Die Rückkehr der Lethargischen

Von Florian Bogner
Werder Bremen ist nur noch Sechster der Bundesliga mit zehn Punkten Rückstand auf Leverkusen
© Imago

Werder Bremen droht erneut seine Saisonziele in der Bundesliga früh zu verspielen. Özil-Poker, Formschwäche, ausbleibende Ergebnisse: Die Erfolgskombo Allofs/Schaaf operiert an mehreren Baustellen gleichzeitig. Bremens Nummer-zwei-Status in Deutschland bröckelt - und jetzt kommen auch noch die Bayern.

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Bei Werder Bremen ist das normalerweise Gesetz: Am Tag nach dem Spiel haben die eingesetzten Spieler frei. Nach dem 0:1 in Frankfurt, der dritten Niederlage in Folge, ging das bei Werder so: Alle Mann Sonntagmorgen um 9.30 Uhr antreten, 20 Minuten Ansprache, 30 Minuten Auslaufen.

Dass Trainer Thomas Schaaf dabei so sachliche Töne anschlug, wie noch am Vorabend ("Wir werden nachfragen, warum die Spieler nicht so bissig waren"), ist eher unwahrscheinlich.

Denn Werder ist gerade dabei, seine Saisonziele in der Weser zu versenken. Und das macht selbst einen so besonnenen Zeitgenossen wie Thomas Schaaf stinkig. Dann brennt der Baum.

Nur zwei Punkte aus fünf Spielen

Während die Konkurrenz an der Tabellenspitze Woche für Woche Punkte hamstert, hat Bremen aus den letzten fünf Spielen nur zwei Zähler mitgenommen und den Anschluss an die Top Fünf verloren. 0:2 gegen Schalke, 1:2 in Hamburg, 0:1 in Frankfurt - und nun kommen die Bayern, die auf Platz drei liegend schon acht Punkte Vorsprung haben.

Werder steht am Samstag also nicht nur vor einem durchaus kniffligen Heimspiel, sondern auch vor der Kardinal-Frage: Wie gut ist diese Mannschaft wirklich?

Klaus Allofs wählt diesbezüglich seit kurzem fatalistische Worte. "Wenn wir unsere Stärken nicht einbringen, sind wir nur eine normale Mannschaft", sagte der Geschäftsführer in Frankfurt brummig: "Dann muss mir keiner was von Potenzial oder magischen Dreiecken erzählen oder darüber sprechen, welcher große Klub welchen Spieler verpflichten will."

Özil als Söldner beschimpft

In erster Linie dürfte er damit Mesut Özil gemeint haben, der sich angesichts des kolportierten Interesses von halb Europa ziert, seinen bis 2011 laufenden Vertrag zu verlängern und damit zum Problemfall wird. Allofs machte die Sache in der Winterpause öffentlich, indem er ankündigte, innerhalb der nächsten drei Monate Klarheit über Özils Zukunft haben zu wollen.

Özil-Berater Reza Fazeli begegnete dieser Drohung kühl. Man wolle erst noch die WM abwarten, so sein Statement. Seitdem liegen die Gespräche auf Eis und Özil steht am Pranger, wird von den Werder-Fans in den Internetforen schon als Abzocker und Söldner bezeichnet. Allofs wollte mit seinem Vorpreschen offensichtlich eine zweite Hängepartie wie bei Diego verhindern, der Schuss ging nach hinten los.

Özil betont zwar, dass die Vertragssituation keinen Einfluss auf sein Spiel habe, wird aber nun nach jedem schlechten Spiel eben genau deswegen zerrissen - wie auch in Frankfurt. Kurzum: Wenn die Leistung nicht stimmt, macht sich der 21-Jährige angreifbar. Schaafs Statement: "Mesut muss sich selbst helfen, indem er sich voll auf seine Leistung konzentriert."

Wo sind die Häuptlinge?

Das Anschluss-Problem: Spielt Özil schwach, hat Bremen keinen Spieler, der in die Bresche springen kann. Selbiges gilt für Claudio Pizarro im Sturm. Eine derartige Abhängigkeit von zwei Einzelspielern hat kein Top-Verein der Bundesliga vorzuweisen, auch Bayern kam zuletzt ohne Franck Ribery und Arjen Robben passabel zurecht.

