So gewinnt man den Kracher

Von Stefan Rommel
Das Spiel der Besten ist auch der große Vergleich zwischen Klinsmann und Rangnick

Der lang erwartete Kracher zwischen Bayern München und 1899 Hoffenheim elektrisiert seit Tagen Fußball-Deutschland. Endlich kann es nach den Verbal-Geplänkeln zwischen Uli Hoeneß und Ralf Rangnick im Vorfeld im Kampf um die Herbstmeisterschaft endlich zur Sache gehen.
 

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"Es ist wichtig, dass wir ein Zeichen setzen und dass wir zeigen, dass wir der FC Bayern sind", will Luca Toni dem nassforschen Aufsteiger heute Abend (20.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere) mal so richtig die Leviten lesen.

Aber was erwartet die 69.000 Fans und hunderte Millionen - das Spiel wird in 168 Ländern live ausgestrahlt - eigentlich? Und wer hat wo Vor- oder Nachteile? Wer hat den besseren Trainer? Wer hat die bessere Bank?

SPOX hat sich auf die Suche nach Antworten begeben und zeigt die Schlüsselduelle im Spiel des Jahres.

Das Hoffenheim-Problem

In der rechten Abwehrseite, respektive natürlich der linken Angriffsseite der Bayern, liegt eine der Wahrheiten. Rund 70 Prozent aller gefährlichen Bayern-Angriffe werden mit einem Zuspiel auf Franck Ribery an der Mittellinie eingeleitet. "Wenn Franck morgen in Form ist, dann dürfte es keine Probleme geben", sagt Toni.

Ganz alleine geht das nicht, der Plan schaut für gewöhnlich so aus: Philipp Lahm hinterläuft, Ze Roberto kreuzt vor dem Franzosen. Zwei Verteidiger müssen mit. Jetzt ist Platz geschaffen und Ribery hat im günstigsten Fall nur noch einen unmittelbaren Gegenspieler vor sich.

Ribery kann Fahrt aufnehmen und sich aufgrund seiner überragenden Schnelligkeit fast immer durchsetzen. Mit Lahm, Ze Roberto und den beiden Stürmern bieten sich vier Anspielmöglichkeiten plus die Option, den Angriff selbst abzuschließen.

Tobias Weis wird sich spätestens ab der Mittellinie des Franzosen annehmen. Körperlich passt der Fast-Nationalspieler perfekt als Gegenspieler, ist wendig, quirlig, schnell und bissig. So leicht wie mit dem staksigen Simon Rolfes letzte Woche dürfte es Ribery nicht mehr haben.

Lahm wird aufgrund der Hoffenheimer Konterstärke und aufgrund seines gefährlichen Gegenspielers Chinedu Obasi nicht so viel nach vorne machen können wie gewohnt. Deshalb kommt Ze Roberto eine besonders komplexe Aufgabe zu. Der Brasilianer muss bei Gelegenheit mit Tempo auf Linksaußen raus, um Lücken zu reißen. Wie zum Beispiel vor dem 0:1 in Leverkusen. Aber er muss auf der anderen Seite auch seine Defensivaufgabe im Zentrum erfüllen...

Das Bayern-Problem

...und Mark van Bommel dort nicht zu oft alleine lassen. In der Champions League gegen den AC Florenz offenbarten die Bayern trotz des 3:0-Sieges eklatante Schwächen in der Rückwärtsbewegung und waren mit dem offensiven Dreiermittelfeld der Italiener über weite Strecken der Partie schlicht überfordert.

"Da haben wir schlecht verschoben. Die sind immer zu dritt auf uns zugelaufen, das war schwer zu verteidigen", beschwerte sich van Bommel damals unmittelbar nach dem Spiel. Der Niederländer muss selbst permanent die Mitte halten und sich Ze Roberto bzw. Schweinsteiger zu Hilfe holen.

Gegen Hoffenheim könnte eine derart törichte Denkweise wie gegen Florenz fatal enden. Zumal neben den drei offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern auch noch drei nominelle Spitzen - zusammen also sechs Offensivspieler - nach vorne stürmen.

A propos Stürmer: Lahm wird Obasi, Lucio Demba Ba und Martin Demichelis Vedad Ibisievic quasi in Manndeckung nehmen (müssen). Ohne Absicherung und doppelten Boden. Einzig Massimo Oddo kann aushelfen, da Hoffenheim zwar mit zwei Mittelstürmern und einem Rechtsaußen, aber ohne Linksaußen spielen wird.

Insofern ist der Halbraum vor dem eigenen Tor eine sehr kritische Zone, was zweite Bälle anbelangt. Da muss van Bommel richtig abräumen. Denn: Bei allem Offensivfeuerwerk kassieren die Bayern immer noch viel zu viele Gegentore. Auch, weil die Abstände zwischen Abwehr und defensivem Mittelfeld zu groß sind.

Die individuelle Klasse

Hier liegen ganz eindeutig die Vorteile auf Seiten der Bayern. 784 A-Länderspiel hat der aktuelle Bayern-Kader auf dem Buckel. 73 der der Hoffenheimer. Besonders augenscheinlich - und für die Gäste sehr gefährlich - wird die Diskrepanz dabei in der Innenverteidigung.

