Plinius der Ältere: In Freibier veritas

Von Stefan Moser
Vor dem Spiel: Louis van Gaal macht dem Karnevalsverein noch eine lange Nase
© Getty

Alle Bremer stinken, alle Bremer stinken, weil sie aus der Weser trinken! Alle Bremer st....Hoppala! Wir sind schon drauf?! Also dann: Live von der Wiesn - die Alternative Liste des 6. Spieltags!

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1. Zieht den Bayern, usf.: Oktoberfest ist super! Die Sonne lacht, brave Münchner Bürger würgen halbverdaute Wiesn-Hendl in bestreikte U-Bahnen, die B-Prominenz lallt sexistische Parolen ins lokale Fernsehen, und irgendwo haut immer irgendein Maik irgendeinem Franz auf die Fresse. Großartig! Einzig ärgerlich für Ureinwohner: Ehrlich eingeschenkt bekommt man nur vom Karnevalsverein.

2. Spielverderber: Der junge, lächelnde Fußball aus Mainz war gern gesehener Gast zum Wiesn-Heimspiel der Bayern. Fanden alle. Außer Karl-Heinz Rummenigge. Deutschlands Dichterfürst war richtig sauer - und deshalb sagte er es uns ganz ehrlich: "Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Jetzt muss sich jeder an die eigene Nase fassen. Und diese Nase läuft heute!" Ob das wirklich Sinn ergibt, da müsste man erst drüber nachdenken. Es ist aber auch völlig wumpe, denn: Um seiner bildhaften Rhetorik noch mehr Poesie und Leben einzuhauchen, hatte sich der Bayern-Boss noch extra einen grippalen Infekt geholt - und ließ die Nase wirklich laufen. Und für so viel Sekret in Wort und Bild - da sagen wir, das fällt nicht schwer: Lieber Karl-Heinz, danke, danke, danke sehr!

3. Rausch: Apropos Rausch! Anders als die meisten DSF-Zuschauer denken, bedeutet "in vino veritas" nicht, dass Udo Lattek immer Recht hat. Der römische Klugscheißer Plinius der Ältere prägte einst den Sinnspruch, um für die Nachwelt festzuhalten: Berauschte Zeitgenossen lassen gerne die Masken des Alltags fallen und sagen plötzlich, was sie wirklich denken.

Abgesehen vom VfB Stuttgart kann man sich an so ziemlich allem berauschen - auch an einem Sieg im Nordderby. Und so rückte also auch Werder-Trainer Thomas Schaaf am Samstag endlich mit der Wahrheit raus und räumte ein, dass der Brasilianer Wesley eigentlich ein Fehleinkauf sei.

So allroundig ist der Allrounder nämlich gar nicht, die Scouting-Abteilung hat bei anatomischen Details geschlampt! Schaaf: "Wir wollten Wesley auch schon als Torwart einsetzten. Aber leider sind seine Hände dafür zu klein."

4. Und apropos B-Prominenz: Hammse gelesen? Lothar Matthäus ist wieder unter der Haube! Hat wieder geheiratet, zum fünften Mal schon in fünf Jahren. Diesmal heißt die mäßig talentierte Braut:  "Bulgarien". Und träumt vom Durchbruch auf der großen Bühne...

5. Apropos Hochzeit: Am Samstag um 17.07 Uhr stand ein Herr im Anzug in Unterfranken vor der Kirche und hackte aufgeregt eine Nummer in sein Telefon. Gerade hatte der Mann vor Gott eine blonde Stewardess geehelicht, der Ring am Finger war noch warm - und da lässt sich der unromantische Bengel doch glatt ein Fußballergebnis durchsagen! Wer macht den sowas?! Der Mainzer Präsident Harald Strutz war's, der gerade 200 Kilometer nördlich der Allianz-Arena den Bund der Ehe mit Christine eingegangen war und sich die Schlussphase gegen die Bayern live übertagen ließ. Und so viel Glück auf einmal macht die Sache dann halt doch wieder romantisch. Viel Spaß in den Flitterwochen!

6. Höggschte Konzentration: Und apropos Spaß! Kann man sich denn ausgerechnet Zvoni "The Entertainer" Soldo dabei vorstellen, wie er in der Kabine lustige Dialekte imitiert? Ein gepresstes Schwäbisch zum Beispiel? Nein, das kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Aber irgendwie muss er den Podolski ja zum Laufen gebracht haben.