Dass sich die jungen Özil, Marko Marin (20) und Aaron Hunt (23) eine Formschwäche erlauben, ist vollkommen normal. Dass sie sie sich alle drei zur selben Zeit erlauben, mehr als ungünstig. Momentan ist niemand da, der das Leistungsvakuum auffangen könnte. Seit Philipp Bargfrede, ein weiterer Junger, verletzt ist, geht dem Werder-Mittelfeld zudem die Aggressivität ab. Torsten Frings kann alleine nicht viel ausrichten, Tim Borowski ist nur Mitläufer, Daniel Jensen noch nicht auf altem Niveau.

Ein weiteres Problem des Bremer Kaders: Bei mehreren Spielern hat man das Gefühl, sie wären genau in dem Moment ihrer Entwicklung stehen geblieben, in dem der große Sprung nach vorne folgen sollte. Aus unterschiedlichen Gründen. Boenisch, Prödl, Fritz, Borowski, Jensen, Almeida, Rosenberg - die Liste ist lang. "Die Lethargischen haben wieder zugeschlagen", schrieb ein Bremen-Fan nach dem Frankfurt-Spiel im Internet.

Der Fluch der Super-Serie

Die Leichtigkeit der Hinrunde, als man sensationell 23 Spiele ohne Niederlage blieb, ist dahin. Jeder Gegner weiß mittlerweile, wie man gegen Werders flexible Offensive verteidigen muss, macht die Räume eng und wartet nicht selten mit zwei Viererriegeln auf. Dem Bremer Angriffsspiel fehlt es oft an Struktur und Durchsetzungsvermögen, die Bälle gehen zu schnell verloren.

Die junge Garde hat niemanden, an dem sie sich aufrichten könnte, verfranzt sich zusehends in Einzelaktionen. Schaaf monierte in Frankfurt, sein Team habe "kein gutes Ergebnis erzielen, sondern nur spielen und kombinieren" wollen. Hunts Versuch, eine Situation spielerisch zu lösen, führte in Frankfurt zum entscheidenden Fehlpass vor dem 0:1.

Manchmal hilft in einer solchen Situation frisches Blut. Doch Allofs ist nach mehreren Fehlschlägen auf dem Transfermarkt vorsichtig geworden. Vieles spricht dafür, dass Aymen Abdennour der einzige Winter-Transfer bleibt. Quälend ist mittlerweile die Suche nach einem Abnehmer der ausrangierten Dusko Tosic, Jurica Vranjes und Marcelo Moreno.

Frings: "Haben nur das Zeug für Europa League"

Zwischen Platz eins und Platz acht sei für Werder diese Saison alles möglich, hatte Allofs vor einigen Wochen prophezeit. In Frankfurt sagte er nun: "Im Moment sieht's eher nach Platz acht aus." Allofs kennt die wiederkehrenden Muster bei Werder, die Lethargie, die schlechten Rückrunden.

In den letzten acht Spielzeiten erreichte Werder in der Rückserie nur einmal mehr Punkte als vor dem Winter. In den vergangenen drei Saisons gab es in den ersten sechs Rückrundenspielen immer drei Niederlagen. Setzt Werder die Serie fort, ist die Champions-League-Qualifikation kein Thema mehr - doch genau die braucht Bremen, um seine Stars zu halten. Der Status als Nummer zwei in Deutschland hinter Bayern bröckelte letzte Saison bereits, nun droht er vollends zu kippen.

Die Mannschaft kann sich jetzt nur noch selbst helfen. Am besten mit einem Dreier gegen Bayern.

"Vielleicht brauchen wir gerade jetzt so einen guten Gegner, um wieder in die Spur zu finden", sagte Claudio Pizarro, einer der Hoffnungsträger. "Wir sind in einer schwierigen Situation. Wenn wir auch am Samstag verlieren, dann wird es ganz schwierig, oben wieder ranzukommen."

Nicht, dass am Ende doch Torsten Frings Recht behält. Der meinte kürzlich: "Wir haben zwar das Zeug, einen Europa-League-Platz zu erreichen - mehr aber auch nicht."

Frings' Nationalmannschaftskarriere beendet