Marvin Compper und Matthias Jaissle sind im Vergleich zu Miro Klose und Toni blutige Anfänger. Besonders Jaissle offenbarte schon gegen weniger gefährliche Gegenspieler Schwächen, ließ sich im Zweikampf leicht abkochen.

Kommt Bayerns Flügelspiel nicht ins Rollen, ist es ein veritabler Plan B, Toni einfach halbhoch anzuspielen. Der Italiener schirmt den Ball dann wie gewohnt geschickt ab und das Mittelfeld kann nachrücken.

Bei allem Respekt vor Compper und Jaissle, aber gegen die abgezockten Bayern-Stars wartet eine völlig neue Herausforderung. Gegen die übrigen Ballermänner der Liga mit prominenter Sturmreihe, Bayer Leverkusen und Werder Bremen, setzte es übrigens zweimal fünf Gegentore.

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Wer coacht wen aus?

Als Jürgen Klinsmann die deutsche Nationalmannschaft übernahm, erkannte er sehr schnell, dass es einer Generalüberholung bedarf, um das Team im Hinblick auf die WM 2006 auf Kurs zu bekommen. Klinsmanns Stil war viel beachtet. Dabei machte der Wahl-Kalifornier mit seinen Therabändern und Fitness-Experten aus den USA gar nicht so vieles neu. Trotzdem gilt Klinsmann immer noch für viele in Deutschland als der "Erfinder" eines neuen Spielstils.

Was der arrivierte, studierte und hervorragend ausgebildete Rangnick darüber gedacht haben mag, ist nicht überliefert. Im Grunde aber hatte Rangnick ähnliche Methoden schon bei seinen jeweiligen Teams etabliert, als Klinsmann noch im sonnigen Westen der USA Privatier war.

Jetzt treffen beide erstmals mit ihren Mannschaften aufeinander. Rangnick hat bei seinen Stationen in der Bundesliga schon bewiesen, dass er ein Guter ist. In Hoffenheim, so ganz ohne große Stars, fühlt er sich pudelwohl und bekommt Spieler auf ein Hochmaß an Leistung, die woanders bereits als gefallene Engel galten (Compper, Weis, Ibertsberger, Jaissle, Salihovic).

Klinsmann zeigte in dieser Saison einmal einen gelungenen taktischen Kniff, als er beim Halbzeitrückstand gegen Wolfsburg Ze Roberto nach links hinten zog und Borowski als Ballverteiler ins zentrale Mittelfeld einwechselte. Allerdings ging er zwei Spiele später auf Schalke mit eben dieser Variante in der ersten Halbzeit beinahe ganz fürchterlich unter. Immerhin: Klinsmann lernte daraus, dass eine Schablone nicht auf jeden Gegner passt.

Und auch wenn Uli Hoeneß sagt: "Ein Fußballspiel wird nicht durch Taktik entschieden. Sondern durch bessere Spieler. Und die haben wir", muss der Bayern-Manager insgeheim doch eingestehen: Die Bayern haben den routinierteren Kader - Hoffenheim aber den eindeutig erfahreneren Trainer.

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Und sonst noch?

Eines muss man Klinsmann aber jetzt schon unumwunden zugestehen: Wohl noch nie war eine Bayern-Mannschaft so fit wie im Winter 2008. Die Münchener können 90 Minuten lang höchstes Tempo gehen und heben damit "ihre" letzte Viertelstunde auf ein neues Level.

Aber auch beim Aufsteiger tut sich bemerkenswertes: Keine andere Mittelfeldformation der Liga legt so viele Kilometer zurück wie die der Hoffenheimer. "Unsere enorme Laufleistung ist der Ursprung von allem", sagt Rangnick.

Das Spiel heute Abend wäre wie maßgeschneidert für einen Typen wie Oliver Kahn gewesen. So fehlt eine richtige Reizfigur, auch das kann ein Faktor in sein. Am ehesten traut man van Bommel das Böse-Buben-Image noch zu - schließlich ist es für den Holländer eine perfekte Gelegenheit, nochmal zu zeigen, was die Bayern an ihrem "Aggressiv Leader" haben.

Unüblicherweise mischte auch der besonnene Rangnick in den verbalen Scharmützeln kräftig mit und baute so einen ungeheueren Druck auf seine Mannschaft auf.

Denn immerhin betritt die TSG heute Abend Neuland: Alle großen Gegner mit großen, furchteinflößenden Stadion hatte der Aufsteiger bisher zu Hause: Stuttgart, Hamburg, Dortmund und nächste Woche auch Schalke. Spieler wie Carlos Eduardo, Obasi oder Ba haben noch nie vor fast 70.000 Zuschauern gespielt.

Und dann wäre da noch die Sache mit der Bank: Die Bayern können auf einen Rückstand nur mit Mittelfeldspielern reagieren. Tim Borowski oder Toni Kroos wären eine Alternative. Hoffenheim hat da mehr Variabilität zu bieten: Von einem echten Stürmer (Francisco Copado) über einen Halbstürmer (Kapitän Selim Teber) bis hin zu einem Mittelfeldspieler (Sejad Salihovic) sitzt alles auf der Bank. Und Salihovic ist schließlich der gefährlichste Standardschütze der Liga.