Roos: "Ich war schon vor Axl Rose erfolgreich"

Von Interview: Jochen Tittmar
Axel Roos hat in seiner Profilaufbahn ausschließlich beim 1. FC Kaiserslautern gespielt
© Imago

Axel Roos ist ein Pfälzer Urgestein. Von 1984 bis 2001 kickte der heute 46-Jährige beim 1. FC Kaiserslautern und hält damit den Treuerekord beim FCK. Im SPOX-Legenden-Interview spricht Roos über die Arbeit mit Kindern, seine "Abschiebung" am Betzenberg und über Albaner, die sich bereitwillig von einem Bus anfahren lassen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sie haben von 1984 bis 2001 für Kaiserslautern gespielt. Inwiefern hat sich in dieser langen Zeit Ihr Dasein als Profi verändert?

Roos: Früher war die Kameradschaft deutlich besser. Das lag auch daran, dass damals mehr Pfälzer in der Mannschaft waren. Als mehr Geld floss, hat jeder mehr an sich selbst gedacht und versucht, für sich das meiste Kapital herauszuschlagen. Dass das früher anders war, lag vor allem auch an Ex-Präsident Norbert Thines, der sehr viel Wert auf soziale Kompetenzen und Zusammenhalt gelegt hat.

SPOX: 1990 gewann Kaiserslautern mit dem DFB-Pokal nach vielen Jahren mal wieder einen Titel. Können Sie sich noch an die Feierlichkeiten im Anschluss an den Sieg gegen Werder Bremen erinnern?

Roos: Ich kann mich sehr gut erinnern, da ich einer der wenigen war, die keinen Alkohol getrunken haben (lacht). Es waren unfassbar tolle Momente. Es hat ja im Vorfeld kein Mensch im Traum daran gedacht, dass wir Pokalsieger werden könnten. Was in Kaiserslautern abging, war phänomenal. Schon außerhalb der Stadt hingen an den Autobahnbrücken dutzende Plakate auf denen "Herzlich Willkommen" oder ähnliches stand. Als wir in der Stadt angekommen sind, gab es kein Durchkommen mehr. Das war gigantisch.

SPOX: Sie waren bei den letzten beiden Meisterschaften (1991, 1998) und Pokalsiegen (1990, 1996) dabei. Welcher Titel hat für Sie den höchsten Stellenwert?

Roos: Die Meisterschaft 1998 war die schönste. Das war nach dem extrem bitteren Abstieg zuvor die Wiedergutmachung für die gesamte Region. Ich wusste, wie die Menschen hier unter dem Abstieg gelitten haben. 1998 hatte man zudem als Spieler die Möglichkeit, in der Champions League zu spielen. Die gab es bei der ersten Meisterschaft ja noch gar nicht.

SPOX: Sie halten mit 22 Jahren Vereinszugehörigkeit den Treuerekord beim FCK seit Gründung der Bundesliga. Welche Rolle nimmt der FCK in Ihrem heutigen Leben ein?

Roos: Schon vor meiner offiziellen "Abschiebung" habe ich gemerkt, dass man mich gar nicht mehr haben wollte. Das liegt wohl daran, dass ich ein bisschen unbequem bin und immer gerade heraus meine Meinung sage. Ich bin zwar immer noch FCK-Fan, aber habe mich seitdem vom Verein total distanziert. Seit 2001 war ich höchstens sechs oder sieben Mal auf dem Betzenberg. Ich habe es dem FCK über die Jahre immer wieder angeboten, etwas zusammen mit meiner Fußballschule zu machen. In diesem Winter ist es nun das erste Mal, dass der FCK auf uns zugekommen ist und ein Fußballcamp für Kinder bei uns ausrichtet.

SPOX: Inwiefern hat es Sie geärgert, dass Sie kein offizielles Abschiedsspiel vom Verein bekommen haben?

Roos: Dafür hatte im Umfeld kein Mensch Verständnis. Das hat mich unheimlich geärgert. Wenn man was die Titel angeht der erfolgreichste FCK-Spieler ist, dann ärgert das einen schon. Von Vereinsseite gab es dafür keine Begründung. Ich habe nichts gegen Mario Basler, aber er hat beispielsweise ein Abschiedsspiel bekommen, obwohl er nicht einen Titel für den FCK geholt hat. Da kam ich mir dann schon wie im falschen Film vor.

SPOX: Vor Jahren wären Sie beinahe Trainer der zweiten Mannschaft des FCK geworden. Woran ist das letztlich gescheitert?

Roos: Ich bin damals vom Verein angerufen worden. Wie sich später herausstellen sollte, hat man das wohl nur für eine bessere Außendarstellung gemacht, damit man später sagen konnte, man hätte mich wenigstens gefragt. Ich habe frühzeitig herausgekriegt, dass der Posten schon längst vergeben war. Das hat mich natürlich wieder geärgert. Es wurde so verkauft, als ob ich einer von mehreren Bewerbern war. Ich habe mich aber nie beworben, sondern wurde angesprochen. Und daher habe ich mir auch größere Hoffnungen gemacht.

SPOX: Was wäre denn, wenn Stefan Kuntz Sie plötzlich anrufen würde? Sehen Sie generell noch eine Chance, eine Aufgabe beim FCK zu übernehmen?

Roos: Wir haben uns zuletzt bei einer Benefizveranstaltung ein wenig im Gang unterhalten. Es müsste einfach ein vernünftiges Gespräch mit Ihm stattfinden. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, mit dem FCK zusammen eine Fußballschule zu leiten.

SPOX: Zusammen mit Hans-Peter Briegel betreuten Sie bis Ende 2006 die albanische Nationalmannschaft. Wie professionell konnten Sie dort arbeiten?

