu lassen. Das hatte Charme. Leider hatte die Redaktion auch die Idee, den Torjäger dazu begleitend auf eine Buschtrommel klopfen zu lassen. Und selbst wenn er das in seiner Freizeit so gerne macht (wie es erklärend hieß), ist das dennoch ein übler Griff in die Klischee-Kiste. Und die Frage muss erlaubt sein: Hätte in derselben Situation Andreas Görlitz auf seiner Gitarre geklampft, Frank Rost eine Lesung gehalten oder Louis van Gaal mit sich selbst eine Runde Tennis gespielt?

9. Kann passieren: Ihr wollt wissen, warum wir uns immer über den Effzeh lustig machen? Wegen Aktionen wie dieser hier: Nach dem Spiel gegen Frankfurt war in Köln die Sorge groß. Podolski hatte sich verletzt. Kollektives Aufatmen einer kompletten Stadt als Mannschaftsarzt Paul Klein Entwarnung gab: "Poldi hat sich nur eine leichte Sprunggelenksblessur zugezogen. Es sind keine Bänder gerissen." Und nun, ein paar Stündchen später, postet Poldi himself das hier bei Facebook: "Komme gerade vom Arzt und leider ist ein Außenband gerissen. Habe echt große Schmerzen, hoffe aber das (sic!) ich so schnell wie möglich wieder fit werde." Unbestätigten Gerüchten zufolge hat der Kölner Mannschaftsarzt bereits ein Angebot vom niederländischen Fußballverband erhalten.

10. Momentaufnahmen für die Ewigkeit: Wir haben den Witz nach zwei Spieltagen gemacht. Dann nach vier Spieltagen. Nach acht. Nach zwölf. Und jetzt am sechzehnten stellen wir fest: Es hört einfach nicht auf, lustig zu sein. Nach jetzigem Stand sicher in der Europa League: Mainz. Hannover. Freiburg. Das ist als würde man Edmund Stoiber die MTV Video Awards moderieren lassen, als würde Prodigy eine Schnulze mit Cher einspielen, als würde ein Stück vertrocknetes Brot den Nahost-Konflitk lösen, als würde... ach komm, wir sagen es einfach: Das ist, als würde Mike Hanke den goldenen Schuh Europas, den Physiknobelpreis und ein Torwandschießen gegen die Frau von Ya Konan gewinnen. Gleichzeitig.

11. Noch mal drüber nachgedacht: Bestimmt hat Euch auch der erste Punkte die gesamte AL hinweg begleitet. Was zum Teufel hat der HSV mit dem Zauberlehrling gemeinsam? Vielleicht kann man das Rätsel von der anderen Seite aus lösen. Was ist der HSV? Der Hamburger Sport-Verein ist wie ein Kind mit komischen Kleidern, das mit seinen vorwitzigen Freunden ein ehrwürdiges Gemäuer rocken will. Aber egal was es anstellt, man kann es nur belächeln. Kindergeschichten eben. Sicher, dass Frank Rost mit dem Zauberlehrling nicht Harry Potter gemeint hat?

Der 16. Spieltag im Überblick

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