Und was kommt jetzt?

Von Jochen Tittmar / Stefan Moser
Trochowski, Piotr, Hamburg, HSV
© Getty

München - Da ist es nun also geschehen. Rafael van der Vaart wechselt mit sofortiger Wirkung vom Hamburger SV zu Real Madrid.

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Für den Spielmacher, dessen ungeklärte Zukunft in den letzten Monaten tagein, tagaus für Schlagzeilen sorgte, geht damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.

"Ein Traum wird wahr. Ich gehe nach Madrid und beginne einen neuen Lebensabschnitt", schrieb der 25-Jährige auf seiner Homepage. "Wie jeder weiß, wollte ich immer nach Spanien." Dort ist er inzwischen angekommen und wurde frenetisch gefeiert.

Also gab Hamburg nach: "Für uns ist die Schmerzgrenze überschritten worden", sagte Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer, "es war der ausdrückliche Wunsch des Spielers zu gehen. Bei einem Angebot von Real Madrid kann man das natürlich verstehen."

Der HSV, der durch den Verkauf seines Superstars um gut 15 Millionen Euro schwerer geworden ist, kann sich nunmehr gezielt auf dem Transfermarkt umsehen - oder auch nicht.

Es gibt mehrere Varianten, wie der Abgang des Holländers kompensiert werden könnte. SPOX zeigt unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten auf.

1. Never change a winning team

Es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass der HSV gar keine Neuverpflichtung tätigt und den Abgang van der Vaarts mannschaftsintern auffängt. Der konsequente Nachfolger auf dessen Position wäre dann Piotr Trochowski. Im möglichen 4-3-3 wäre er dann der Mann hinter den Spitzen. 

"Ich traue mir die Rolle zentral zu, dafür habe ich sie schon oft und gut gespielt", hofft der 24-Jährige nun auf mehr Einsatzzeit. Allerdings: Trainer Martin Jol will sich nicht auf ein System festlegen. Und die zentrale Rolle in einer Mittelfeldraute traut er Trochowski taktisch und körperlich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu. Für die Nachwuchskräfte Anton Putsilo oder Änis Ben-Hatira gilt das umso mehr.

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2. Systemumstellung

"Ein Spieler seiner Güte ist nicht leicht zu bekommen", weiß Beiersdorfer um die schwierige Aufgabe, van der Vaart eins zu eins zu ersetzen. Es böte sich daher an, die bisherige Van der Vaart-Kampfzone im offensiven Mittelfeld erst gar nicht so isoliert wie sonst zu besetzen und auf Dauer ein 4-2-3-1 zu spielen.

Eine solche Konstellation erprobte der HSV bereits am Wochenende beim Emirates Cup in London gegen Real Madrid (1:2), bei dem van der Vaart fehlte. Die zentrale Spitze Paolo Guerrero wurde dabei links von Ivica Olic und rechts von Jonathan Pitroipa flankiert, Trochowski spielte den zentralen Part.

Im Duell mit Juventus Turin (3:0) - ebenfalls ohne van der Vaarts Mitwirken - liefen die Hanseaten dann im klassischen 4-4-2 auf: Keine Raute, sondern eher eine "flache Vier" mit zwei offensiven Außen. Olic gesellte sich nach vorne zu Guerrero, Zidan wirbelte links, Trochowski rechts.

In London agierten die Hamburger äußerst variabel und auch ohne ihren Spielmacher keineswegs kopflos. Van der Vaart stimmt zu und geht sogar noch einen Schritt weiter: "Ich habe die Mannschaft noch nie so gut gesehen - ohne mich."  

Fand auch Beiersdorfer: "Die Mannschaft hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass es auch ohne van der Vaart geht. Die Existenz des HSV hängt nicht von van der Vaart ab." Da beide Varianten recht gut funktionierten, könnte diese taktische Variabilität durchaus zum Trumpf für die kommende Saison werden.

Problem: Selbst wenn es gelänge, den Abgang des Spielmacher rein sportlich halbwegs zu kompensieren, fehlt dem HSV dann immer noch die Ausstrahlung, die van der Vaart mitbrachte. Die junge Mannschaft braucht den vielzitierten Leader, einen Typen mit Charisma und internationaler Erfahrung. Mit einem Wort: Hamburg braucht einen neuen Kapitän. Jol ließ bereits durchblicken, dass er Frank Rost zwar für eine wichtige Führungsfigur innerhalb der Mannschaft halte, aber keinen Torhüter als Spielführer wolle. Er sucht einen verlängerten Arm auf dem Feld.

3. Eins-zu-Eins Ersatz

Noch vor kurzem äußerte sich Boss Bernd Hoffmann zu möglichen Transfers: "Wir kaufen erst, wenn wir verkauft haben." Nun haben sie verkauft, gut 15 Millionen Euro stehen für eine Neuverpflichtung parat.

Viele Namen wurden und werden dabei gehandelt, am heißesten jedoch der von Michael Bradley (Steckbrief) Die Hamburger signalisierten bereits vor mehreren Monaten ihr Interesse am 21-jährigen US-Amerikaner vom SC Heerenveen, der rund 3,5 Millionen Euro kosten würde.

Tiefer in die Tasche greifen müsste man für Thiago Neves von Fluminense (Steckbrief), für den Hertha BSC Berlin bereits zehn Millionen Euro bot. Das Interesse an Jeremy Clement dürfte sich erledigt haben, nachdem der 24-Jährige am Wochenende seinen Vertrag bei Paris St. Germain bis 2012 verlängerte.

Dafür könnte Kim Källström (Steckbrief) wieder auf den Plan rücken. Der Schwede möchte zwar bei Olympique Lyon bleiben, doch mit genügend Geld im Rücken könnte der HSV noch einmal einen Vorstoß riskieren.

4. Neuer Tor-Garant fürs 4-4-2

Wahrscheinlicher, als dass ein hübsches Sümmchen in einen van der Vaart-Ersatz investiert wird, ist, dass man sich nach einem internationalen Topstürmer umschaut. "Wir haben nur einen richtigen Neuner, da ist sicherlich noch Luft", forderte Jol bereits.

Mögliche Kandidaten: Josip Tadic von Dinamo Zagreb steht ebenso wie der Ex-Bremer Claudio Pizarro auf der Liste. Zuletzt liebäugelte Andrej Woronin vom FC Liverpool mit einer Rückkehr in die Bundesliga.

Der Ukrainer würde gut ins geforderte Profil passen und stellt mit seiner körperbetonten Spielweise einen guten Gegenpart zu Guerrero dar.

Das Nonplusultra wäre der russische EM-Star Roman Pawljutschenko von Spartak Moskau, der jedoch auch von mehreren internationalen Spitzenklubs umgarnt wird.

"Wir haben Namen parat", verrät auch Jol. Auf wen es schlussendlich hinausläuft, werden die nächsten Tage zeigen.

Auf den bislang prominentesten Neuzugang, Trainer Jol, wartet auf und abseits des Platzes eine Menge Arbeit.

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