Roos: Wir hatten verschiedene Rasenplätze, das war schon in Ordnung. Man muss bedenken, dass die Albaner zehn Jahre isoliert waren. Die haben von der westlichen Welt nur wenig mitbekommen. Für uns war das eher so etwas wie Aufbauarbeit, selbst wenn wir einige Bundesligalegionäre im Kader hatten. Wir haben aber gleich im ersten Spiel die Russen geschlagen, was unsere Arbeit als Trainer ein wenig vereinfacht hat, da wir durch den sportlichen Erfolg nun auch gewisse Forderungen stellen konnten. Auch Michel Platini ist einmal nach Albanien gekommen und hat dafür gesorgt, dass ein Leistungszentrum gebaut wird.

SPOX: Zum Auftakt der WM-Qualifikation 2006 schlug Albanien Otto Rehhagels Griechen. Seitdem genießt Briegel in Albanien Kultstatus.

Roos: Das war verrückt. Als wir nach dem Spiel mit dem Bus nach Hause fahren wollten, haben sich Menschen vor den Bus geworfen, damit sie wahrscheinlich später mal behaupten können, von dem albanischen Mannschaftsbus angefahren worden zu sein, der die Griechen geschlagen hat (lacht). Das war für die Menschen eine riesige Genugtuung. Selbst wenn die Albaner ein armes Volk sind: Feiern können die wie die Verrückten. Da ging drei Tage lang der Punk ab. Das waren viel größere Emotionen wie bei den Meistertiteln mit dem FCK. Die albanischen Eltern haben ihre Kinder plötzlich alle Briegel genannt.

SPOX: Zusammen mit Briegel waren Sie auch kurz bei der Nationalelf in Bahrain engagiert. Was hat Sie denn in diesen Winkel der Welt verschlagen?

Roos: Das war einfach eine neue Herausforderung, eine ganz andere Erfahrung. Ich war bis dato noch nie in der arabischen Welt unterwegs. Ich habe aber nach zwei Monaten selbst das Handtuch geworfen, da ich von den organisatorischen Begebenheiten enttäuscht war. Da wurden Dinge versprochen, die man nicht eingehalten hat. Wenn man sich nicht wohl fühlt, schmerzt es noch mehr, von der Familie getrennt zu sein.

SPOX: Welche Dinge wurden denn nicht eingehalten?

Roos: Wenn man irgendwo das erste Mal aufschlägt, macht man sich ein Bild von dem, was dort fehlt - selbst wenn es nur Stangen oder Hütchen fürs Training sind. Wir haben daraufhin gefordert, die fehlenden Materialen zu bestellen. Das musste aber alles erst vom Scheich genehmigt werden. Das hat wiederum unheimlich lange gedauert, bis das über den einen Untertan zum anderen Untertan gereicht wurde und schlussendlich ganz oben gelandet ist. Irgendwann wurde die Bestellung genehmigt und es hieß, dass das Material direkt zu unserem nächsten Trainingslager geliefert wird. Als wir dort ankamen, war aber nichts da. Die Bahrain-Geschichte war im Vergleich zu Albanien ein Rückschritt.

SPOX: Klingt in der Tat enttäuschend. Was würden Sie denn als die größte Enttäuschung Ihrer gesamten Karriere bezeichnen?

Roos: Ganz klar der Abstieg mit dem FCK. Ich habe damals in der Winterpause schon darauf gedrängt, dass wir einen neuen Rasen bekommen. Wenn wir in den Heimspielen Druck machen wollten, brauchten wir ein ordentliches Geläuf und das hatten wir eben nicht. Die Auswärtsteams haben sich deutlicher leichter damit getan, nur hinten drin zu stehen. Das hat uns insgesamt sicherlich vier oder fünf Punkte gekostet. Ich weiß noch, wie mich Norbert Thines damals aufgrund dieser Kritik richtig zusammengestaucht hat (lacht).

SPOX: Heutzutage betreiben Sie eine Fußballschule für Kinder. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Axel Roos: Als ich Co-Trainer bei der albanischen Nationalmannschaft war, habe ich mich dort auch um die Jugend gekümmert, damit die Durchlässigkeit nach oben größer wird. Wir sind auch hin und wieder nach Albanien geflogen, wenn kein Länderspiel war, um mit den Jugendlichen sozusagen etwas Extra-Training zu betreiben. Das hat mir schon sehr viel Spaß gemacht. Als ich wieder zurück in der Pfalz war, ist mir aufgefallen, dass es hier in der Region in diese Richtung gar nichts gibt. Deshalb habe ich die Fußballschule gegründet.

SPOX: Was sind für Sie die positiven und negativen Aspekte bei der Arbeit mit Kindern?

Roos: Negativ ist, dass die Kinder ab und zu nicht zuhören (lacht). Toll ist, den Kindern mein angesammeltes Know-How zu vermitteln. Ich hatte während meiner Profizeit sehr viele unterschiedliche Trainer, bei denen ich mir viel abgeschaut habe. Es macht einfach Spaß, den Lernprozess der Kinder zu beobachten. Fußball hat ja generell eine sehr soziale Komponente, was beispielsweise den Zusammenhalt und das Mannschaftsgefüge angeht. Ich trainiere auch eine Mannschaft auf dem Dorf, dort spielen meine zwei Buben. Da lege ich weniger Wert auf die individuelle Klasse, sondern mehr auf das mannschaftliche Zusammenspiel.

SPOX: Herr Roos, den Klassiker aller Fragen habe ich noch: Wie oft in Ihrem Leben wurden Sie schon auf Guns 'n' Roses-Sänger Axl Rose angesprochen?

Roos: Sehr oft (lacht). Ich bin ja auch sehr musikalisch, spiele Klavier und ein wenig Gitarre. Aber ich war schon vor Axl Rose erfolgreich.

Axel Roos im Steckbrief