7. Arrogante Selbstreferenz: Ist ja lächerlich, SPOX! Der Löw spricht gar kein Schwäbisch! Sondern Badisch. Baaaaaaaaaadisch!!! Ja, ja, dann eben Badisch.

8. Rezeptfreies Viagra: Vier Spieltage lang dachte man auf Schalke, der hiesige Sportverein käme nur deshalb nicht aus dem Quark, weil es dem talentierten Lumpenhaufen einfach nicht gelingt, den inneren Albert Streit zu überwinden. War natürlich falsch gedacht. Es lag allein an Felix Magath, genauer: an seinem modischen Dilettantismus. Zu Saisonbeginn trug der Trainager nämlich ganz einfach die falsche Krawatte.

Die Streifen auf der kunstseidenen Hässlichkeit um Magaths Hals zeigten damals nämlich von links oben nach rechts unten. Und der Connaisseur weiß: Im rigiden Code der Herrenausstatter symbolisieren abfallende Streifen Zurückhaltung und Ängstlichkeit.

Zeigt das Muster der Krawatte dagegen umgekehrt, von links unten nach rechts oben, zeugt das von Zuversicht, Potenz und Dynamik.

Und irgendwer hat das dann auch dem Magath erklärt. Seit dem 4. Spieltag trägt er das Phallussymbol nun nämlich richtigrum am Kragen: Schalke ist seither ungeschlagen.

9. Deeskalation: Tatort Mixed Zone, Mark von Bommel stellt sich mit ausgezogenen Lederhosen zum Gespräch. Was hat Mainz, was Bayern nicht hat, will der pfiffige Reporter wissen. Und da fing es in dem Niederländer sichtlich an zu rattern, van Bommel musste wirklich lange überlegen: "Soll ich ihm ein bisschen wehtun für die Frage? Oder soll ich ihn vielleicht beleidigen, den Vater einen Schafsbock und die Mutter eine alte Ziege schimpfen?" Er tat denn aber beides nicht. Van Bommel fing sich und versuchte es mit trockenem Humor: "Die 18 Punkte von Mainz. Die hätte ich gern."

10. Apropos Niederländer: Seit er neuerdings das Thema "Bart" für sich entdeckt hat, sieht Ruud van Nistelrooy so aus, als hätte er nur eine Stunde vor dem Warmmachen noch mit dem Kopf auf einer Bierbank in München geschlafen. Aber eins muss man ihm trotzdem lassen: Der Mann weiß noch immer, worauf es im Leben ankommt. Es läuft das Nordderby, die 79. Minute, David Jarolim schleppt sich und Ball gerade elegant durchs Mittelfeld, als ganz rechts draußen plötzlich Choupo-Moting ganz aufgeregt fuchtelt und winkt: Er stünde doch ganz frei, er habe außerdem viel Platz! Doch so ein unnötiger Unsinn, junger Himmelstürmer, man merkt, Du bist noch neu. Richtig machte es van Nistelrooy, der gelangweilt aus dem Abseits trabte. Als alter Hase wusste er: Der Jarolim kann doch gar nicht so weit schießen.

11. L'art pour l'art: "Die zweite Halbzeit war...äh...gut, wir haben, ah, wir sind wieder zurück, haben 2:2...äh... und danach, äh, die dritte Tor ist, äh, gekommen, aber ich denke, erste Halbzeit wir ein bisschen, äh, Werder gelassen und, äh, Werder hat auch ...äh... diese zwei Tore geschießen, ah, erste Halbzeit, und danach zweite ist ein bisschen schwer für uns, weil, äh, wenn wir, äh, wir wollten, ah, äh, gewinnen hier, aber das war ein bisschen schwer, aber jetzt wir müssen Kopf hoch und weiter machen, ich denke, das ist immer noch Anfang und, äh, wir haben immer noch viele Chance für weiterkommen, äh." Das ist geschrieben nicht halb so charmant wie gesprochen, aber es zeigt: Jonathan Pitroipa redet genauso wie er Fußball spielt: So viel wie möglich und so schnell wie möglich, aber irgendwie führt nichts zum Ziel.

Denn wenn der HSV-Quirl schon mal trifft, trifft Bremen eben einmal mehr. Doch dafür lieben wir Pitroipa - und finden Werder ausnahmsweise hässlich und gemein. Darum jetzt alle auf die Bänke und die Krüge hoch: "Alle Bremer stinken, alle Bremer stinken..."

Der 6. Spieltag im Überblick

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